Samstag, 24. Januar 2009
 
Der Verfassungsgerichtshof zur Asylfrage PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Eva Kumar   
Mittwoch, 31. Oktober 2007

Am Mittwoch, den 30.10. präsentierte VfGH-Präsident Karl Korinek ein Erkenntnis des VfGH, das der Kritik am inhumanen Vorgehen der Regierung Recht gibt. Der VfGH übt darin scharfe Kritik an der Regierung und wirft den Behörden zumindest in einem Fall "gravierende Fehler" vor.

Das von Innenminister Platter bisher rigide abgelehnte Bleiberecht wird von nun an nach sieben Kriterien geprüft, und zwar nach Aufenthaltsdauer, Familienleben, Grad der Integration, Unbescholtenheit, Bindung zum Heimatstaat, Akzeptanz der öffentlichen Ordnung, sowie der Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 
Zur Überprüfung dieses zuletzt genannten Kriteriums scheint es aber leider weiterhin gestattet zu sein, dass Beamte im Privatleben der Menschen herumstöbern, nach Zahnbürsten suchen und sich nach der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs erkundigen. Der Suche nach „Scheinehen“ zum Zweck der Erschleichung des Aufenthalts in Österreich wurde leider auch durch den Spruch des VfGH kein Riegel vorgeschoben.

 
Die aufgelisteten Kriterien sind laut VfGH-Präsident Karl Korinek jedenfalls "das Minimum, um die Menschenrechtskonvention einzuhalten". Andernfalls wäre eine Verurteilung des Gesetzes durch den EGMR wahrscheinlich. Die Regierung hätte auch Spielraum genug, um über die Minimalanforderungen hinauszugehen, "aber an diese Kriterien ist sie von Verfassung wegen gebunden", betonte Korinek.

 
Jeder einzelne Fall muss nach diesen Kriterien geprüft werden, und erst nach Abwägen der einzelnen Punkte und Berücksichtigung der Pros und Kontras wird nun entschieden – bisher konnte man sich nur an den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wenden.

 
Konkretes Beispiel: Am Fall der Abschiebung einer kroatischen Frau, die nach dem Tod ihres Mannes ausgewiesen werden sollte, wurde vom VfGH erkannt, dass wichtige Kriterien nicht berücksichtigt worden waren – nämlich dass sie ein minderjähriges behindertes Kind hat, drei volljährige Kinder hier leben und dass sie zuvor schon viele Jahre als Saisonarbeitskraft in Österreich war.

 
Einige strittige Punkte des Asylgesetzes wurden als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben, z.B. die gängige Praxis, kranke und schwangere Personen einfach abzuschieben.

 
Das Fremdenrecht soll auch noch durch einen Gesetzesprüfungsantrag bis zum Frühjahr 2008 nach dem Punkt „humanitäre Niederlassungsbewilligung“ begutachtet werden – bisher war es den Betroffenen nicht möglich, einen solchen Antrag zu stellen.

 
Das Erkenntnis ist auch eine Kritik an der Asylpraxis der Bundesregierung. Die Kriterien des VfGH seien das "Minimum, um die Menschenrechte einzuhalten", sagte VfGH-Präsident Karl Korinek in der Begründung. Bisher gab es nahezu keinerlei flexibles Eingehen nach solch verbindlichen Kriterien bei Überprüfung von Einzelfällen, Asylrecht wurde mit Feuer und Schwert gesprochen und das „Drüberfahren mit der Eisenbahn“ als Tugend, Rechtstreue und Unbestechlichkeit dargestellt.

 
Nicht nur gerechtere humanere Asylverfahren, sondern dass diese nicht länger dauern sollen als ein Jahr, ist ein weiteres Ziel, wie Kanzler Gusenbauer betont. „Der Asylgerichtshof kommt leider um zwei Jahre zu spät", erklärte der Kanzler. Denn schon bei den Verhandlungen um das neue Fremdenrecht im Jahr 2005 habe der damalige SPÖ-Verhandler Norbert Darabos die Einrichtung eines Asylgerichtshofes gefordert. Dies sei ihm auch von der schwarz-orangen Regierung zugesagt worden. "Leider hat die alte Regierung diese Vereinbarung nicht umgesetzt." (APA)

 
Der Rückstau an unerledigten Fällen beträgt 33.000 – was heißt, dass 33.000 Menschen seit vielen Jahren einen unsicheren Aufenthaltssatus haben, ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, und sich – zumeist wahrscheinlich aufgrund  der langen Dauer der Verfahren – schon in Österreich recht und schlecht ein Leben aufgebaut haben. Um die Kompetenzen endgültig und transparent zu klären und zuzuordnen und um diese Menge an Verfahren zu bewältigen, soll – schon seit zwei Jahren – ein Asylgerichtshof errichtet werden. Bis 2010 sollte der gesamte Rückstau der unerledigten Verfahren aufgearbeitet sein. Die gesetzliche Grundlage für die Einrichtung des Asylgerichtshofes soll noch heuer im Parlament beschlossen werden und ab Anfang 2008 in Kraft sein. Es ist also endlich ein Lichtstreif am Horizont zu sehen und absehbar, dass dieses Gericht im nächsten Jahr mit seiner Arbeit beginnen kann.

 

Der Verfassungsgerichtshof-Entscheid im Wortlaut:

 http://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/4/3/7/CH0003/CMS119367373354

2/ausweisungsbestimmung_g179-07.pdf

 

 

 

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