Die FPÖ und rechtsextreme Organisationen konnten während sechs Jahren Regierung Schüssel ihren Einfluß kräftig ausbauen. Zwischen 15 und 18 Prozent der Bevölkerung neigen rechtesextremen Positionen zu, meint Heribert Schiedel, Experte für Rechtsextremismus im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien, im Interview mit DAZ.
DAZ: Mehr als eine halbe Million Österreicher haben letzten Sonntag eine der Rechtsparteien gewählt. Ist jeder sechste Österreicher anfällig für Rechtsextremismus?
Heribert Schiedel: Das ist schwer zu sagen, da es keine gesicherten Zahlen gibt. Man muß, um ein Gesamtbild zu bekommen, die verschiedenen Studien über Rassismus, Antisemitismus und Autoritarismus zusammenführen. Demnach gibt es tatsächlich in Österreich und den meisten anderen westeuropäischen Ländern ein rechtextremes Potential von 15 bis 18 Prozent, das entweder von den Großparteien integriert werden kann - in Österreich bis 1986 erfolgreich - oder sich dann in einer rechtsextremen Partei, wie der FPÖ, oder einer rechtspopulistischen Gruppe, wie BZÖ, verselbständigt. Dennoch scheint es, dass der Anteil in Österreich größer ist. Dieser Eindruck rührt daher, dass die Gesellschaft kaum darauf reagiert. Hier scheint die Vorreiterrolle zu liegen: daß der Rechtsextremismus früher als anderswo salonfähig geworden ist. Hat das mit der Presselandschaft zu tun, die sowas verharmlost? Sicher. Die quasi Monopolstellung der Kronenzeitung an den Stammtischen ist daran nicht unschuldig. Sie ist ein Blatt, dem man systematische Ausländerhetze als Werturteil unterstellen kann. Die Rechtsextremen kopieren zum Teil aus der Krone und verbreiten das dann.
Anders als etwa in Deutschland hört man kaum von gewaltbereiten Rechten.
Der Eindruck täuscht. Es gibt bei uns auch gewalttätigen Rechtsextremismus. Je jugendlicher er wird, desto gewalttätiger. Je entwickelter die kulturelle Hegemonie des Rechtsextremismus ist, desto weniger Gewalt wird angewendet. Das war auch beim deutschen und italienischen Faschismus so. Deswegen haben wir die gewalttätigste Rechte, wo diese Hegemonie nicht gegeben ist, etwa in Schweden. Die FPÖ bekennt sich übrigens dazu. Der damalige FPÖ-Abgeordnete Holger Bauer hat 1999 wörtlich erklärt: "Bei uns werden keine Ausländerheime abgefackelt und keine Neger geklatscht, weil sich die FPÖ des Problems im politischen und rechtsstaatlichen Rahmen angenommen hat." Das heißt, dass die Motivation zwischen "Neger klatschen" und FPÖ wählen, dieselbe ist. Nicht ohne den drohenden Unterton: "Wir wirken disziplinierend auf dese Potential, deswegen muß man der FPÖ dankbar sein." Rund um die Wahlen gab es eine deutliche Zunahme rechtextrem motivierter Übergriffe und Drohungen. Besonders auffällig ist der Erfolg des BZÖ im zweisprachigen Teil Kärntens und der FPÖ in den Wiener Gemeindebauten. Man sieht Reste feudaler Herrschaft in der Person des Landeshauptmanns Jörg Haider. Nicht zufällig spricht man von Landesfürsten. Haider ist es besser als anderen gelungen, zu mobilisieren. In Kärnten kann man immer noch mit Ressentiments gegen die slowenische Minderheit Stimmung machen kann. Da wird die viel zitierte Kärntner Urangst angesprochen.Was Wien betrifft, so wissen wir von Studien, dass der Rassismus zunimmt, wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft der Anteil von Migranten abnimmt. In den Gemeindebauten sind die Österreicher fast unter sich. Zu dieser Abgeschlossenheit des Österreichertums, dieser Bunkermentalität, kommt natürlich die soziale Frage. Die FPÖ präsentiert sich ja als die bessere Sozialdemokratie. Das kennen wir von Haider aber auch aus dem deutschen Faschismus: Diese Verbindung von Rassismus und der sozialen Frage
Die FPÖ wurde von auffällig vielen Menschen unter 30 gewählt.
Ja, etwa 25 Prozent. Die FPÖ hat der Abspaltung des BZÖ, und jetzt im Wahlkampf ganz besonders, jüngere Leute rekrutiert. Der Ring Freiheitlicher Jugend, RFJ, hat mit Erfolg die Erstwähler angeworben. Die Motive liegen ähnlich wie bei Gesamtbevölkerung: 60 Prozent haben FPÖ wegen des Umgangs mit dem sogenannten Ausländerthema gewählt. Dazu kommt der Notstand im Bildungsbereich, die Jugendarbeitslosigkeit und ein jugendlich wirkender Parteichef. Das Rabaukentum, die selbst gewählte Pose des Ausgegrenztseins, deckt sich mit der Lebenserfahrung vieler Jugendlicher, die Angst haben zurück zu bleiben. Kann man sagen, dass der Einfluß der Rechten in sechs Jahren ÖVP/FPÖ/BZÖ-Regierung zugenommen hat? Der unmittelbare persönliche Einfluß ist sicher gewachsen. Das sogenannte Dritte Lager hatte immer schon einen Fuß in der Tür weil die SPÖ durch Faschismus und Nationalsozialismus nach dem Krieg zu wenige Intellektuelle hatte, um alle Posten zu besetzen, vor allem in der verstaatlichten Industrie. Bevor man die den Schwarezn überließ, hat man lieber Burschenschafter in diese Posten gehievt. Unter Wolfgang Schüssels Regierung gab es da eine qualitative Zunahme, eine besondere Unverfroreheit, mit der der den Rechten Posten zugeschanzt wurden. Im Forschungszentrum Seibersdorf wurden gleich zehn Burschenschafter untergebracht, mehrheitlich von der Verbindung Olympia, die als rechtextrem eingestuft wird.
Hat auch der Organisationgrad zugenommen?
Ja, leider. Da ist die Frage, inwieweit die Regierungsbeteiligung der FPÖ verstärkend gewirkt hat. Sicher auf der symbolischen Ebene. Da ist das neue Selbstbewußtsein, die Normaliserung des Rechtsextremismus. Gerade Jugendliche spüren das und treten viel selbstbewusster als Rechtextreme auf. Es ist ja kein Zufall, dass 2002 erstmals wieder eine Neonazidemo auf dem Wiener Heldenplatz stattgefunden hat. Seit zwei, drei Jahren beobachten wir den Ausbau von klandestinen Strukturen, die nach dem Vorbild er deutschen freien Kameradschaften gebildet werden. Die Rekrutierungsphase ist abgeschlossen. Man konzentriert sich jetzt auf den Aufbau von Strukturen. Noch nie war die Grenze zwischen legalem Rechtextremismus Marke FPÖ und dem illegalen Rechtextremismus so durchlässig. Dafür haben sich im Wahlkampf die Anzeichen gehäuft.
Grenzt sich die FPÖ von diesen Gruppen nicht ab?
Von selber nicht. Aber wie der Neonazi Gottfried Küssel in Braunau auf einer FPÖ-Veranstaltung war, wurde nichts unternommen. Erst als das an die Medien kam, erklärte die FPÖ, sie könne ja nichts dafür, dass sich in ihrem Umfeld so viele Rechtsradikale tummeln.
Wir haben auch Fotos von der Abschlussveranstaltung der FPÖ in Wien. Da gibt es Jugendliche mit einschlägigen T-Shirts Odin statt Jesus, Hate Society, Blood and Honour. Die bewegten sich dort, wie der Fisch im Wasser. Kann der FPÖ etwas Besseres passieren, als eine große Koalition?
Einiges weist darauf hin, dass es so ist. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, das hat er von Haider gelernt, grenzt sich selber aus. Das ist ein wichtiger Teil der Selbstinszenierung. Da kann man gegen die da oben ordentlich hussen. Wenn die Sozialdemokratie in der Regierung ist, halten die Gewerkschaften traditionell still, wenn es Einschnitte gibt. Das Protestpotential im Sozialbereich, liegt dann brach. Das können auch die Grünen nicht kanalisieren, sondern nur die FPÖ als Partei der kleinen Leute. Interview: Ralf Leonhard
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