Geteiltes Ungarn |
Geschrieben von Ralf Leonhard | |
Freitag, 16. März 2007 | |
Die großen Parteien in Ungarn haben keine gemeinsame Basis. Für die rechtspopulistische Fidesz sind die Sozialdemokraten der MSZP verbrecherische Postkommunisten. Und die Fidesz macht sich mit der extremen Rechten gemein, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Mit Neid blicken viele
Ungarn auf Österreich und Deutschland, wo die beiden wichtigsten politischen
Kräfte zusammenarbeiten. In Berlin oder Wien mag das Wirken der großen
Koalitionen nicht immer Anlass zu Begeisterung geben - in Ungarn ist schon ihr
Zustandekommen unmöglich. Seit Ende des Kommunismus haben die
sozialdemokratische MSZP und die rechtspopulistische Fidesz abwechselnd
regiert. Eine Kooperation ist nicht vorstellbar, wo nicht einmal über die
Interpretation der Geschichte Einigkeit herrscht. Derzeit sind wieder die
Sozialdemokraten in einer Koalition an der Macht und versuchen, ein
schmerzhaftes Anpassungspaket durchzuziehen. Die sogenannte Lügenrede von
Premier Gyurcsány hat - zusammen mit unpopulären Sparmaßnahmen - die Nation
weiter entzweit. Vergangenen Herbst witterte Oppositionsführer Viktor Orbán
eine Chance, schon vor den nächsten Wahlen einen Machtwechsel zu erzwingen.
Doch seine Versuche, den Rücktritt des Premiers durch den Druck der Straße zu
erzwingen, schlugen fehl - nicht zuletzt, weil Gewaltexzesse rechtsextremer
Rowdys die Protestbewegung diskreditierten. Orbán hütet sich seitdem, zur
Gewalt aufzurufen. Die unabhängige Kommission, die die Konfrontationen im
September und Oktober 2006 untersucht hat, meint, dass rechtsextreme Gruppen
zeitweise annehmen mussten, die größte Oppositionspartei habe sie nicht nur
ermutigt, sondern unterstützt. Zwar kommt auch Gyurcsány in dem Bericht nicht
gut weg, der Polizei wird exzessive Gewalt gegen Demonstranten vorgeworfen,
doch für die blutige Eskalation wird Fidesz verantwortlich gemacht. Der ehrgeizige Orbán will
nicht bis zu den Wahlen 2010 auf seine nächste Chance warten. So nutzt er jede
Gelegenheit, um erneut zu mobilisieren und Revanche für die erlittenen
Demütigungen zu üben. Orbán drohte in der rechtskonservativen Wochenzeitung Heti
Válasz nicht nur Gyurcsány, sondern der gesamten postkommunistischen Elite
unverhüllt mit strafrechtlicher Verfolgung, wenn er erst wieder an der Macht
ist. Politischer Dialog ist da keine Option. |
< zurück | weiter > |
---|