Samstag, 24. Januar 2009
 
ÖVP-Basis fordert Wachablöse an der Spitze PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Montag, 29. September 2008

In der ÖVP werden nach der historischen Wahlschlappe die Messer gewetzt. Sollte der Königsmord mißlingen, droht Österreich ein neues Rechtsbündnis.

„Meine erste Reaktion war, das Land zu verlassen“. Bei der Schriftstellerin Marlene Streeruwitz weckte der Rechtsruck bei den Wahlen vom Sonntag Fluchtgedanken. Die Kollegen Robert Menasse und Karl Markus Gauß, Kabarettisten wie Lukas Resetarits, Filmschaffende wie Ruth Beckermann tragen sich zwar nicht mit Auswanderungsplänen, machen sich aber unisono Sorgen um das gesellschaftliche und intellektuelle Klima im Gefolge des Triumphs der Rechtspopulisten.

Die FPÖ Heinz Christin Straches und das BZÖ von Jörg Haider sind die Gewinner der vorgezogenen Nationalratswahlen. Miteinander wären sie mit 29 Prozent zweite Kraft, nur knapp hinter den Sozialdemokraten (29,8%).

Im Bierzelt der FPÖ, zwischen Parlament und Rathaus geradezu programmatisch positioniert, ging es noch hoch her am Wahlabend. Junge Burschen im Yuppie-Look, gereifte Frauen im Dirndl und Männer mit alkoholroten Nasen und fettigen Haaren feierten bei Bier und Würstel den Triumph ihres Tribunen HC Strache. Nur als der kometenhafte Aufstieg Jörg Haiders von vier auf elf Prozent gemeldet wurde, mischte sich etwas Empörung unter die Euphorie.

Deutlich gedämpfter war die Stimmung bei der SPÖ, die ihres Wahlsiegs nicht so recht froh werden kann, ist die Partei doch erstmals unter die 30Prozent-Marke gerutscht. Das Festzelt der ÖVP (25,6%) blieb voll, solange Freibier und Würstel ausgegeben wurden, die Parteigrößen machten sich allerdings rar. Vizekanzler Wilhelm Molterer trat kurz auf, um seine Niederlage einzugestehen, ließ aber nicht erkennen, welche Konsequenzen man aus der Schlappe ziehen wolle.

Auch bei der nachfolgenden Elefantenrunde im ORF ließ sich Molterer nicht aus der Reserve locken. Jede Frage nach anstehenden Weichenstellungen blockte er mit Gemeinplätzen ab: „Zuerst will ich das Wahlergebnis verstehen“. Allfällige Konsequenzen wolle man im Parteivorstand, der für Montag 17:00 einberufen wurde, beraten.

Die ÖVP, die mit fast neun Punkten am meisten verloren hat, bekam vom Wahlvolk eine Schlüsselposition zugewiesen. An ihr liegt es, eine Neuauflage der großen Koalition, die so groß nicht mehr wäre, zu ermöglichen, oder die Politik auf längere Zeit zu blockieren. Die Alternativen wären der Gang in die Opposition oder ein Bündnis mit beiden Rechtsparteien. Beide Varianten sind bei Funktionären und Parteivolk nicht sonderlich populär. In der Opposition fühlt sich die machtbewußte ÖVP nicht wohl. Und die Dreierkoalition mit den verfeindeten Brüdern Strache und Haider birgt in mehrerer Hinsicht unkontrollierbare Sprengkraft. Anders als sein sozialdemokratisches Pendent Werner Faymann hat Molterer die Rechtsallianz nie dezidiert ausgeschlossen. Und sei es nur, um den eigenen Preis bei Koalitionsverhandlungen hochzutreiben.

Es fehlt aber auch nicht an Stimmen, die die große Koalition für abgewählt erklären. Der steirische Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer erinnerte an „die bürgerliche Mehrheit“ im künftigen Parlament und rief noch am Wahlabend zur Koalition mit den Rechtspopulisten auf. Politologe Anton Pelinka findet es etwas skurril, von der FPÖ, „der eindeutig proletarischsten Partei Österreichs“ als bürgerliche Kraft zu sprechen und glaubt auch nicht, dass diese Konstellation regierungsfähig wäre. Schon allein wegen der Personalreserven der Rechten.

Wie es weitergeht, wird aber von der Personalentscheidung bei der ÖVP abhängen. Sonntag abend im Zelt der ÖVP wurden deutliche Rufe nach einem Rücktritt des Gespanns Wilhelm Molterer/Wolfgang Schüssel laut. Und Landwirtschaftsminister Josef Pröll, der sich unter die enttäuschten Anhänger begab, erhielt besonderen Applaus. Er hat mit Werner Faymann als Regierungskoordinator schon gut zusammengearbeitet und wäre der logische Vizekanzler, wenn man mit der SPÖ wieder handelseins wird. Die hohe Anzahl von Vorzugsstimmen, die er in seinem Wahlkreis in Niederösterreich bekam unterfüttert seine bisher erst diskret gezeigten Ambitionen. „Die Koalition alten Stils“ sei eindeutig abgewählt und man müsse die Lehren daraus ziehen“, verkündete er im ORF-Interview: „Einfach so zur Tagesordnung übergehen, geht sicher nicht“. Außerdem warnte er davor, „der Verlockung von rechts“ nachzugeben. Werner Faymann, der rein mathematisch die Möglichkeit einer Koalition mit der FPÖ hätte, bleibt bei seinem Nein zu den Rechtsparteien. Da die Grünen (9,8 Prozent) zu schwach sind, hat er alle seine Karten auf die Wachablöse bei der ÖVP gesetzt.

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