Am Mittwoch, den 30.10. präsentierte VfGH-Präsident Karl
Korinek ein Erkenntnis des VfGH, das der Kritik am inhumanen Vorgehen der
Regierung Recht gibt. Der VfGH übt darin scharfe Kritik an der Regierung und
wirft den Behörden zumindest in einem Fall "gravierende Fehler" vor.
Das von Innenminister Platter bisher rigide abgelehnte
Bleiberecht wird von nun an nach sieben Kriterien geprüft, und zwar nach
Aufenthaltsdauer, Familienleben, Grad der Integration, Unbescholtenheit,
Bindung zum Heimatstaat, Akzeptanz der öffentlichen Ordnung, sowie der Frage, ob das Privat- und
Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die
Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
Zur Überprüfung dieses zuletzt genannten Kriteriums
scheint es aber leider weiterhin gestattet zu sein, dass Beamte im Privatleben
der Menschen herumstöbern, nach Zahnbürsten suchen und sich nach der Häufigkeit
des Geschlechtsverkehrs erkundigen. Der Suche nach „Scheinehen“
zum Zweck der Erschleichung des Aufenthalts in Österreich wurde leider
auch durch den Spruch des VfGH kein Riegel vorgeschoben.
Die aufgelisteten Kriterien sind laut VfGH-Präsident Karl
Korinek jedenfalls "das Minimum, um die Menschenrechtskonvention
einzuhalten". Andernfalls wäre eine Verurteilung des Gesetzes durch den
EGMR wahrscheinlich. Die Regierung hätte auch Spielraum genug, um über die
Minimalanforderungen hinauszugehen, "aber an diese Kriterien ist sie von
Verfassung wegen gebunden", betonte Korinek.
Jeder einzelne Fall muss nach diesen Kriterien geprüft
werden, und erst nach Abwägen der einzelnen Punkte und Berücksichtigung der
Pros und Kontras wird nun entschieden – bisher konnte man sich nur an den
Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wenden.
Konkretes Beispiel: Am Fall der Abschiebung einer
kroatischen Frau, die nach dem Tod ihres Mannes ausgewiesen werden sollte,
wurde vom VfGH erkannt, dass wichtige Kriterien nicht berücksichtigt worden
waren – nämlich dass sie ein minderjähriges behindertes Kind hat, drei
volljährige Kinder hier leben und dass sie zuvor schon viele Jahre als
Saisonarbeitskraft in Österreich war.
Einige strittige Punkte des Asylgesetzes wurden als
verfassungswidrig erkannt und aufgehoben, z.B. die gängige Praxis, kranke und
schwangere Personen einfach abzuschieben.
Das Fremdenrecht soll auch noch durch einen
Gesetzesprüfungsantrag bis zum Frühjahr 2008 nach dem Punkt „humanitäre
Niederlassungsbewilligung“ begutachtet werden – bisher war es den Betroffenen
nicht möglich, einen solchen Antrag zu stellen.
Das Erkenntnis ist auch eine Kritik an der Asylpraxis der
Bundesregierung. Die Kriterien des VfGH seien das "Minimum, um die
Menschenrechte einzuhalten", sagte VfGH-Präsident Karl Korinek in der
Begründung. Bisher gab es nahezu keinerlei flexibles Eingehen nach solch
verbindlichen Kriterien bei Überprüfung von Einzelfällen, Asylrecht wurde mit
Feuer und Schwert gesprochen und das „Drüberfahren mit der Eisenbahn“ als
Tugend, Rechtstreue und Unbestechlichkeit dargestellt.
Nicht nur gerechtere humanere Asylverfahren, sondern dass
diese nicht länger dauern sollen als ein Jahr, ist ein weiteres Ziel, wie
Kanzler Gusenbauer betont. „Der Asylgerichtshof kommt leider um zwei Jahre zu
spät", erklärte der Kanzler. Denn schon bei den Verhandlungen um das neue
Fremdenrecht im Jahr 2005 habe der damalige SPÖ-Verhandler Norbert Darabos die
Einrichtung eines Asylgerichtshofes gefordert. Dies sei ihm auch von der
schwarz-orangen Regierung zugesagt worden. "Leider hat die alte Regierung
diese Vereinbarung nicht umgesetzt." (APA)
Der Rückstau an unerledigten Fällen beträgt 33.000 – was
heißt, dass 33.000 Menschen seit vielen Jahren einen unsicheren
Aufenthaltssatus haben, ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, und sich –
zumeist wahrscheinlich aufgrund der
langen Dauer der Verfahren – schon in Österreich recht und schlecht ein Leben
aufgebaut haben. Um die Kompetenzen endgültig und transparent zu klären und
zuzuordnen und um diese Menge an Verfahren zu bewältigen, soll – schon seit
zwei Jahren – ein Asylgerichtshof errichtet werden. Bis 2010 sollte der gesamte
Rückstau der unerledigten Verfahren aufgearbeitet sein. Die gesetzliche
Grundlage für die Einrichtung des Asylgerichtshofes soll noch heuer im
Parlament beschlossen werden und ab Anfang 2008 in Kraft sein. Es ist also
endlich ein Lichtstreif am Horizont zu sehen und absehbar, dass dieses Gericht
im nächsten Jahr mit seiner Arbeit beginnen kann.
Der Verfassungsgerichtshof-Entscheid im Wortlaut:
http://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/4/3/7/CH0003/CMS119367373354
2/ausweisungsbestimmung_g179-07.pdf
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