Die tägliche Angst vor der Schubhaft |
Geschrieben von Ralf Leonhard | |
Dienstag, 10. April 2007 | |
Österreichs neues Fremdenrecht erlaubt es, Ausländer rigoros abzuschieben, auch wenn sie jahrelang im Land und voll integriert sind. Mittlerweile regt sich in immer mehr Gemeinden auch bei den Einheimischen Unmut gegen diese Praxis. Trotzdem muss der ehemalige
Flüchtling jeden Tag fürchten, in Schubhaft genommen zu werden. Das seit Jänner
2006 gültige österreichische Fremdenrecht gilt sogar rückwirkend. Früher erwarb
man kraft Eheschließung die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und
Arbeitserlaubnis. Jetzt muss der Antrag im Heimatstaat gestellt werden. Meist
wird von den Behörden die Visaerteilung verschleppt, manchmal verweigert. Die
Verpflichtung zur Antragstellung im Ausland ist eine elegantere und billigere Variante
der Abschiebung. Deewans Fall hat so viel
Empörung ausgelöst, dass die Deportation ohne größeren Medienaufruhr kaum
machbar erscheint. Auch die georgische Familie Torosian, die seit sechs Jahren
in einem Dorf in Niederösterreich lebt, muss zumindest bis Juli nicht mehr fürchten,
aus dem Bett gerissen und in ein Flugzeug verfrachtet zu werden. Vater Arman
verdingt sich in der Kirche als Mesner, obwohl er als Fernsehtechniker einen
Job finden könnte. Seine Frau Anja, Englischlehrerin, dient die Wohnungsmiete
mit Hausarbeit ab. Die 14-jährige Tochter Evelyne gilt als Musterschülerin. Von
den Klassenkolleginnen bis zum Bürgermeister setzen sich in der Gemeinde
Hohenberg fast alle für die Georgier ein, die seit über fünf Jahren auf eine
Entscheidung des Asylgerichts warten. Im oberösterreichischen
Gallneukirchen wurde Anfang April in einer Gemeindeversammlung zum zivilen
Ungehorsam aufgerufen, falls die kosovo-albanische Familie Kabashi abgeschoben
werden sollte. Nach dem neuen Fremdenrecht machen sich auch jene strafbar, die
Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel verstecken oder deren Abschiebung
verhindern. Im steirischen Leoben hat die Bevölkerung erreicht, dass ein
iranischer Asylwerber mit seiner 14-jährigen Tochter erstmals vom Asylgericht
angehört wurde. Sechs Jahre hatte sich Österreich für nicht zuständig erklärt. Obwohl fast jeden Tag neue
Opfer des verschärften Fremdenrechts geschaffen werden, wirft Innenminister
Günter Platter, ÖVP, die Gebetsmühle an: Das Gesetz sei ausgezeichnet und habe
Zuwanderung wie Asylanträge dramatisch gesenkt. Etwaige Härtefälle würden
geprüft. Von einer Reform will in seiner Partei niemand etwas wissen. Deswegen hat in der ÖVP
auch noch keiner auf einen Vorschlag der Grünen reagiert, alle Menschen, die
seit mehr als fünf Jahren im Lande leben, zu legalisieren. Rechtsanspruch auf
Aufenthalt statt Gnadenakt, fordert die grüne Migrationssprecherin Terezija
Stoisits, die die Anzahl der Betroffenen, die in höchster Unsicherheit leben,
auf 18.000 schätzt. |
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