Die militärischen Übergriffe der tschadischen Armee auf sudanesisches
Territorium werden nun nicht mehr geleugnet. Der Einsatz von Flugzeugen
aus Schweizer Produktion macht die Angriffe aber auch in der
Eidgenossenschaft zum innenpolitischen Thema.
Jetzt gab es bei einer erneuten Bombardierung Tote. Die Bombardierungen am 28. Dezember 2008 waren von der österreichischen und deutschen Presse verschwiegen worden, aber über die neuerlichen, diesmal tödlichen, Gewaltakte konnte man in Österreich nicht mehr hinwegsehen, da sich die internationale Presse des Ereignisses bereits bemächtigt hatte, von der New York Times bis zur Neuen Zürcher Zeitung waren die Seiten voll. Die Schweizer Zeitungen hatten einen besonderen Grund, sich des Themas zu bemächtigen, stammt doch der tödliche Kampfbomber, der hier zum Einsatz kam, aus Schweizer Produktion.
Interessanterweise wurde kurz nach dem Bombenmord ein UN-Konvoi vom sudanesischen Heer beschossen, die Urheber standen, lange bevor noch das sudanesische Heer, nach einigen Ausflüchten, wie etwa die sudanesische Guerilla-Opposition wäre es gewesen, den Beschuß zugab, für die internationalen Agenturen verblüffend schnell fest, und eine allererste Zuordnung wurde sofort über die ganze Welt verbreitet. Dies zu einem Zeitpunkt, als die Polizei der Vereinten Nationen gerade erst mitgeteilt hatte, dass sie noch am Ermitteln war und das Resultat noch keineswegs feststehe. Ist es nicht auffallend, wie durch das grobe Manöver die Aufmerksamkeit vom Bombenkrieg abgelenkt wurde? Jetzt wo wieder bombardiert wird und dies nicht mehr verschwiegen werden kann, wird im Schnellschluß der Sudan eines Angriffes auf einen UNO-Konvoi beschuldigt. Gott sei Dank hat er es zugegeben!
Angriffe waren von Déby angekündigt
Den Auftakt zur erneuten Bombardierung von Stellungen der Rebellen und damit sudanesischen Territoriums bildeten Drohungen des Staatschefs Idriss Déby Itno, die in einer ungewöhnlichen Sprache abgefaßt waren: „Wir werden uns im Sudan auf sie draufwerfen! Wir werden sie dazu bringen, dass sie Staub fressen, und zwar im Sudan!“ verkündete er in einer Rede, die er am Samstag den 5. 1. 2008 in N´Djamena hielt, der Hauptstadt des Tschad (1).
Nach den letzten Angriffen am 28. Dezember hatte Ahmet Allami, der Außenminister des Tschad die Proteste des Sudan noch mit „Entrüstung“ zurückgewiesen. Damals hatte das sudanesische Außenministerium den Tschad beschuldigt, er habe mit drei Flugzeugen die Gegend von Rijl al-Harzaya und Kermoula, 56 km südlich von Geneina (2) in West-Darfur, bombardiert (4). Diesmal war der Tschad nicht mehr „entrüstet“, gab nicht bloß die Übergriffe zu, sondern kündigte sie auch noch an. Bei dieser Gelegenheit drohte Déby auch mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen (5).
Der erste Angriff erfolgte am frühen Morgen des Sonntag, den 6. 1. 2008 auf die Ortschaften Goker und Wadi Radi 35 km südlich von Geneina (5, 6). Der zweite Angriff am frühen Morgen des Montag erfolgteauf einenoder zwei Stützpunkte der Rebellen südwestlich von Geneina in einer grenznahen Ortschaft ebenfalls auf sudanesischem Gebiet (1). Der Zeitpunkt der Angriffe deutet, laut NZZ, darauf hin, daß im speziellen Fall das Fluggerät, das am Montag eingesetzt war, mit Nachtsichtgeräten ausgestattet war (3).
Schweizer Kriegsgerät
Am Sonntag kamen 3 Antonow- Flugzeuge zum Einsatz (1); am Montag waren zwei Kampfhubschrauber vom russischen Typ Mi17 und Mi24, sowie eine Pilatus-Maschine aus schweizerischer Produktion eingesetzt (3). Der Einsatz der Russischen Kampfhubschrauber und des Schweizer Flugzeuges wurde zuerst von afp gemeldet, die Agentur berief sich dabei auf militärische Kreise des Tschad (1).
Die GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) fährt schon seit Jahren eine Kampagne gegen den Vertrieb und Einsatz der Pilatus-Flugzeuge, sie hat sich auch diesmal der Sache angenommen.(21) Dieses kleine, leichte Flugzeug wurde stets der naiven Öffentlichkeit als harmloses „Trainingsflugzeug“ angedient. Es wird zwar in der Ausbildung verwendet, der PC-7 Turbo Trainer kann aber auch, der Typenbeschreibung etwa des österreichischen Bundesheeres folgend, „mit Maschinengewehren und Raketen bewaffnet werden.“ (8)
Das österreichische Bundesheer verfügt über 28 Pilatus-Flugzeuge, 12 vom Typ PC-6 und 16 vom Typ PC-7 (10). Pilatus wird auch von Österreich im Tschad-Krieg eingesetzt werden. Angeblich nur die PC-6: „Es sollen drei bis vier Flächenflugzeuge des Typs PC-6 "Pilatus Porter" in den Tschad verlegt werden.“ berichtete der Standard. (11) Bei den Typen PC-6 und PC-12 handelt es sich zwar um zivile Produkte, im Gegensatz zu PC-7 und PC-9, die sowohl zivil als auch militärisch verwendbar sind (12); es ist jedoch bekannt, daß eine Lizenzausgabe von PC-6, Fairchild AU-23A Peacemaker, in den USA ebenfalls militärisch umgerüstet wurde (13). Daher trifft dual use auch auf die PC-6 zu.
Der Schweizer Pilatusskandal wird bis jetzt (Zeitpunkt 19.1.) von den österreichischen Zeitungen verschwiegen: Eine PC-7 wurde für den Kriegseinsatz im Tschad bereits umgerüstet, das konnte nachgewiesen werden. Am 15. 1. präsentierte die Schweizer Fernsehsendung „10 vor 10“ eine Aufnahme einer PC-7 mit zwei schweren, vollautomatischen 20mm-Kanonen (14). Betroffene und anvisierte Organisationen
Ins Visier gelangten Zentren des militärischen Widerstandes. „Ich wurde am 28. Dezember und gestern (Sonntag den 6. Januar) von der tschadischen Luftwaffe auf sudanesischem Territorium bombardiert“ berichtet Abdelwahid Aboud Mackaye von der UFDD-F (15). „Unser Hauptquartier befindet sich auf sudanesischem Territorium. Einige Leute von uns wurden verwundet“. Die UFDD-F wurde von den Bombardierungen am folgenden Tag, dem Montag, nicht betroffen (1). Abderraman Koullamallah, Sprecher des militärischen Zusammenschlusses von UFDD, UFDD-F und RFC, früher ein Gefolgsmann Débys, bestätigte auf Anfrage der afp: „Wir waren am Montag nicht betroffen, da wir uns auf tschadischem Territorium befanden“ (1)
Verwundete und Tote
Der Angriff Sonntag früh forderte viele Opfer. Der Sprecher der sudanesischen Streitkräfte, Othman al-Aghbach, berichtet zunächst, es seien bei diesen Angriffen drei Zivilpersonen getötet und vier verletzt worden (1). In einer UNO-Dokumentation stehen noch höhere Zahlen: „Die Luftwaffe des Tschad hat diese zwei Orte (Goker und Wadi Radi, AuO) bombardiert und dabei sechs Angehörige der tschadischen Opposition getötet, sowie vier weitere verletzt.“ (1) Das berichten auch NZZ (3) und BBC (17). Der ORF beschränkt sich auf 3 Tote (9).
Noch höher sind die Zahlen von Al-Wihda: Es habe 9 Tote gegeben, darunter waren 2 Leibwächter von Fizani, sowie 7 Kämpfer des Adouma Hassaballah (6), der früher Anführer einer eigenen Organisation war und jetzt Stellvertretender Vorsitzender der UFDD ist.
UNAMID von zwei Seiten bedroht
„Zutiefst besorgt“ äußerte sich nach den Angriffen Rodolphe Adada, der Leiter der UNAMID, der aus Afrikanischer Union und Vereinten Nationen zusammengesetzten Friedenstruppe im Darfur (17). Zur zunehmenden Eskalation meint er: „Zahlreiche Binnenvertriebene und Flüchtlinge werden die ersten Opfer sein.“ (5) Wie erwähnt, war ein Verpflegungskonvoi der UNAMID (18) am 7. Jänner vom Sudan angegriffen worden. Ein Kommandeur der sudanesischen Streitkräfte gab schließlich zu: „Bewaffnete Kräfte des sudanesischen Militärs haben einen Konvoi beschossen.“ (19)
Die UNAMID ist das derzeit größte „friedenserhaltende“ Projekt. Es ist der Einsatz von 20.000 Soldaten geplant. Dazu kommen noch weitere 6000 Posten, die auf Polizei und Zivilpersonal aufgeteilt werden. Derzeit befinden sich bereits 9000 Soldaten und Polizisten im Einsatz (19).
Luftabwehr
Nach den Angriffen vom 6. und 7. Januar gab es noch zusätzliche Angriffe, den letzten am Mittwoch den 9. 1., wie Al Wihda berichtet. An dem Tag trat das erste Mal die Abwehr in Kraft, und es wurde beobachtet, daß nicht weit von Abéché ein Hubschrauber der tschadischen Armee getroffen wurde und abstürzte. Seitdem finden keine Bombardements statt, die Gegend wird jedoch in großer Höhe überflogen.
Am Mittwoch begannen die einzelnen Rebellenformationen, ihre Kräfte zusammenzulegen, die unter dem Kommando von Oberstleutnant Fizani Mouhadjir stehen (20).
(1)Le Tchad a bombardé des rebelles tchadiens au Soudan, afp, 7. 1. 2008 (2)Unterschiedliche Schreibweisen: auch el-Geneina in (1); oder Junaina in (3) (3)Tschads Luftwaffe fliegt Angriffe im Sudan, Neue Zürcher Zeitung, 8. 1. 2008 (4)Attaque du Tchad au Soudan: N'Djamena "indigné" des accusations de Khartoum, afp/Le Monde, 30. 12. 2007 (5)Andrew Heavens: Des avions tchadiens bombardent des rebelles au Soudan, Reuters, 7. 1. 2008 (6)Tchad Soudan: Ndjamena pilonne les positions du colonel Fizani, Al Wihda International, 7. 1. 2008 (7) Le Tchad reconnaît implicitement avoir bombardé les rebelles au Soudan, afp/Le Monde, 8. 1. 2008 (8)Bundesministerium für Landesverteidigung: Pilatus PC-7 "Turbo Trainer", http://www.bmlv.gv.at/waffen/waf_pilatus.shtml (9) Tschad bombardiert Rebellenlager in Darfur, ORF, 7. 1. 2008 (10) „Österreichisches Bundesheer (2. Republik)“, Wikipedia (11) Conrad Seidl: Bundesheer-Helikopter für den Tschad-Einsatz, Standard, 28. 12. 2007 (12) Nico Lutz: Hoffnungslos träge, GSoA-Zeitung, o. D. (13) Vgl. dazu u. a.: „Pilatus PC-6“, Wikipedia, besonders: „Fairchild AU-23“ Wikipedia (14) 20 Minuten, 15. 1. 2008 (15) Eine kurze Zusammenfassung der bewaffneten Oppositions-Kräfte findet sich in: Aug und Ohr: Krieg in Afrika, indymedia Deutschland, 2. 1. 2008 http://de.indymedia.org/2008/01/204091.shtml Die Kräfte, die kürzlich ein gemeinsames Militärkommando gebildet haben werden zusammengefaßt in: Aug und Ohr, Der Tschad bombardiert den Sudan, indymedia Deutschland, 7. 1. 2008, http://de.indymedia.org/2008/01/204476.shtml (16) Chad declares right to pursue rebels in Sudan after bombings, afp, 8. 1. 2008 (17) Chad ´launches Darfur air raids´, BBC, 7. 1. 2008 (18) Die volle Bezeichnung: African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur. (19) Gerard Aziakou: Sudan admits responsibility for Dafur attack, afp, 9. 1. 2008 (20) Tchad: Un hélico de l´armée tchadienne abattu par les rebelles. Al Wihda, 9. 1. 2008 (21) http://www.gsoa.ch/gsoa/medien/medien2008.htm?d=0#18.1.2008 ; Zur aktuellen GSoA-Kampagne gegen Rüstungsexporte siehe auch http://akin.mediaweb.at/2007/11/11ch.htm und http://www.kriegsmaterial.ch |