Samstag, 24. Januar 2009
 
„Eine faire und gerechte Weltordnung“ PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Thomas Schmidinger   
Dienstag, 23. September 2008

Die Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit (LeEZA) befragte im Vorfeld der Nationalreatswahl die kandidierenden Parteien zu ihren entwicklungspolitischen Vorstellungen.
 

Dass die Entwicklungspolitik nicht gerade zentrales Thema des Wahlkampfs 2008 darstellt, war von Anfang an klar. Umso mehr sahen wir einen Grund, nach den entwicklungspolitischen Vorstellungen der kandidierenden Parteien zu fragen.


Die SPÖ schickte uns Auszüge aus Ihrem Wahlprogramm, das einen Abschnitt zur Entwicklungszusammenarbeit enthält. „Eine faire und gerechte Weltordnung braucht faire Vereinbarungen zwischen Nord und Süd über den Zugang zu Märkten mit sozialen und ökologischen Standards“, heißt es darin. Die SPÖ bekennt sich „zu einer partnerschaftlichen Entwicklungspolitik, die in allen relevanten Politikbereichen kohärent, intelligent gebündelt und aktiv betrieben wird.“ Zudem wird von einem Bekenntnis „zur internationalen Verpflichtung, bis 2015 für Entwicklungspolitik 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommenszusätzlich zu Entschuldungsmaßnahmen aufzubringen“ gesprochen. Entwicklungspolitik basiere jedoch nicht nur auf Projektfinanzierungen, sondern auch darauf, Reformprozesse in den „Partnerländern“ anzustoßen, „die zur Stärkung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Leistungsfähigkeit beitragen.


Ihr bisheriger Koalitionspartner ÖVP antwortete auf unsere Frage, dass Österreich die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen national und international vollinhaltlich unterstütze: „Die Entwicklungsziele sind im fortlaufend erstellten Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik explizit als Orientierungspunkte für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit angeführt. Das Programm definiert die geographische und sektorielle Konzentration der Programm- und Projekthilfe, die wiederum in spezifischen Länderprogrammen zum Ausdruck kommt.“ Obwohl sich die Geberländer bereits vor Jahrzehnten verpflichtet haben, die Gelder für die Official Development Assistance (ODA) auf 0,7 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen und dies seither das von der UNO vorgegebene Ziel darstellt, freut sich die ÖVP mittlerweile darüber, dass das „seit 2005 gültige ODA-Ziel von 0,33 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) (…) nicht nur erreicht, sondern bisher jedes Jahr weit übertroffen“ wurde.


Tatsächlich werden die 0,7 Prozent in der EU lediglich von Schweden, Luxemburg, den Niederlanden und Dänemark erreicht, weshalb die EU einfach das Ziel herunterschraubte, das jetzt auch Österreich erreichen konnte. Von Seiten der EU gibt es nun einen Stufenplan, der vorsieht, dass zumindest die Mitgliedstaaten, die der EU vor 2002 beigetreten sind, also auch Österreich, bis 2015 eine ODA-Quote von 0,7 Prozent des BNE erreichen. Österreich hat auf dem Weg dahin tatsächlich die Vorgaben der EU erfüllt, allerdings dazu auch Militärausgaben für den Einsatz des Österreichischen Bundesheeres im Tschad mit in die ODA eingerechnet – ein Vorgehen, das rechtlich möglich ist und sowohl von der SPÖ als auch von der ÖVP verteidigt, jedoch von in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen NGOs massiv kritisiert wurde.


Die ÖVP betont außerdem, mit LeEZA ein gemeinsames Ziel zu haben: „den Kampf gegen FGM.“ Aufgrund dieses Zieles wäre auch der Kampf gegen Genitalverstümmelung forciert worden: „Österreich hat in der Bekämpfung traditionsbedingter Gewalt eine Vorreiterrolle und verfolgt einen Problemlösungskurs, der sowohl auf legislativer Ebene als auch im Bereich Opferschutz und Aufklärung ansetzt.
 


Das Liberale Forum (LIF) fasst seine Positionen zur Entwicklungszusammenarbeit dahingehend zusammen, dass es für eine Öffnung aller „westlichen Märkte für die Produkte und Dienstleistungen der dritten Welt“ und die Beseitigung diesbezüglicher Hindernisse in der EU eintritt. Neben dieser klassisch liberal-marktwirtschaftlichen Strategie spricht es sich für die „Förderung von emanzipatorischen Projekten“ durch EU und Österreich aus, „insbesondere Frauenprojekte, da zahlreiche Sozialstudien  belegen, dass Frauen  Krisensituationen verantwortungsbewusster und stabiler durchleben.“


Die KPÖ spricht hingegen von einem „ökonomischen Neo-Kolonialismus, der die ungleichen Ausgangsvoraussetzungen negiert und ausnutzt.“ Kritik kommt auch daran, dass Österreich weit unter den 0,7 % ODA des BNE liegt, und die KommunistInnen betrachten es als „puren Zynismus, den Einsatz im Tschad unter Führung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich aus dem Entwicklungshilfebudget zu zahlen.“


Die Liste „Rettet Österreich“ bezieht sich auf Jean Ziegler und meint: „Sein und unser Credo: ‚Wir sollten den Entwicklungsländern nicht mehr geben, sondern ihnen weniger stehlen.’“
 


Die Tierrechtspartei ließ uns wissen, dass die Entwicklungszusammenarbeit „stets profund an ökologischen und sozial-ökonomischen Aspekten orientiert sein“ müsse.


Nach mehrmaligem Nachfragen erreichte uns nach Redaktionsschluss noch eine Antwort der Grünen, in der diese betonen, Österreich müsse „seine globale Verantwortung viel stärker als bisher wahrnehmen“. Vom Schutz der Menschenrechte über die Erhöhung der EZA-Mittel bis zur Förderung des fairen Handels reichen dabei die Forderungen.


Bei FPÖ und BZÖ reichte auch mehrmaliges Nachfragen nicht. Beide Parteien waren ebenso wenig zu einer Stellungnahme bereit wie Fritz Dinkhauser, die Partei „Die Christen“ und die überwiegend von zwei trotzkistischen Gruppen getragene „LINKE“. Das Durchforsten ihrer Wahlprogramme lieferte nur Erkenntnisse über die Ähnlichkeiten islamischer und christlicher Fundamentalismen, wenn sich „die Christen“ darüber beschweren, dass die „Verspottung christlicher Glaubensinhalte (…) in Europa unter Hinweis auf die Freiheit der Meinungsäußerung weitgehend hingenommen“ werde.




Thomas Schmidinger (LeEZA) ist Beirat des Österreichisch-Irakischen Freundschaftsvereins IRAQUNA, Flüchtlingsbetreuer in Niederösterreich und Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.Vor kurzem hat er mit Dunja Larise das Buch „Zwischen Gottesstaat und Demokratie. Handbuch des politischen Islam veröffentlicht: www.zsolnay.at/index.asp?task=60&isbn=3-552-06083-9

 
LeEZA
Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit

e-mail:
website: www.leeza.at
Tel.: 0699-11365509

Postfach 105
A-1181 Wien

< zurück   weiter >