Samstag, 24. Januar 2009
 
Afrika-Berichterstattung in der Kritik PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von afrika.info   
Donnerstag, 25. Oktober 2007

In Sierra Leone haben die ersten freien Wahlen nach Abzug der UN-Truppen im Jahr 2005 einen Machtwechsel gebracht. Die bisherige Oppositionspartei APC um Ernest Bai Koroma konnte sich im zweiten Wahlgang gegen die SLPP mit dem Spitzenkandidaten Solomon Berewa klar durchsetzen. An der österreichischen Tagespresse ging diese erste Bewährungsprobe für die noch junge westafrikanische Demokratie mit Ausnahme der Tageszeitungen Standard und Wiener Zeitung fast spurlos vorüber, wie eine Analyse des Nachrichtendienstes afrika.info nun ergab.

Die Afrika-Berichterstattung der österreichischen Medien wird von der Kommunikationswissenschaft heftig kritisiert. „Die Nachrichtenauswahl zeigt ein Bild des Kontinents, das problematischer kaum sein könnte, das eben überwiegend aus Chaos, Krieg und Armut besteht, und positive Aspekte wie Demokratisierungsprozesse, Fortschritte im Entwicklungsprozess etc. nur sehr geringen Niederschlag finden“, zog der Salzburger Universitätsprofessor Kurt Luger über die Medienberichterstattung anlässlich des Festivals „Sura za Afrika“ im Jahr 1996 Bilanz . Diese einseitige Berichterstattung gilt insofern als problematisch, als dass ständige Negativmeldungen die öffentliche Meinung über Afrika nachhaltig beeinflussen. Dadurch sind die Medien mitverantwortlich für die fehlende Bereitschaft von wirtschaftlichen Investitionen auf dem Kontinent oder für den sinkenden Stellenwert von Entwicklungszusammenarbeit. Die deutsche Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul bringt es in einem Umkehrschluss auf den Punkt: „Stellen sie sich vor, Ihr Bild von Europa würde von wenigen, aktuellen Schlagzeilen bestimmt: (...) brennende Synagogen in Frankreich; Terroranschläge im Baskenland; schwere Überschwemmungen in Norditalien (...), eskalierender Rechtsextremismus in Deutschland – es wäre leicht, die Liste zu verlängern“. Damit Afrika seine wirtschaftlichen Chancen nützen kann, ist eine ausgewogene mediale Berichterstattung notwendig. Dazu zählt vor allem auch die Vermittlung von positiven Aspekten im Demokratisierungsprozess, wie etwa die Abhaltung von Wahlen.

Zentrales Ereignis für die Zukunft von Sierra Leone

Anlässlich der Wahlen in Sierra Leone am 11. August und 8. September 2007 hat afrika.info die Berichterstattung von 19 österreichischen Tageszeitungen untersucht. Nach dem blutigen Bürgerkrieg von 1991 bis 2002, gilt die noch junge westafrikanische Demokratie heute als Hoffnungsträger der Region: Das Wirtschaftswachstum lag 1996 bei 7,1 Prozent, die Weltbank attestiert gute Fortschritte in der Regierungsführung. Internationale Beobachter beurteilen die ersten freien Wahlen nach Abzug der UN-Truppen daher als zentrales Ereignis für die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung des westafrikanischen Staates.

Ernüchterndes Ergebnis: Nur 24 Beiträge in sieben Tageszeitungen

In welchem Ausmaß und welcher Form hat die nun die österreichische Tagespresse über die diese Wahlen berichtet? Die Berichterstattung wurde anhand des De-Facto-Medienarchivs der Austria Presse Agentur (APA) ausgewertet. Insgesamt waren es nur sieben Medien, die von den Wahlen in Sierra Leone Notiz genommen haben. In Summe wurden lediglich 24 Beiträge veröffentlicht. Dabei lag der Standard mit elf Beiträgen klar an der Spitze. Fünf Artikel fanden sich in der Wiener Zeitung, drei im Kurier, je zwei in der Presse und den Salzburger Nachrichten sowie je einer im Österreich und den Vorarlberger Nachrichten.

Der Standard mit bester Berichterstattung

Der Standard lieferte der Analyse zufolge damit die klar beste Berichterstattung. Als einziges Medium informierte die Tageszeitung ihre Leser konsequent über den Verlauf der Wahlen: Vom ersten Urnengang am 11. August, den Unruhen im Vorfeld der Stichwahl vom 8. September und dem Endergebnis wurden alle wichtigen Ereignisse und Fakten vermittelt. Dazu kamen aber auch Hintergrundinformationen, wie z. B. ein „Kopf des Tages“ über den Wahlsieger Ernest Bai Koroma oder eine Besprechung des Buches „Rückkehr ins Leben“ des ehemaligen Kindersoldaten Ishmael Beah. Auch wenn sieben der elf Berichte in die Kurzmeldungen-Rubrik „Weltschau“ fielen, kann die Berichterstattung des Standard als lückenlos bewertet werden.

Nur der Standard und die Wiener Zeitung bringen Endergebnis

Mit deutlichem Respektabstand folgte mit fünf Beiträgen die Wiener Zeitung, der überwiegende Anteil entfiel dabei auf Kurzmeldungen. Der Standard und die Wiener Zeitung waren aber die einzigen Medien, die überhaupt den Wahlausgang veröffentlichten. Die anderen fünf Tageszeitungen ließen ihre Leser über das Endergebnis im Dunkeln. Sie berichteten zwar über die Abhaltung von Wahlen, teilweise auch mit den damit verbundenen Problemen, aber der Ausgang interessierte offenbar nicht. Ihre Berichterstattung muss daher als völlig unzureichend beurteilt werden.

APA verbreitete 27 Meldungen

Über die Gründe für das Informationsdefizit kann nur spekuliert werden. Die Kommunikationswissenschaft hat in den letzten Jahren einen starken Trend zur Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Medien festgestellt. Dabei bliebe kaum Platz für Berichte über die „Dritte Welt“. Auch das fehlende Interesse der Bevölkerung an diesen Themen wird oftmals angeführt. Eines ist aber sicher: An den Quellen kann es nicht gelegen sein. Allein die Austria Presse Agentur (APA) hat im Untersuchungszeitraum 27 Meldungen über die Wahlen in Sierra Leone verbreitet, die aktuell und umfassend über deren Verlauf informierten.


Quelle: http://www.afrika.info/aktuell_detail.php?N_ID=556&kp=news

Der Nachrichtendienst afrika.info hat sich zum Ziel gesetzt, Impulse für die Verbesserung der Afrika-Berichterstattung österreichischer Medien zu geben. Als Partner der Weltnachrichtenagentur Inter Press Service (IPS) kann afrika.info österreichischen Medien den deutschsprachigen IPS-Tagesdienst anbieten. IPS berichtet seit 1964 aus der Perspektive des Südens und verfügt über mehr als 30 Korrespondenten in afrikanischen Ländern. Die Berichterstattung von IPS ist international anerkannt und wurde u. a. vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan gewürdigt. afrika.info wird vom Afrikawissenschafter Dr. Martin Sturmer geleitet. Sturmer lehrt seit 2003 das Fach „Medien in Afrika“ am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg.

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