Samstag, 24. Januar 2009
 
Steine im Glashaus PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Harald Neuber   
Montag, 25. Juni 2007

Auftritt des spanischen Untersuchungsrichters Garzón in Venezuela führt zu
diplomatischen Turbulenzen

Baltasar Garzón ist ein Profi im Umgang mit Politik und Medien. Doch mit einer derartigen Resonanz hatte wohl selbst der spanische Untersuchungsrichter nicht gerechnet, als er Mitte vergangener Woche vor dem Industriellenvereinigung Venezuelas in Caracas auftrat. Der Außenminister, der Vizepräsident und die Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes reagierten öffentlich auf seine Rede. Die Fabrikanten hatten Garzón zuvor gebucht, um zu hören, was sie hören wollten: »Wir dürfen der politischen Macht gegenüber weder gefügig noch servil sein«, hatte der 51jährige vor ausgesuchtem Publikum erklärt, um dann konkreter zu werden. »Ein Medium zu schließen ist wohl nicht der geeignete Weg«, sagte er in bezug auf den andauernden Medienstreit in Venezuela. Statt dessen müsste ein Dialog ermöglicht werden.


»Schlechtes Beispiel«

Die Replik kam von Luisa Estela Morales, der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs. Garzón sei nichts als ein »Söldner«, erklärte sie gegenüber der venezolanischen Presse: »Er ist das schlechte Beispiel eines Richters, der weder Moral noch Ethik besitzt«. Besonders erbost war die Juristin über den offensichtlich politischen Charakter des Auftritts, zu dem Garzón nach Caracas eingeladen worden war. Nach seiner Präsentation hatte er vor laufender Kamera oppositionelle Gruppe empfangen, um ihre Manifeste über die Lage der Menschenrechte in den südamerikanischen Land entgegenzunehmen.

Garzón ist einer der bekanntesten Juristen Spaniens. International bekannt wurde der Untersuchungsrichter am obersten Strafgerichtshof in Madrid Ende 1998 durch die Ausstellung eines Haftbefehls gegen den ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Im gleichen Jahr hatte er in Spanien jedoch für eine erbitterte Kontroverse gesorgt, indem er das baskische Medienunternehmen Orain S.A. unter dem Vorwurf schließen liess, der Konzern unterhalte Beziehungen zur baskischen Untergrundorganisation ETA. Orain S.A. unterhielt damals die baskische Tageszeitung Egin und eine Radiostation. Obwohl die Vorwürfe Garzóns sich später als falsch herausstellten, wurde der regionale Pressekonzern durch das Verbot in die Pleite getrieben.

Der venezolanische Vizepräsident Jorge Rodríguez wies auf den Widerspruch hin. Garzón habe Medien ohne Rechtsgrundlage geschlossen und Aktivisten der baskischen Linken in ganz Spanien verfolgen lassen, erinnerte der Politiker. Im Gegensatz dazu habe die venezolanische Regierung im Fall von RCTV darauf gewartet, dass die Lizenz zur Nutzung des zweiten staatlichen Kanals auslaufe. »Wir haben immer im Respekt vor der Verfassung und den Gesetzen gehandelt«, so Rodríguez.

Nähe zu Aznar

Der Auftritt Garzóns kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Verhältnis zwischen Caracas und Madrid ohnehin belastet ist. Unlängst erst hatte Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos die Entscheidung der venezolanischen Regierung nach einer Zusammenkunft mit seiner US-Amtskollegin Condoleezza Rice getadelt. Ohne auf den Auftritt Moratinos Bezug zu nehmen, missbilligte sein venezolanischer Amtskollege Nicolás Maduro nun eine »koloniale« und »rassistische« Haltung Spaniens, um dessen Staatsführung zum »raschen Umdenken« aufzufordern. Man habe sich in Spanien offenbar der »hysterischen Rechten« um den ehemaligen Regierungschef José Maria Aznar ergeben, so Maduro.

Dass der Bezug auf den Postfranquisten begründet war, bewies dieser Ende vergangener Woche in Mexiko-Stadt selbst. Bei einem Kongress der »Christdemokratischen Organisation Amerikas« wetterte Aznar gegen Venezuela und Kuba. Lateinamerika stünden zwei Wege offen, sagte er vor konservativen Politikern aus mehreren Staaten der Region. Der eine Weg führe zur »Demokratie«, der andere zum »Populismus«.

Wie der spanische Journalist Pascual Serrano im Onlineportal Rebelión.org berichtet, war bei dem Treffen auch der Präsident von RCTV, Marcel Granier, anwesend. Er gab bekannt, dass sich mexikanische private Medienkonzernen bereit erklärt hätten, RCTV kostenlos zu übertragen. Für Serrano ein Ausdruck des Problems der Medienlandschaft. Immerhin müsse der mexikanische Oppositionspolitiker Andrés Manuel López Obrador den Konzernen zugleich Zehntausende US-Dollar bezahlen, um einmal in der Woche eine halbe Stunde senden zu dürfen. »Für López Obrador haben bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen aber 15 Millionen Menschen ihre Stimme abgegeben«, schreibt Serrano.
 
www.haraldneuber.de

< zurück   weiter >