Venezuelas Staatschef Hugo Chávez reist nach Moskau, Minsk und Teheran
Von Washington aus betrachtet ist es eine Reise entlang der Achse des
Bösen: Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist am Dienstag zu einer Tour
nach Moskau, Minsk und Teheran aufgebrochen. Seine Absichten dürften
die Gemüter im Weißen Haus mehr erhitzt haben, als die Route. Der
Südamerikaner hatte vor seiner Abreise öffentlich angekündigt, in
Rußland, Belarus und Iran die »strategischen Allianzen« auszubauen,
militärische Kooperation explizit eingeschlossen.
Dabei hatte Venezuelas Präsident schwere Geschütze aufgefahren – zumindest verbal. »Wir befinden uns bereits im Krieg«, sagte Chávez vor Tausenden Militärangehörigen am Montag, dem »Tag der Armee«, in der Hauptstadt Caracas. Der laufende Krieg werde auf internationaler Ebene in vielen verschiedenen Formen ausgefochten: »politisch, wirtschaftlich, sozial, psychologisch, medial und in einigen Fällen auch militärisch«. Venezuela bereite sich angesichts der feindlichen Haltung der US-Regierung auf eine Auseinandersetzung vor. »Wir werden alles tun, eine solche militärische Konfrontation zu vermeiden«, sagte der Staatschef. Allerdings sei man auch für einen »Krieg des gesamten Volkes« gegen einen übermächtigen Feind gewappnet.
Die jüngste Auslandsreise steht klar in diesem Zusammenhang. In Moskau wird Chávez bereits zum vierten Mal seit 2004 mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin zusammenkommen. In der Staatsduma will Chávez bei diesem Aufenthalt um Unterstützung durch die Abgeordneten werben.
Bereits Ende Juli vergangenen Jahres hatte Chávez eine Reihe von Rüstungsgeschäften vereinbart, die in den USA auf scharfe Kritik gestoßen waren. Während Washington Waffenkäufe in Brasilien und Spanien verhindern konnte, weil in den Rüstungsgütern US-amerikanische Bauteile verwendet wurden, zeigte sich Moskau vom Einspruch der USA unbeeindruckt. Die Geschäfte über Sukoi-30-Kampfflugzeuge, Armeehubschrauber und 100.000 Kalaschnikow-Gewehre hatten einen Gesamtwert von umgerechnet rund drei Milliarden US-Dollar.
Auch mit den Staatschefs von Belarus und Iran, Alexader Lukaschenko und Mahmud Ahmadinedschad, ist das venezolanische Staatsoberhaupt bereits bekannt. Mit Hilfe von Minsk will Chávez nun die »defensive Bewaffnung« weiter ausbauen. Belarus soll die Armee des südamerikanischen Staates dabei unterstützen, die Luftabwehr- und Radarsysteme zu erneuern und leistungsfähiger zu machen. Die neuen Geräte werden eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern haben. Ende vergangener Woche hatte Chávez das Vorhaben mit dem Eindringen der US-Armee in venezolanisches Seegebiet und in den Luftraum des Landes im April 2002 begründet. Während eines Putschversuches rechter Militärs und Unternehmer hätten US-Marineschiffe und Flugzeuge venezolanisches Hoheitsgebiet verletzt. Die Vorkommnisse wurden später als Beleg für die Unterstützung der Putschisten durch die USA gewertet. Wenn Venezuela das neue Verteidigungssystem habe, werde sich zeigen, ob die US-Armee eine solche Initiative noch einmal wagen werde, sagte Chávez bei einem öffentlichen Auftritt in Caracas.
Die hohe Bedeutung, die Caracas der Allianz mit »Pariastaaten« beimißt, wird auch daraus ersichtlich, daß der Präsident auf dem Gipfel der MERCOSUR-Staaten in der paraguayischen Hauptstadt Asunción fehlen wird. Die Reise nach Rußland sei schon geplant gewesen, als die Einladung zu dem Treffen des regionalen Wirtschaftsverbundes eingetroffen sei, hieß es aus dem venezolanischen Außenministerium. Die Prioritätensetzung spricht für sich: Der Aufnahmeprozeß Venezuelas in den »Gemeinsamen Markt des Südens« war vor einem Jahr im argentinischen Córdoba eingeleitet worden. Doch schon eine erste Frist für die Angleichung der Zollsysteme, die bis März dieses Jahres hätte abgeschlossen sein sollen, mußte um sechs Monate verlängert werden. Mit der jüngsten Auslandsreise von Chávez wird deutlich, daß der Allianz mit den US-kritischen Staaten außerhalb der Region kurzfristig mehr Chancen eingeräumt werden.
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