Die Wiener Integrationskonferenz hat zu Peter Westenthalers in der "Kaerntner Woche" zitierten Aeusserung "jeder 2. Asylwerber wird kriminell" eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft gemacht, man wolle eine Ueberpruefung anregen, ob diese Aeusserung nicht den Tatbildern der §§ 283 (Verhetzung), 188 (Herabwuerdigung religioeser Lehren) und 276 (Verbreitung falscher, beunruhigender Geruechte) StGB entspricht.
Dies ging durch die Medien. Dass Westenthaler diese 50%-Angabe frei erfunden hat oder zumindest leichtglaeubig einer fahrlaessig ungeprueften Information á la Gipfelhalbmond-Brief aufgesessen ist, werden wohl viele vermuten. Im Gegensatz zu Westenthaler kann die Integrationskonferenz aber mit ueberpruefbaren Zahlen aus der amtlichen Kriminalstatistik aufwarten. Wir zitieren aus der Sachverhaltsdarstellung: * Die Behauptung, "jeder 2. Asylwerber wird kriminell" ist falsch. Es wird statistisch nicht erhoben, wie viele Asylwerber rechtskraeftig strafgerichtlich verurteilt werden. Diese Zahl waere fuer eine derartige Behauptung die einzig massgebliche. Kriminell ist derjenige, der strafgerichtlich rechtskraeftig verurteilt wird.
Im Jahr 2004 wurden in Oesterreich insgesamt 247.425 Tatverdaechtige ermittelt, wovon 71.478 Fremde waren. Im Jahr 2005 wurden insgesamt 243.483 Tatverdaechtige in Oesterreich ermittelt, hiervon waren 70.339 Fremde. Von diesen ermittelten tatverdaechtigen Fremden waren im Jahr 2004 12.733 Personen Asylwerber, im Jahr 2005 12.496 Asylwerber. Ein Tatverdaechtiger ist jedoch aufgrund der Unschuldsvermutung bis zu seiner rechtskraeftigen Verurteilung nicht kriminell.
Die gerichtliche Kriminalstatistik der Statistik Austria enthaelt konkrete Zahlen ueber von einem Richter verurteilte Straftaten auslaendischer Staatsbuerger. Bereits aus dieser Statistik wird klar ersichtlich, dass die Behauptung von Herrn Ing. Westenthaler falsch ist. Nach der Kriminalstatistik wurden z.B. im Jahr 2004 insgesamt 45.185 Personen gerichtlich verurteilt. Davon waren 13.643 Personen Auslaender, wobei in dieser Zahl nicht nur die Asylwerber, sondern auch auslaendische Arbeitnehmer, Studenten, Selbstaendige, Touristen, Fremde ohne Beschaeftigung, Fremde nicht rechtmaessigen Aufenthalts und Fremde mit Familiengemeinschaft mit Oesterreicher enthalten sind.
Im Jahr 2002 wurden in Oesterreich 39.354 Asylantraege gestellt, im Jahr 2003 32.359 und Jahr 2004 immerhin 24.676. De facto muessten somit alle von auslaendischen Staatsbuergern in Oesterreich veruebten, gerichtlich verurteilten strafbaren Handlungen von Asylwerbern begangen worden sein, damit die Aeusserung von Herrn Ing. Westenthaler annaehernd richtig sein koennte. Die genannte Zahl von 13.643 Verurteilten enthaelt aber z.B. Verurteilungen von 780 Staatsangehoerigen der BRD, 984 Staatsangehoerigen des ehemaligen Jugoslawien und 1.537 Staatsangehoerigen der Tuerkei. Staatsangehoerige der BRD koennen als Asylwerber ausgeschlossen werden, aus Ex-Jugoslawien und der Tuerkei mag mancher Asylwerber stammen, aus diesen Staaten stammen jedoch auch die Mehrzahl der in Oesterreich nicht als Asylwerber lebenden auslaendischen Staatsbuerger. * Kommentar: Vorsicht mit Zahlen und Paragraphen Soweit die statistischen Zahlen. Gegenueber einem Gericht muss man natuerlich an der formalen Verurteilung den Bestand der Kriminalitaet festmachen -- nicht zuletzt der Film "Operation Spring" hat uns aber gezeigt, dass Auslaender der "falschen" Nationalitaet und Hauttoenung vor oesterreichischen Gerichten nicht immer Verfahren zu gewaertigen haben, die international anerkannten Kriterien eines Fair Trial entsprechen.
Fuer die gegenstaendliche gerichtliche Causa aber ist das weniger von Belang. Peter Westenthaler wird sich wohl kaum vor Gericht verantworten muessen. "Herabwuerdigung religioeser Lehren" kann man dem Zitat kaum unterstellen. Als "Verhetzung" kann man so etwas umgangssprachlich vielleicht bezeichnen, dem Tatbild des Paragraphen entspricht es aber nicht, da soziale Gruppen, als solche die Asylwerber anzusehen sind -- im Gegensatz zu ethnischen oder religioesen -- durch diese Bestimmung nicht geschuetzt werden. Einzig die "Geruechteverbreitung" koennte eventuell anwendbar sein -- vor einem oesterreichischen Strafrichter ist eine Verurteilung deswegen aber unwahrscheinlich.
Dennoch erfuellte diese Sachverhaltsdarstellung ihren Zweck, das Verhalten des Vizeoberorangen als nicht gesellschaftsfaehig zu brandmarken. Auch unterstreicht die Aktion die von Integrationskonferenz und anderen behauptete Notwendigkeit weiterer Strafbestimmungen zur Aechtung diskrimierender resp. verhetzender Aeusserungen.
Nur haette ich da eine Bitte an die Integrationskonferenz: Verwendet beim naechstenmal nicht mehr den Paragraphen "Herabwuerdigung religioeser Lehren". Das ist eine Bestimmung, die man getrost als "Ketzerparagraphen" ansehen darf, und der auch dafuer genuetzt werden kann, religioese Ueberzeugungen in einem Ausmass vor Kritik, speziell Satire, zu bewahren, wie das bei anderen Ueberzeugungen und Meinungen nicht denkbar waere. Gluecklicherweise ist dieser Paragraph in der oesterreichischen, so einigermassen aufgeklaerten Gesellschaft weitgehend totes Recht -- eine Wiederbelebung durch wiederaufkommende Rechtspraxis ist wirklich nicht im Sinne einer progressiven, saekularen Grundhaltung. Um Verspottung einer Religionsgemeinschaft zu ahnden, ist der Verhetzungsparagraph voellig ausreichend. -br-
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