Betrifft: DAZ |

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Bis dann und auf Wiedersurfen, Eure DAZ-Redaktion |
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Die Rache der Formalverfassung |
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Geschrieben von Partnerpublikation
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Mittwoch, 6. September 2006 |
Kommentar aus akin
Parteien, Listen, Fraktionen, die Summe der Mandatare: Es ist alles eins in Oesterreich. Das freie Mandat der einzelnen Abgeordneten steht eh nur am Papier. Um Parteien, Wahllisten und Fraktionen auseinanderhalten zu koennen, braucht man schon Verfassungsjuristen und selbst die kennen sich nicht aus, weil sich ueber diese Begriffe eine kaum durchdringbare Schicht an Rechtspraxis gelegt hat.
Man erinnere sich an die Aufregung, als das LiF mit seinen Abgeordneten Fraktionsstatus beanspruchte und sich dabei auf die Geschaeftsordnung des Nationalrats berief, die besagt, dass fuenf Abgeordnete ausreichen, um einen Klub zu begruenden. Haider beschwerte sich damals darueber, dass diese Abgeordneten ja nicht als solche gewaehlt worden waeren -- jetzt machte er aehnliches und beschwert sich darueber, dass die Abgeordneten, die er selbst aus der alten FPOe gefuehrt hat, nicht mehr alle Rechte auf jene Liste beanspruchen koennen, mit der sie ins Parlament gekommen sind -- weil die bloederweise von einer anderen Partei (der alten FPOe) auch beansprucht werden.
Politische Parteien sind private Institutionen -- haben also eigentlich mit der Zusammensetzung des Nationalrats nichts zu tun. Wahllisten hingegen sehr wohl, doch die haben formal nichts mit Parteien zu tun. Fraktionen hingegen haben weder mit Parteien noch mit Wahllisten zu tun: Sie bilden sich formal durch freiwillige Assoziation der gewaehlten freien Abgeordneten.
Der Formalismus ist natuerlich graue Theorie und in einzelnen Bestimmungen wird er auch immer wieder faktisch durchbrochen, doch er existiert -- fernab von der politischen Realitaet. Wegen dieser Realitaet nennt man ja auch einen aus einem Klub ausgetretenen Abgeordneten einen "wilden". Das soll wohl soviel heissen wie "vogelfrei", "aussaetzig", "mit Bann belegt" oder sowas -- weil er nicht mehr der Disziplin seiner Partei resp. Fraktion unterliegt und tatsaechlich sein freies Mandat wahrnehmen kann.
Im alltaeglichen politischen Geschehen ohne solche "Betriebsunfaelle" nimmt kein Beteiligter diese Formalismen wahr, die sehr wohl auch als ein Beitrag zur Gewaltentrennung angesehen werden koennten. Genausowenig wie der Unterschied von Parlamentsmehrheit und Regierung ernstgenommen wird. Es heisst, wir haetten "eine Regierung aus OeVP und BZOe" -- aber Parteien regieren nicht, dass tun nur einzelne Regierungsmitglieder resp. diese in ihrer Gesamtheit. Die Parteienzugehoerigkeit dieser Regierungsmitglieder ist diesbezueglich irrelevant. In der Bundesverfassung steht nichts von Parteienregierung -- die Realverfassung allerdings sieht anders aus.
All das faellt aber immer nur dann auf, wenn ploetzlich die heile Welt des Parteienstaates nicht mehr funktioniert. Dann faellt auch auf, dass vorrangig die Bundesregierung zustaendig ist fuer die Bestellung der Wahlbehoerden -- also jenen Organen, die ueber die Ordnungsmaessigkeit von Wahlen befinden sollen, bei denen die Zusammensetzung eben jenes Gremiums bestimmt wird, dass dann der Regierung "vertrauen" soll. Sowas geht solange gut, solange einigermassen von den massgeblichen Politikern demokratische Grundsaetze zumindest insofern beachtet werden, wie dies in buergerlichen Demokratien ueblich ist. Doch selbst wenn dies der Fall ist, reicht es, dass eine Partei sich spaltet -- schon kommt der Rechtsstaat ins Stolpern. Man frage besser nicht, was passiert, wenn dollfuss-aehnliche Figuren in die Regierung kommen.
Die politische Praxis des Parteienstaats ist keine gute. Aber sie ist bequem. Die diesbezueglichen rechtlichen Bestimmungen sind hoechst unsauber und nur deswegen in diesem Zustand, weil sie den Parteien so sehr genehm sind und langerprobt in diesem Staat -- allerdings in einem Staat, der die laengste Zeit durch ein Gleichgewicht rechter und sozialdemokratischer Politiker stabil gehalten wurde, die die laengste Zeit auch noch miteinander koalierten.
Man bedenke jedoch, dass wir den Austrofaschismus auch einigen Verfassungsluecken verdanken, weil sich vorher niemand dafuer interessiert hat -- ausser einem Beamten, der Dollfuss den Tip gab, diese Luecken zu nutzen. Eine saubere Verfassung, die formal "wasserdicht" ist, aber auch gewaehrleistet, dass nicht so einfach eine Realverfassung daruebergelegt werden kann, waere dringend notwendig. Aber solange ein derartiges Desinteresse selbst in einer politisch interessierten Oeffentlichkeit vorherrscht, werden auch die derzeit im stillen Kammerl gefuehrten Verhandlungen zu einer neuen Bundesverfassung wieder nur eine "oesterreichische Loesung" werden. Da darf man sich dann nicht wundern...
Bernhard Redl |
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