Umweltminister Josef Pröll warnt vor Fernreisen. Dagmar Koller will ihre Haare nicht mehr aus dem Waschbecken spülen, die heimische Wirtschaft rät vom Konsum ausländischer Lebensmittel ab. Seit die Politik die Bedrohung des Klimawandels entdeckt hat, hören wir allenthalben Appelle zu Konsum und Urlaubspatriotismus. Aber nicht immer ist ein Paradeiser aus Niederösterreich besser als eine Tomate aus Spanien.
Warum Konsumpatriotismus alleine das Klima nicht schützt!
Gegenwärtig überschlagen sich die Klimatipps in unseren
Medien. So gut wie alles wird in CO2-Werten umgerechnet. Kein Wunder, denn der
"Stoffwechsel" unserer Gesellschaft basiert inzwischen zu 80% auf
fossilen Brennstoffen. In fast allen Produkten zirkuliert ähnlich dem Blut
unseres Körpers Erdöl, Erdgas oder Kohle. Das macht die Berechnung von CO2
Bilanzen im Einzelfall aber sehr kompliziert. Wie wird das Produkt hergestellt,
woher kommt es, wer verbraucht es, wie wird es entsorgt? All diese Fragen muss
eine CO2 Bilanz beantworten, denn der gesamte Lebenszyklus eines Produktes
steht zur Debatte. Selbst bei so einfachen Dingen wie Lebensmitteln ist das
aber schon schwierig genug.
Nach repräsentativen Umfragen kauft die Mehrheit der
Österreicher Lebensmittel aus der Region, weil sie so etwas zum Klimaschutz
beitragen können. In Schulen rechnen die SchülerInnen das Kilometer-Frühstück
mit dem Ergebnis: "je länger der Transportweg des Produkts, desto
schlechter das Ergebnis." Grundsätzlich hat der Konsument Recht, wenn er
sich an "Transportkilometern" orientiert. Verursacht der Verkehr doch
ein Drittel aller CO2 Emissionen. Betrachtet man aber ein Produkt "von der
Wiege bis zur Bahre", ist der Transport oft nur eine kurze Lebensphase.
Zum Beispiel Paradeiser
Ein gutes Beispiel gibt hier die steigende Nachfrage nach
Sommergemüse im Winter. Die in Verruf geratenen holländischen und spanischen
Paradeiser werden inzwischen vermehrt durch heimische Paradeiser ersetzt.
Anfang März sind die Regale unserer Supermärkte voll mit Paprika und Tomaten.
Und sie kommen aus der "Thermenregion Niederösterreich", die heurigen
Paprika tragen auch das AMA Gütesiegel. Kaum jemand stellt sich die Frage, wie
österreichisches Sommergemüse im Winter produziert wird. Die regionalen
Paradeiser stammen aus mit Erdgas beheizten Treibhäusern. Die Produktion von
einem Kilo Paradeiser aus einem beheizten Treibhaus verbraucht etwa 10 kg CO2.
Selbst Paradeiser, die per Flugzeug z.B. von den Kanarischen Inseln geliefert
werden, haben pro Kilo mit 7 kg CO2 einen geringeren Energieverbrauch. Ein kg
Freiland-Tomaten aus der Region benötigt nur etwa 100 g CO2, werden sie auch
noch biologisch aufgezogen, halbieren sich die Emissionen nochmals.
Betrachtet man nur den Energieverbrauch, wären
Bio-Paradeiser, die in klimatisch begünstigten Regionen Südeuropas geerntet und
mit dem LKW transportiert werden, energetisch immer noch vernünftiger als
Paradeiser aus beheizten Glashäusern. Es gilt die Faustregel: Die
Gemüseproduktion im beheizten Glashaus ist gemessen am Energieverbrauch im
Schnitt zehnmal umweltschädlicher als ein entsprechendes Freilandprodukt!
Klimaschutzweltmeister Biobauer
Der CO2-Anteil des Transports von Lebensmitteln vom
Erzeuger bis zum Supermarkt liegt im Schnitt bei nur 5% des
Gesamtenergieverbrauchs. Mit knapp über 50% hat die Landwirtschaft den weitaus
größten Anteil am Energieverbrauch von Lebensmitteln zu verantworten. Da in der
Landwirtschaft am meisten Energie benötigt wird, ist es hier auch am effektivsten
mit den Energiesparmaßnahmen zu beginnen. Der eindeutige Energiesparchampion
ist der Biolandbau. Beim Biolandbau wird aufgrund des Verzichts auf chemische
Düngemittel und importierte Futtermittel, wie beispielsweise Soja aus
Brasilien, 65% weniger CO2 erzeugt, als bei konventioneller Landwirtschaft.
Die Art des Transportes
Auch den "heimischen Apfelsaft“ gegen den „ausländischen
Orangensaft" auszuspielen, führt in die Irre: Die meist in der Gegend um São
Paulo angebauten Orangen werden nach der Ernte gepresst, dem Saft wird das
Wasser entzogen und er wird auf 8% seiner Masse konzentriert, tiefgekühlt und
anschließend mit dem Schiff über 12.000 km nach Europa transportiert. Das
Konzentrat aus "100% Orangensaft" wird hierzulande wieder mit Wasser
verdünnt und landet dann in unseren Verkaufsregalen. Durch die gewaltige
Kapazität der Frachtschiffe fällt der Treibstoffaufwand pro Kilo nicht ins
Gewicht. Ist der Orangensaft aus Biolandwirtschaft und mit dem Fair Trade
Gütesiegel ausgezeichnet, spricht nichts gegen dessen Konsum. Daraus folgt, der
Transport von Gütern mit Bahn und Schiff ist auf jeden Fall klimatauglich. Das
gilt für den LKW nur mehr bedingt. Der Transport von Lebensmittelgütern mit
Flugzeugen schädigt das Klima dagegen am meisten.
Beispiel Fleisch
Österreichisches Fleisch, insbesondere Schweine- und
Hühnerfleisch wird pro Jahr mit Hilfe von etwa 750.000 Tonnen Sojaschrot
gemästet. Die Soja importieren wir mit Schiffen aus Argentinien und Brasilien.
Dann wird sie auf die Lagerhäuser in ganz Europa verteilt. Aus der Perspektive
des Transportes wäre der Direktimport des Fleisches besser für das Weltklima.
Das Etikett Klimaschutz dürfte in diesem Sinne bei uns nur der Biolandbau
tragen, da er verpflichtet ist, auf die importierten Übersee-Futtermittel zu
verzichten. Wegen der tragenden Rolle, die die Futtermittel für die
Agroindustrie spielen, wird diese Problematik tunlichst verschwiegen.
Regional nicht mit national gleichsetzen
Für die Bevölkerung in Villach ist importiertes
italienisches Gemüse aus Udine ökologisch vorteilhafter als österreichisches
Gemüse aus dem Marchfeld. Außerdem wird vielfach vergessen, dass der
österreichische Handel Jahr für Jahr immer mehr Lebensmittel exportiert.
Wie soll der Konsument entscheiden?
Das Erkennen globaler Zusammenhänge ist Voraussetzung für
effizienten Klimaschutz. Werden sie ausgeblendet, wird aus Klimaschutz leicht
Klimapopulismus, der nur den Interessen bestimmter Wirtschaftszweige dient.
Politik und Wirtschaft werden in Zukunft gefordert sein, Aktivitäten zum Thema
Klimaschutz durch seriöse und nachhaltige Informationen zu unterstützen. Denn
unser Weltklima unterliegt den Naturgesetzen. Halbwahrheiten können auch nicht
mit noch soviel Werbung wahr gemacht werden. Das Plädoyer "Der Konsument
entscheidet!" ist absurd, denn wie soll man richtig entscheiden, wenn man
falsch informiert wird? Gegenwärtig gibt es nur einen Weg aus dem Dilemma:
"Halte unser Klima rein, kauf Bio & Fair Trade-Produkte aller Bauern ein
- natürlich wenn saisonal dann regional!"
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