Eine Replik auf den Kommentar "Tirol bleibt schwarz" von Wilfried Hanser-Mantl vom 9. Juni.
Lieber Wilfried
Ich übe mich nicht in Zweckoptimismus - dieser war noch nie mein Politik-Stil. Ich habe lediglich die Hypothese, die ich herausgelesen habe, "die Volksseele kocht und tolle Wahlergebnisse für Linke sind machbar, sofern nur die KPÖ endlich zu breiten linken, pluralistischen Bündnissen bereit ist" in Frage gestellt und dies mit Zahlen aus der Vergangenheit untermauert.
Ich stimme dir zu, dass es wichtig ist, Prozesse und deren Potentiale zu analysieren. Und ich pflichte dir bei, dass das Projekt "Linke. Europäische Linke, KPÖ und Unabhängige" bei der EU-Wahl 2004 kein so breites Bündnis war, wie wir es uns alle gewünscht hätten.
Ja, die Bindungen an die SPÖ waren und sind in Österreich leider wesentlich enger und tiefgehender als in Deutschland. Dieses Wissen gilt es aber auch in der Debatte um ein Linksprojekt in Österreich zu beachten. Und ebenso gilt es zu beachten, dass in Österreich weit und breit kein Lafontaine und kein Aufmucken in der FSG in Sicht ist.
"Hut ab" vor dem großen Engagement von Genossen Dworczak - den Hype, welchen Hermann aber gegenwärtig um ein allfälliges Linksprojekt in Österreich inszeniert, hat meiner Meiung nach mit sorgfältiger und fundierter Analyse nur wenig zu tun.
Die gebetsmühlenartige Wiederholung der Behauptung, dass "die Zahl der/diejenigen, die sich eine politische Strömung links von der- weitgehend auf neoliberal eingeschwenkten - Sozialdemokratie und den - immer bürgerlicher werdenden - Grünen wünschen und sie auch konkret aufbauen wollen, wächst", ist - soweit ich es überblicken kann - GEGENWÄRTIG eher Wunschdenken denn in Fakten begründet. Und warum Profil und Presse mal kurz berichtet haben ist leicht durchschaubar.
Zudem - das theoretische Potential ist die eine Sache, was (mit Hilfe von vielen engagierten und aktiven Leuten, politischen Schwergewichten und viel, viel Geld und Medien, die ihrer Informationspflicht auch tatsächlich nachkommen) praktisch machbar ist eine andere Angelegenheit. Wie wir alle wissen und immer wieder zur Kenntnis nehmen müssen, führt Frust noch lange nicht zu politischem Engagement und Frust garantiert auch noch lange nicht, dass Menschen in der Wahlzelle eine dezidiert linke Alternative ankreuzen.
Behauptungen a la die KPÖ übe sich in Beschwörungsritualen und habe kein Interesse an einem schlagkräftigen Linksprojekt sind Unterstellungen und einer konstruktiven Debatte nicht förderlich. Soweit ich es überblicke, ist die KPÖ für eine "breite, pluralistische, linke Alternative" offen. Wir werden, da bin ich mir sicher, unseren Beitrag zur Entwicklung einer starken und systemkritischen Linken leisten.
Aber "der Wunsch, das Eintreten für und der feste Glaube an ein Linksprojekt" bewirken noch nicht dessen Konstituierung. Ein Linksprojekt aber, welches keine reale Basis hat und nur in unserer Fantasie existiert, bringt politisch rein gar nix bzw. wäre langfristig gesehen wahrscheinlich sogar kontraproduktiv - und daher wird meine persönliche Unterstützung ein Linksprojekt nur dann bekommen, wenn hinter der Fassade auch wirkliches Leben wahrnehmbar ist.
Ebenfalls Liebe Grüße Didi
Ps.: die Probleme und das nicht berauschende Resultat von "Linke" bei der EU-Wahl 2004 angeblich falscher politischer Entscheidungen der KPÖ (EKH-Verkauf) in die Schuhe zu schieben, stärkt mein Vertrauen in deine Absichten nicht gerade. Der EKH-Verkauf war erst, wie du dich erinnern müßtest, nach der EU-Wahl 2004.
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