Frauen im Exil. Hgin. Siglinde Bolbecher unter Mitarbeit von Beate
Schmeichel-Falkenberg. Zwischenwelt 9, Theodor mer Gesellschaft, Wien,
Klagenfurt/Celovec 2007. 311 S., Euro 24,00
Dieses Buch über Frauen im Exil schließt wieder eine Lücke in der so spät und widerwillig erfolgten Beschäftigung mit dem Exil – nämlich mit der noch mehr unterdrückten Frage nach den Frauen, die ins Exil getrieben worden sind.
„Es war vor allem Ruth Klüger, … die diesen skandalösen Zustand anprangerte, für beide Länder gleichermaßen“, schreibt Beate Schmeichel-Falkenberg (in ihrem Beitrag Frauenexilforschung – Spurensuche und Gedächtnisarbeit). Und weiter: „Die Germanistik, die Zeitgeschichte, wie die übrigen Wissenschaften, ignorierten weitgehend sowohl das schmähliche Versagen ihrer eigenen Disziplinen unter Hitler wie auch die Geschicke der Verfolgten – derer, die in den düsteren Jahren das bessere Deutschland und das bessere Österreich in der Welt repräsentierten und die deutsche Sprache bewahrten.“ Nun haben hier Wissenschaftlerinnen aus Literatur, Geschichte, Kunstgeschichte, Amerikanistik, Publizistik und Pädagogik die Vielfalt weiblicher Lebensbewältigung im Exil, ihrer widerständigen Kraft, ihrer intellektuellen und künstlerischen Kreativität in sorgfältig forschender Fragestellung ans Licht gefördert. Dargestellt wird ein „internationaler Kosmos des Exils“, der außer den Vertriebenen der Shoa in westliche und östliche Länder, wie die Sowjetunion, auch das „zweite Exil“ in der DDR einschließt.
„Exil als Verlust“, in dem „Frauen in der Bewältigung des Alltags … ihre lebenspraktische Handlungsfähigkeit im Vergleich mit den Männern“ zeigen, ist ein Topos, der uns bekannt ist. Dieser Sammelband, so Siglinde Bolbecher in ihrer Einleitung, erweitert „die Thematik um die Dimension, das ,Exil als Chance’“ zu fassen.“ Dessen scharfe Zäsur ermöglichte manchen Frauen, Schranken der Erziehung oder der Herkunft zu durchbrechen. Erst durch das Exil kamen sie zu ihrer persönlichen Entfaltungsmöglichkeit.
War das Ausmaß des intellektuellen Aderlasses noch viele Jahre nach 1945 mangels intellektuellen Niveaus insbesondere in Österreich nicht erkannt worden, oder wurden gerade deswegen die überlebenden Vertriebenen nicht zurückgerufen, so scheint dies bis heute entgegen gutgemeinten Beteuerungen noch immer nicht wirklich überwunden. Ruth Klüger, die 2003 ein Semester lang die Käthe-Leichter-Gastprofessur in Wien innehatte, sagt über diese Zeit: „Das kollegiale Klima schwankte zwischen eiskalt und gleichgültig“.* Dieses Buch nun unternimmt es aufzuholen, zurückzuholen und das Wissen über Frauen und deren Lebenswege im Exil zu erweitern.
* Dankesrede anläßlich der Überreichung des Käthe-Leichter-Preises 2006 in AUF-Eine Frauenzeitschrift 134, Dez.2006
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