Mit einer Verfassungsreform will Venezuelas Präsident sein eigenes Verbleiben an der Spitze des Staates beliebig verlängern lassen. Die zweite Reform der venezolanischen Verfassung seit 1999, über die in einigen Monaten ein Plebiszit entscheiden soll, regelt insgesamt 33 Punkte, von denen die meisten aber wenig internationale Beachtung finden.
Offenbar hatte Hugo Chávez mit der sofort einsetzenden Kritik gerechnet. „Was diesen Entwurf ausmacht, habe allein ich zu verantworten“, erklärte Venezuelas Staatschef bei der Präsentation der Konzeption für eine neue Verfassung am 15. August in der Nationalversammlung. Mit dem Bekenntnis kokettierte er mit seiner Rolle als Feindbild für die Opposition. Denn schon lange bevor der Vorschlag für eine reformierte Verfassung publik wurde, hatte das gegnerische Lager eine Kampagne gegen die Initiative gestartet. Chávez versuche, Venezuela zu kubanisieren“ und er wolle die „Macht an sich reißen“, hieß es in Unkenntnis des von seinen Autoren bislang sorgsam gehüteten Textes.
Überraschend war für viele Beobachter nun das geringe Ausmaß der geplanten Novellierung: Gerade einmal 33 der insgesamt 350 Artikel sollen erneuert werden – das sind weniger als zehn Prozent. In Anbetracht des politischen Feldzugs, den die Opposition in den vergangenen Wochen und Monaten geführt hatte, hätte man zunächst meinen können, es sei eine juristische und politische Runderneuerung des Staates geplant gewesen. Am Mittwoch aber schlug Chávez lediglich die Überarbeitung „einiger kritischer Punkte“ der Verfassung vor, die kurz nach seinem Antritt 1999 nach einer Volksbefragung in Kraft getreten war. Die aktuelle Novelle soll nun drei Lesungen in der Nationalversammlung durchlaufen, um – vielleicht noch binnen dieses Jahres – per Volksabstimmung angenommen oder abgelehnt zu werden. Das Plebiszit ist nicht nur ein politisches Prinzip der venezolanischen Demokratie seit Chávez’ Regierungsantritt 1999. Es nimmt der Opposition, die im Parlament seit ihrem Wahlboykott 2005 nicht mehr vertreten ist, auch die Möglichkeit des Vorwurfs, die Regierung gehe undemokratisch vor.
Strittigstes Thema bleibt indes die Änderung des Artikels 230. Mit seiner Überarbeitung soll die Amtszeit des Präsidenten nicht nur von derzeit sechs auf künftig sieben Jahre verlängert werden, der Staatschef soll auch auf unbestimmte Zeit wiedergewählt werden können. Die Kritik der Opposition daran weist Chávez weiter zurück. Seine politischen Gegner versuchten, „Ängste zu schüren, einzuschüchtern und zu verdrehen“, entgegnete der Präsident auf den Vorwurf, er wolle sich zum Staatschef auf Lebenszeit machen.
Wenig beachtet wurden vor dem Hintergrund dieses Konfliktes die übrigen Neuerungen, mit denen der Weg zu einem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ geebnet werden soll. So wird nach dem Willen der Arbeitsgruppe um Chávez in der künftigen venezolanischen Charta neben dem privaten Eigentum auch „soziales“, „kommunales“ und „staatliches Eigentum“ anerkannt. Mit der verfassungsrechtlichen Billigung der kommunalen Bürgerräte als legitimer Bestandteil des Staatsapparates soll die Beteiligung der Bevölkerung an demokratischen Entscheidungen gestärkt werden. Eine Gebietsreform zielt schließlich darauf ab, ein föderales System „sozialistischer“, das heißt vor allem, von der Basis verwalteter, Städte zu schaffen. Die Staatsführung bekäme im Rahmen dieser Neufassung auch das Recht, „militärische Sonderzonen“ einzurichten, sofern dies durch „strategische Ziele“ zu begründen sei.
Über die Vorschläge forderte der Staatschef nun eine „große Debatte“ ein. Denn die Verfassung sei ja „vom Volk, nicht von Chávez“. Mit deren Reform sollen Entgleisungen, wie der Kauf von Ämtern und Mechanismen vermieden werden, aus denen in der Vergangenheit Korruption entstanden sei. Die Diskussion darüber müsse parallel zu den parlamentarischen Beratungen nun in der gesamten Bevölkerung geführt werden.
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