Samstag, 24. Januar 2009
 
SP-Dissidenz gegen EU-Vertrag PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von initiative für eine sozialistiscghe politik   
Donnerstag, 13. Dezember 2007

In der SPÖ regt sich Widerstand gegen das EU-Diktat. Die "initiative für eine sozialistische politik der spö" (isp) beschränkt sich nicht mehr auf informelle Einflussnahme, sondern ging nun an die Öffentlichkeit mit einem Offenen Brief an den Bundesparteivorstand der SPÖ und den SPÖ-Parlamentsklub sowie an die SP-Fraktion im Europäischen Parlament.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Wir appellieren an Euch, von der Ratifizierung des "Entwurfs eines Vertrags zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" ("EU-Reformvertrag") durch das Parlament Abstand zu nehmen und Euch für eine Volksabstimmung darüber in Österreich und allen Mitgliedsländern der Europäischen Union einzusetzen.

 
Um eine Volksabstimmung durchzuführen, bedarf es einer umfassenden und ausgewogenen Information der Bevölkerung (um die sich Interessierte schon jetzt selbst bemühen). Sie erfordert eine Gleichgewichtung der zu befürwortenden wie auch der abzulehnenden Inhalte und Gesichtspunkte des "EU-Reformvertrags". Die SPÖ, aber auch die SP-Fraktion im Europäischen Parlament, soll daher diese umfassende und ausgewogene Information der Bevölkerung EU-weit sicherstellen und in den politischen Körperschaften auf deren Bereitstellung hinwirken.

 
Verfassungen gehen auf Volksbewegungen und Revolutionen gegen feudale Willkürherrschaft zurück. Eine Verfassung ist ein Dokument der grundlegenden Rechte und Pflichten der Staatsbürger/innen und eine Festlegung der Gewaltenteilung sowie der Aufgaben und Machtbefugnisse der staatlichen Organe. Als rechtliche Grundlage des staatlichen Zusammenlebens hat sie unmittelbare und nachhaltige Auswirkungen auf das gesamte Leben jeder Staatsbürgerin und jedes Staatsbürgers. Sie betrifft alle Menschen.

 
Im Grundsatzprogramm der SPÖ heißt es im Abschnitt II. 2. 2.: "Wir treten daher dafür ein, dass alle Menschen das Recht darauf haben, bei Entscheidungen, die sie betreffen, mitzubestimmen und dass das Prinzip der Demokratie in allen gesellschaftlichen Bereichen verwirklicht wird." Dieser Satz erfordert die Abhaltung einer Volksabstimmung und stellt für die SPÖ die Verpflichtung dar, sich ohne Bedingungen für ihre Durchführung einzusetzen. Andernfalls würde sie ihre Glaubwürdigkeit weiter verringern.

 
Durch die "Erklärung Nr. 27" wird analog zum 2005 gescheiterten "Verfassungsentwurf" aus dem Jahr 2004 der Vorrang der EU-Gesetzgebung gegenüber unserer Verfassung festgeschrieben. Das "Verbot der Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit den Mitgliedsländern und Drittländern" (Artikel 56) legalisiert die Steür-, Kapital- und Produktionsflucht in Niedriglohnländer und Steueroasen. Es ist gegen die arbeitenden Menschen in der EU gerichtet, ohne den arbeitenden Menschen in den Zielländern zu helfen. Artikel 27 (Absatz 7) macht die EU zu einem Verteidigungsbündnis und gefährdet durch die enge Anbindung an die NATO die bewährte Neutralität Österreichs. Die Rechte des Europäischen Parlaments sind geringer und schwächer als die der Parlamente der Mitgliedstaaten. Es fehlen das Recht der Gesetzesinitiative und das Recht, Mitgliedern der Kommission das Misstrauen auszusprechen, sowie das basisdemokratische Recht einer Volksabstimmung. Schon allein deswegen muss die Bevölkerung der EU darüber abstimmen, ob sie sich den Entzug dieses grundlegenden Rechts wirklich gefallen lassen will.

 
Diese und andere Mängel und Festschreibungen aus dem 2005 gescheiterten "Verfassungsentwurf" sind im "EU-Reformvertrag" weiterhin enthalten, aber sie sind wegen systematischen Umgruppierungen von Textbestandteilen des "Verfassungsvertrags" und deren Einfügung an verschiedenen Stellen früherer Verträge nur "Eingeweihten" zugänglich. Wie der Vorsitzende des damaligen Verfassungskonvents und frühere Präsident Frankreichs, Giscard d’Estaing, in einem Offenen Brief im Observer vom 29. Oktober 2007 dazu feststellte, wird damit der Zweck verfolgt "ein Referendum zu vermeiden dank der Tatsache, dass diese Artikel verstreut und deren Verfassungsvokabular entfernt wurden".


Nur durch eine Wirtschaft, die demokratisch gelenkt und kontrolliert wird, kann das Überleben dieses Planeten in Zukunft gesichert werden. Die EU-Gesetzgebung schränkt die Freiheitsrechte der Bevölkerungsmehrheit zugunsten der Vorrechte von Kapitaleigentümern und wirtschaftlich Mächtigen weiter ein. Der daraus folgende Sozialabbau weckt soziale Urängste und heizt nationalistische und rechtsextremistische Strömungen an, denen sich politisch desinformierte Benachteiligte anschließen. Die Entfremdung der repräsentativen Demokratie nimmt zu. Dem muss durch eine Politik begegnet werden, die den Interessen der arbeitenden Mehrheit Rechnung trägt. Eine Volksabstimmung über den "EU-Reformvertrag" wäre ein Beitrag zur Wiederbelebung der Demokratie und würde der Gefahr von Rechts aktiv gegensteuern.

 
An der von uns geforderten umfassenden und ausgewogenen Information der Bevölkerung müssen vor allem die Abgeordneten der SPÖ (sowohl des österreichischen als auch des Europäischen Parlaments) mitwirken. Dabei wird sich erweisen, nicht nur ob und wie angemessen sie den Vertragsentwurf dem "Wahlvolk" darstellen können, sondern ob und wie sehr sie sich selbst seiner Problematik bewusst sind.

 

Freundschaft!

 

Für die initiative: Karin Rietenauer, Gerti Worel, Reimar Holzinger, Franz Winterer, Helga Maier, Theo Maier, Gerda Neudecker, Peter Ulrich Lehner, Ursula Knittler-Lux, Rudi Schmid, Klaus Kucharz, Alfred Kohlbacher, Alfred Heinrich, Werner J. Grüner, Traude Mayer, Jürgen Hirsch

 

Kontakt: http://www.initsoz.org

 

 

 

EU-Vertrag-Tips

 

Eine aus den diversen Entschließungen privat erstellte konsolidierte, sprich: lesbare Fassung des EU-Vertrags auf dem Stand des letzten Gipfels findet sich unter

http://www.reformvertrag2007.eu

Nicht enthalten sind dabei allerdings Präambel, Protokolle und Erklärungen

des EU-Reformvertrages. Die können runtergeladen werden unter

http://www.consilium.europa.eu/cms3_fo/showPage.asp?id=1317&lang=de&mode=g

 

Eine rechtliche Analyse von ao.Univ.Prof. Adrian Holländer, die zum Schluss

kommt, dass der EU-Vertrag in einem Ausmaß in österreichisches Recht eingreift, dass eine Beschlussfassung ohne Volksabstimmung vor dem VfGH eine eklatante Rechtsunsicherheit ob ihrer Gültigkeit erzeugen würde, findet sich unter:

http://www.efcr.at/tmp_de/files/111.pdf

 

entnommen aus: AKIN vom 11.12.2007

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