Samstag, 24. Januar 2009
 
Irland: Außerparlamentarische Kräfte zuwenig beachtet PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Dieter Blumenfeld   
Mittwoch, 20. Februar 2008

Es gibt in Irland nicht nur die parlamentarische Opposition gegen den EU-Vertrag meint ein Leserbriefschreiber der DAZ.

Liebe Redaktion der DAZ!
Lieber Bernhard Redl!

Sie veröffentlichten am 14. Februar 2008 einen Artikel unter dem Titel „Sinn Féin gegen EU-Vertrag“. Darin wird fälschlicherweise das Bild gemalen, dass Provisional Sinn Féin die einzige Opposition gegen den EU-Vertrag von Lissabon sei.

Die Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag in den 26-Counties ist breit, so umfasst sie weite Teil der Zivilgesellschaft, BasisaktivistInnen der Grünen, reformistische, sozialdemokratische und linkssozialistische Gruppe, vor allem aber auch die wahre Republikanische Bewegung.

So gab es am 5. Februar ein Treffen des National Forum on Europe im Dubliner Vorort Blanchardstown. Die folgende Pressekonferenz galt als Start für die gemeinsame Anti-EU-Vertragskampagne. Mehr als 200 Personen waren anwesend, darunter der ehemalige Abgeordnete der Socialist Party in Dublin, Joe Higgins, der Labour-Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Proinsias De Rossa oder Mitglieder der Antikriegsbewegung und Sozialforen-Bewegung. Das Irish Republican Information Service berichtete darüber in seiner Ausgabe vom 7. Februar. Die UnterstützerInnen der kleinen Socialist Workers Party organisieren sich unter der Homepage www.voteno.ie gegen den EU-Vertrag.

Bereits länger aktiv sind die republikanischen Gruppe und Parteien 32 County Souvereignity Movement, die Provisonal SF-Abspaltung Éirígí und Republican Sinn Féin. Anfang Dezember 2007 erklärte der Vizepräsident von RSF, Des Dalton, dass RSF eine „Kampagne für ein ‚Nein’ bei der nächstjährigen Abstimmung über den EU-Vertrag organisieren“ werde. Er begründete dies damit, da „das ganze EU-Projekt äußerst undemokratisch ist; es unterhöhlt die Rechte von Staaten und gibt die Befugnis zu Entscheidungsfindungen in die Hände nicht gewählter und nicht rechtspflichtiger Beamter“. Das Cover der republikanischen Zeitung Saoirse titelte im Jänner: „Lehnt die EU-Verfassung ab!“ Mitte Jänner 2008 erklärte Ger Forlan von RSF-Leinster abermals: „Unsere Kampagne wird auf der Bewerbung von Souveränität, Demokratie und Neutralität und der Ablehnung der Schaffung des undemokratische, militarisierten EU-Superstaates basieren.“

Ähnliche Kampagnen starteten das 32CSM und Éirígí in den letzten Wochen. In einer Erklärung auf einer Sonderseite der Homepage von 32CSM heißt es: „Gleich, ob es Reformvertrag, Verfassung, Lissabon-Vertrag oder irgendwie anders heißt, die politische Absicht dahinter bleibt dieselbe.“

Die Republikanische Bewegung hat seit 1972 in jedem Referendum über die EU dazu aufgerufen, gegen die EU zu stimmen. Die Losungen sind „Ablehnung des undemokratischen und militarisierten EU-Superstaates“. Stattdessen tritt die Republikanische Bewegung für eine Sozialistische Republik als Teil einer sozialistischen Staatenföderation namens Keltische Liga ein.

Was all diese EU-KritikerInnen in Irland, seien sie nun republikanisch oder nicht, und ihre Kampagnen eint, ist, dass sie sich nicht auf eine Nein-Kampagne reduzieren, wie in Frankreich oder den Niederlanden, sondern eine fortschrittliche Alternative zu Lissabon-Vertrag und EU zu geben versuchen.

Das Ergebnis ist, dass es in den 26 Counties keine Basis für rechte, ausländerfeindliche und anti-islamische EU-Kritik gibt. Die Positionen der fortschrittlichen Bewegung nehmen rechten Versuchen das Wasser weg.

Provisional Sinn Féin ist also nicht die einzige Opposition gegen den EU-Vertrag in Irland.

Abschließend noch eine Bemerkung, zur Methode, einzig die im Parlament der 26 Counties vertretenen Parteien sich anzusehen und darüber zu berichten. Besonders für Irland schließt die Berichterstattung dann schon von vornherein einen großen Teil der irischen Bevölkerung aus. Denn die Republikanische Bewegung lehnt – im Einklang mit den Statuten der IRA – die Vertretungen in Dublin, London und Belfast, als nicht legitim, die Interessen des irischen Volkes zu vertreten, ab. Die Strategie, die der Republikanismus seit der Etablierung des irischen Freistaates Anfang der 1920er Jahre verfolgt, ist die des Abstentionismus. Das bedeutet, dass republikanische Parteien, wie Republican Sinn Féin und bei nächsten Wahlen womöglich auch Éirígí, zwar zu Wahlen kandidieren, ihre Repräsentanten aber nicht in diese Vertretungen entsenden.

1986 gab ein Teil der Führung von Sinn Féin, um Gerry Adams und Martin McGuiness, diese Strategie auf. Seit damals ist Sinn Féin in zwei Teile gespalten. Heute ist die elektorale Basis für die Politik von Adams und McGuiness unter der nationalistischen Bevölkerung in den 32 Counties etwa 40%. Die restlichen 60% unterstützen die abstentionistische Politik.

Dieser essentielle Punkt darf bei Berichterstattung über die irische Inseln niemals außer acht gelassen werden. Und abgesehen davon – auch in Frankreich und den Niederlanden waren es nicht die im Parlament vertretenen Parteien, die das „Nein“ errungen.

Mit solidarischen Grüßen,
Dieter Blumenfeld

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