Samstag, 24. Januar 2009
 
Kolumbien: Geiseln getötet PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Harald Neuber   
Samstag, 30. Juni 2007
Die kolumbianische FARC-Guerilla hält Dutzende Geiseln in ihren Lagern fest. Einige seit vielen Jahren. Einen Austausch gegen gefangene Guerilleros, wie ihn die Rebellen mehrmals gefordert haben, hat Präsident Uribe bisher verweigert. Er sucht immer wieder militärische Lösungen. Eine solche endete kürzlich tödlich.


Bei einem Angriff auf ein Feldlager der Guerilla in Kolumbien sind elf gefangene Zivilisten getötet worden. Wie das »Gemeinsame Kommando Ost« der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens mitteilte, wurde das Camp bereits am 18. Juni von einer »nicht identifizierten militärischen Gruppe« angegriffen. Die Gefangenen seien bei dem Feuergefecht ums Leben gekommen. Bei den Todesopfern handelt es sich um kommunale Abgeordnete des Departementos Valle del Cauca im Südwesten des Landes. Sie waren von der FARC-Guerilla am 11. April 2002 in einer großangelegten Aktion in ihre Gewalt gebracht worden. Den Angriff auf das Lager überlebte nur einer der Politiker. Sigifredo López habe sich zum Zeitpunkt der Attacke nicht in dem Camp aufgehalten, heißt es in dem nun veröffentlichten Kommuniqué des FARC-Kommandos vom 23. Juni.

Die FARC-Guerilla hatte zuletzt 56 Gefangene in ihrer Gewalt. Neben Polizisten und Militärs, die während Kampfhandlungen als Kriegsgefangene festgenommen wurden, haben die Rebellen auch Politiker verschleppt. Neben der Parlamentariergruppe gehört zu diesen Geiseln auch die kolumbianisch-französische Politikerin Ingrid Betancourt. Zudem befinden sich drei mutmaßliche US-Geheimdienstler in der Hand der mit 20.000 Kämpfern größten Guerillaorganisation Lateinamerikas.

Aufständische und Regierung schieben sich nach dem Tod der elf Abgeordneten nun gegenseitig die Schuld zu. Die »wahnsinnige Sturheit« des Präsidenten Alvaro Uribe Vélez und »das Beharren auf eine militärische Befreiung fernab jeder Rücksichtnahme« hätten zu der »Tragödie« geführt, heißt es in der Erklärung der Rebellen. Für sie habe die »physische Unversehrtheit« der Gefangenen von Beginn der Operation an höchste Priorität besessen. Den Angehörigen sprachen sie ihr »tiefes Bedauern« aus. Man werde die sterblichen Überreste der Getöteten so schnell wie möglich aus der umkämpften Zone bringen.

Präsident Uribe rief sein Kabinett und die Militärführung zu einem Krisenstab zusammen. In einem Kommuniqué beschuldigte er die FARC als »terroristische Gruppe« und »kriminelle Organisation«, die Abgeordneten »niederträchtig ermordet« zu haben.

Bislang weist die Regierung jede Verantwortung für den Tod der Politiker von sich. Nach Uribes Angaben sei keine Aktion zur Befreiung der Gefangenen angeordnet gewesen. Man habe auch keine Kenntnisse über den genauen Aufenthaltsort ihrer Gruppe gehabt, zu dem sich auch die FARC in Schweigen hüllen. Nach Angeben der Guerilla hatten »in den vergangenen Wochen große Operationen der Armee gemeinsam mit Paramilitärs stattgefunden, die mehrfach zu Gefechten geführt haben«. Außerdem seien ausländische Söldner präsent gewesen. Gemeint sind US-Militärberater, die das Kommando angeführt haben sollen.

Obwohl die genauen Hintergründe der Geschehnisse noch unklar sind, gerät die Regierung in die Kritik. Staatschef Uribe  beharrt entgegen den Forderungen von Angehörigen der Gefangenen auf einer militärischen Befreiung. Eine entsprechende Order hatte er erst Ende vergangener Woche bekräftigt. Der französische Außenminister kritisierte diese Linie nach dem Tod der FARC-Gefangenen. Der »Gebrauch von Gewalt zur Befreiung der Geiseln sollte verboten sein«, sagte Bernard Kouchner in Paris. Fabiola Perdomo, die Witwe des getöteten Abgeordneten Juan Carlos Narváez, erhob hingegen Vorwürfe gegen die FARC-Guerilla und die Regierung: »Beider Unnachgiebigkeit, ihre Radikalisierung und ihr Haß haben unsere Träume zerstört«.

In der Amtszeit Uribes sind 22 Inhaftierte der Guerillaorganisationen FARC und Nationales Befreiungsheer (ELN) getötet worden. Nach der jüngsten Eskalation rückt nun die Chance auf einen Gefangenenaustausch in weite Ferne. Auch wies Uribe am Donnerstag die Forderung der FARC nach einer entmilitarisierten Zone als Grundlage für politische Verhandlungen entscheiden zurück. So könnte es neben den elf Toten noch ein zwölftes Opfer geben: die Chance auf den Frieden in Kolumbien.

www.haraldneuber.de

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