Zum 44. Mal wird München vom 8. Februar bis 10. Februar 2008 Schauplatz der NATO-Sicherheitskonferenz sein, auf der sich Vertreter der NATO mit Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft treffen werden, um zentrale Fragen von Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik zu besprechen. (Demos 8. und 9.2.)
Diese Konferenz nimmt seit den letzten Jahren ständig an Bedeutung zu, die Spitzenkräfte der imperialistischen Staaten treffen sich jedes Jahr im Münchner Nobelhotel Bayerischer Hof, um ihre Interessensphären abzustecken und Strategien zu diskutieren. Mit der Globalisierung, d.h. mit einem immer schärfer werdenden Konkurrenzkampf um Marktanteile und Ressourcen wird der Einsatz von Krieg und militärischen Mitteln immer dringlicher und damit auch die Notwendigkeit für die imperialistischen Staaten ihre globalen Interessen zu koordinieren. Dieses verschärfte Konkurrenzkampf und damit einhergehend der Einsatz von militärischen Mitteln erklärt sich zum einen daraus, dass sich der Kapitalismus in einer vertieften Verwertungskrise befindet. Der Wettlauf um profitable Anlagesphären und lukrative Ausbeutungsmöglichkeiten untereinander ist deshalb intensiver denn je. Wer nicht schnell genug ist, zieht den kürzeren und steht vor der Gefahr unterzugehen.
Dazu kommt, dass vor allem der EU-Imperialismus die globale Führungsrolle der USA immer stärker attackiert: politisch, ökonomisch und eben auch militärisch.
European Defence Paper
Im "European Defence Paper", das im Auftrag der EU-Regierungschef erstellt wurde, wird dies zum Ausdruck gebracht: Zweck zukünftiger EU-"Missionen" sei der "Stabilitätsexport zum Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen". Die EU müsse "militärische Eskalationsdominanz" erringen, um auch "Kriege in einem anspruchsvollen Szenario wagen und gewinnen zu können." Deshalb sei "die Transformation Europäischer Streitkräfte von der Landesverteidigung in Richtung Interventions- und Expeditionskriegszüge eine unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Europäische Sicherheitsstrategie." (zit. nach Mobilisierungszeitung für Anti-Siko Aktivitäten des Münchner Bündnisses gegen Krieg). Das gemeinsame Ziel ist es, bis 2010 die globale Interventionsfähigkeit zu erreichen.
Damit formiert sich die EU in Konfrontation zu den USA als globaler militärischer Akteur Der Riss zwischen dem sich formierenden EU-Block, der vor allem von Deutschland und Frankreich vorangetrieben wird, und den USA in der Irak-Frage belegen das genauso wie die Aufstellung eigenständiger EU-Militärkontigente, der Aufbau eines EU-Militär-Industrie-Komplexes (z.B. Airbus) oder eingeständige Militär-Interventionen ohne die USA. Gerade Afrika ist erneut im Focus des europäischen Imperialismus. Sei es die Kongo Mission 2006/07 unter deutscher Führung oder die aktuelle Tschad-Intervention unter französischer Führung. Die EU & die USA stehen sich in einem neuen "Rumble for Africa" gegenüber - wieder geht es um die Nutzung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, besonders die erölreichen Küstenregionen Westafrikas und der erdölreiche Sudan sind aktuell die Konfliktlinien der imperialistischen Mächte.
Die EU hat die Kontrolle über die AU (Afrikanische Union) unter der Führung Südafrikas von Beginn an übernommen – die AU soll als Versatzstück der EU die Interessen des europäischen Kapitals in Afrika umsetzen. Dazu gehören militärische Einheiten der AU, welche im Kongo, Liberia oder Mocambique schon blutige Spuren hinterlassen hat, genauso wie die Kontrolle über die "Demokratisierung" und "gute Regierungsführung" im Namen von AU & EU, wie sie aktuell in Kenia zu bestaunen sind.
Gemeinsam intervenierten die EU & die USA zuletzt gegen die islamistische Regierung in Somalia, als erstmals nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs eine stabile Regierung am Horn von Afrika sich etablierte, rückten äthiopische Truppen ins Land ein und die vom Imperialismus ausgestattete "Exilregierung" übernahm wieder die Macht in Mogadischu. Inzwischen herrscht wieder offener Krieg in Somalia und mit äthiopischen Truppen.
Widerstand
Neben diesen inner-imperialistischen Problemen ist der Imperialismus vor allem auch mit wachsendem Widerstand gegen seine globalen Hegemonialpläne konfrontiert. Es gelingt ihm nicht, seine militärische Überlegenheit in die Herstellung stabiler Vasallen-Regime umzumünzen. Das Fiasko der Besatzer im Irak belegt das genauso wie die Situation in Afghanistan oder die instabile Lage in Pakistan, bisher konstanter Partner der USA im "Kampf gegen den Terrorismus".
Zu diesen Störfaktoren kommen für den Imperialismus weitere hinzu. Mit Ländern wie China oder Indien erwachsen ihm potentielle Weltmarkt-Konkurrenten und in Lateinamerika, im Hinterhof der USA, haben links-populistische Regime wie das von Chávez oder Morales einen Kurs eingeschlagen, der z.B. mit den damit verbundenen Verstaatlichungen, den Interessen des Kapitals zuwider läuft – eine potentielle Gefahr und Einschränkung des Zugriffs durch den Imperialismus.
Diese Faktoren machen klar, warum das Krisenmanagement, warum Absprachen und das Ausloten von Konflikten wie auch Kompromisse so wichtig für den Imperialismus geworden sind. In diesem Zusammenhang muss auch die NATO-Sicherheitskonferenz gesehen werden.
Zunehmende Bedeutung der Proteste
Kein Wunder, dass sich in den letzten Jahren auch die Proteste gegen dieses Treffen der Kriegstreiber und Waffenlobbyisten an Bedeutung gewonnen haben. Letztlich haben die zahlreichen Aktionen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, die imperialistische Sicherheits- und Militärpolitik an die Öffentlichkeit gezogen.
Wie in den letzten Jahren wird München auch dieses Jahr wieder zu einem Höhepunkt antiimperialistischer und anti-militaristischer Demonstrationen und Aktionen – trotz der Hetze der Medien und der permanenten Repressalien durch die bayerische Landesregierung.
Sicher werden dieses Jahr auch die neuen "Anti-Terror-Gesetzen" von Schäuble eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung gegen die NATO-Sicherheitskonferenz einnehmen. Die zunehmende Überwachung und Kontrolle einhergehend mit dem Abbau demokratischer Rechte steht in der gleichen Logik wie die verstärkte Bereitschaft militärische Mittel nach außen einzusetzen.
Das deutsche Kapital reagiert schon einmal präventiv auf die Gefahr zunehmenden Widerstands gegen die allgemeine Verschlechterung der Lebensbedingungen breitester Bevölkerungsschichten mit dem Aufbau autoritärer Polizeistaatsstrukturen. Nicht zuletzt dient § 219a StGB, also der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung, dazu, jegliche polizeiliche Maßnahme und die Verurteilung politischer Missliebiger zu rechtfertigen. Dieser wurde vor nicht all zu langer Zeit gegen Jugendliche, die in München ein Haus besetzt hielten, eingesetzt, um diese in Haft zu nehmen.
Nicht zuletzt wird mit der Heraufbeschwörung der "islamistischen Gefahr" versucht eine Stimmung in der Bevölkerung zu schaffen, antikapitalistische Aktionen mit politischem Fanatismus gleichzusetzen, um damit den Abbau demokratischer Rechte zu legitimieren.
Welche Stoßrichtung?
Auch wenn die Bewegung gegen die Sicherheitskonferenz von einem sehr breiten politischen Spektrum getragen wird, das sich in der Ablehnung von imperialistischen Krieg und Überwachungsstaat, so gibt es doch unterschiedliche Meinung wie dagegen gekämpft werden kann. Wir meinen, wenn die Bewegung gegen Krieg und zunehmende staatliche Repression weiter kommen will, ist es notwendig, den Zusammenhang des Kampfes gegen diese und den Kampf gegen den Kapitalismus als System aufzuzeigen.
Nicht ein Bündnis mit noch so liberalen ehemaligen Offizieren der Bundeswehr noch das Berufen auf das Völkerrecht kann die internationalen Kriegstreiber von ihren Plänen abhalten. Wir meinen nur eine kämpferische, antiimperialistische Bewegung, die in der Lage und willens ist mit Blockaden und Streiks gegen den Gegner vorzugehen, kann ihn dazu zwingen, von seinen Plänen abzulassen. Die antiimperialistische Bewegung muss lernen, sich von Führungen und Konzepten zu trennen, die sie mit dem kapitalistischen System versöhnen wollen.
Sie muss lernen, dass ein effektiver Antiimperialismus nur dann zum Tragen kommt, wenn er jene Klasse zum zentralen Träger des Kampfes macht, die das imperialistische System auch beseitigen, überwinden kann – die Arbeiterklasse.
Wir rufen alle Jugendlichen, alle Kollegen/innen, die gegen Krieg und zunehmenden Abbau von demokratischen Rechten handeln wollen, auf, zur Großdemonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am 9. Februar zu kommen:
* Rückzug aller imperialistischen Truppen!
* Für die Zerschlagung von NATO und Bundeswehr!
* Sieg dem Widerstand gegen den Imperialismus im Irak, in Palästina und überall!
* Auflösung und Zerschlagung staatspolizeilicher Strukturen und Sondereinheiten
* Ersatzlose Streichung der sog. Anti-Terror-Gesetze, von § 129, 129a und b!
Helga Müller (Neue Internationale 126, Januar/Februar 2008; Neue Internationale ist die Zeitung der Gruppe Arbeitermacht, deutsche Sektion der LFI)
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