Keine Fanpost mehr in die Zelle |
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Geschrieben von Ralf Leonhard
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Mittwoch, 20. Dezember 2006 |
David Irving sei ein Idol für viele in der rechten Szene gewesen und habe täglich Fanpost bekommen. So begründete die Staatsanwältin in Wien ihre Berufung für ein höheres Strafausmaß. Der Richtersenat überlegte anders. Er gab der Berufung des Verurteilten recht und sorgte durch die Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung für die sofortige Freilassung des Gesinnungstäters. Das Alter des Verurteilten und der lange Zeitraum seit der Tatbegehung dienten als Begründung.
Doch das Richterkollegium dürfte auch die Argumente der Staatsanwaltschaft gewürdigt haben. Allerdings nicht in deren Sinne. Denn warum sollte man einen Mann, der Briefe von rechtsextremen Adoranten bekommt, in Wien behalten? Es ist nicht bekannt, ob und wie Irving seine Fanpost beantwortet hat. Jedenfalls war ein zerknirschter Irving, wie er sich im Februar vor dem Richter präsentierte, nützlicher für die Entsorgung der <Gaskammernlegende>, als einer, der durch eine lange Haftstrafe zum Märtyrer der Meinungsfreiheit befördert wird.
In der FPÖ und den Burschenschaften gehört es noch heute zur ideologischen Grundausstattung, dem Nationalsozialismus auch positive Seiten zuzuerkennen. Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete John Gudenus wurde wenige Monate nach Irving wegen Holocaust-Leugnung verurteilt. Aber auch freiheitliche Neo-Abgeordnete würdigen die Wirtschafts- oder Beschäftigungspolitik der Nazis während sie vermeinen, über deren Verbrechen – dank später Geburt – kein gesichertes Wissen haben zu müssen. Solchen Leuten dienen die historischen Schriften eines David Irving zur Rechtfertigung und Orientierung, auch wenn der Autor selbst inzwischen in vielen Punkten zu anderen Erkenntnissen gelangt ist.
Mit der Umwandlung der verbleibenden Strafe in eine bedingte wurde nicht die Richtigkeit des ursprünglichen Urteils angezweifelt, sondern lediglich der geringen Gefährlichkeit des Täters Rechnung getragen. Es steht zu erwarten, dass David Irving auch nach Ablauf der Bewährungszeit keine Vortragsreisen mehr nach Österreich unternehmen wird, ganz gewiß nicht, um neuerlich Hitlers Verwicklung in die Judenvernichtung in Zweifel zu ziehen.
Ralf Leonhard
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