Im Rahmen der „Aktionswoche Lateinamerika/Karibik“, die ein Jahr nach dem überaus erfolgreichen Alternativengipfel „Enlazando Alternativas 2“ an dessen Diskussions- und Informationsprozessen anknüpft, lud der Verein „Viva Amazonía“ am Mittwoch zu einem Film- und Diskussionsabend über die Entwicklungen rund um die Erdölindustrie in Ecuador, die von großteils europäischen und US-amerikanischen Erdölkonzernen verursachten Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen im Amazonastiefland Ecuadors sowie den sich formierenden Widerstand dagegen.
Ecuador, der kleinste Staat der Andenregion Südamerikas, weist trotz seiner vergleichsweise bescheidenen Größe („nur“ ca. dreimal so groß wie Österreich) einen enormen Reichtum an natürlichen Ressourcen und kultureller sowie ökologischer Viefalt auf, das Amazonastiefland im Osten Ecuadors zählt zu den artenreichsten Regionen der Welt. Auch Erdöl zählt zu den wertvollen Ressourcen der Region: nachdem das Land in den 1960er und 70er Jahren einen veritablen Erdölboom erlebte, gilt Ecuador heute als der fünftgrößte Rohölproduzent Südamerikas. Obwohl die Fördermenge im internationalen Vergleich eher gering ausfällt, ist Ecuador aufgrund seiner Auslandsverschuldung in hohem Ausmaß abhängig vom Erdöl, dessen Anteil am Gesamtexport seit 1974 nie unter 40% lag. Das Problem dabei: nur rund ein Fünftel der Einnahmen aus dem Erdölexport bleiben im Land (und selbst dieser geringe Anteil wiederum muß zu rund 80% umgehend zur Bedienung der Auslandsschuld aufgewendet werden). Der weitaus größere Anteil der Gewinne wird von den großteils europäischen und US-amerikanischen Erdölkonzernen, die in der Region mit verheerenden Auswirkungen für die Umwelt und einige vom Aussterben bedrohte Ethnien des Amazonasgebiets operieren. Das Recht indigener Völker auf ihren intakten Lebensraum wird dem aus dem Erdöl gezogenen Profit untergeordnet, durch aus den Pipelines austretendes Öl werden die für das Weltklima so wichtigen Regenwaldgebiete verseucht und zerstört. Außerdem erleichtert die für die Erdölförderung nötige Infrastruktur den illegalen HolzfällerInnen sowie nachkommenden SiedlerInnen das Eindringen in die fragilen Ökosysteme des Urwalds, der in weiterer Folge von Rodung und Errosion bedroht ist und ständig weiter zurückgedrängt wird. KritikerInnen und die lokale Bevölkerung, die gegen die Erdölprojekte protestiert, werden bedroht und eingeschüchtert; das Militär, das mit den meisten Erdölfirmen eigene Verträge hat, wie erst 2005 bekannt wurde, schützt das Eigentum und die Interessen der privaten Unternehmen statt der betroffenen Bevölkerung.
Um auch in Österreich ein Bewußtsein für diese Problemfelder zu schaffen, wurde vor rund zwei Jahren der Verein „Viva Amazonía – Amazonien Solidarität Österreich“ gegründet, der es sich zur Aufgabe macht, angesichts der schwierigen Voraussetzungen nicht in Resignation zu verfallen, sondern vielmehr im Rahmen der Möglichkeiten aktiv zu werden um wichtige Informationsarbeit zu leisten und sich mit anderen mit Menschenrechts- und Umweltproblemen befaßten Organisationen und Initiativen europaweit zu vernetzen. Außerdem ist es dem Verein ein wichtiges Anliegen, die Problematik nicht auf ferne und etwas exotische Länder wie Ecuador zu reduzieren, sondern sichtbar zu machen, wie sehr die Bedrohung des Regenwaldes und die Problematik des Erdöls in engem Zusammenhang steht mit politischen Entscheidungen, die in den westlichen Industriestaaten und somit auch in Österreich getroffen werden und somit auch von Österreich aus (mit-)beeinflußt werden können. Neben dem Sichtbarmachen dieser internationalen Zusammenhänge geht es dem Verein aber auch darum, ein sehr konkretes Spektrum alternativer Handlungsoptionen für jedeN EinzelneN aufzuzeigen, um den persönlichen Energieverbrauch zu reduzieren und einen Teil zur Schonung natürlicher Ressourcen beizutragen.
Dementsprechend wurden bei der Veranstaltung am Mittwoch neben den gezeigten Dokumentationen, die als allgemeiner Einstieg in die Thematik dienten, auch Diskussionsgruppen gebildet, die sich mit mehreren Themenkomplexen befaßten: zum einen mit dem „Fair Oil“ - Konzept, das in etwa dem auf die Erdölindustrie umgelegten „Fair – Trade“ - Gedanken entspricht, außerdem wurde das „Car – Sharing“ - Modell und andere in Österreich anwendbare Strategien zur Reduktion des Individualverkehrs diskutiert sowie das so genannte ITT – Projekt, das der erst seit Jänner 2007 amtierende Präsident Ecuadors, Rafael Correa, kürzlich in die internationale Klimaschutz - Debatte in Zusammenhang mit dem Kyoto – Protokoll einbrachte. Dabei handelt es sich um eine Strategie, den bedrohten Nationalpark Yasuni (Provinz Napo) und die dort lebenden Urvölker dadurch zu schützen, indem man die dortigen Erdölvorkommen nicht fördert, sondern stattdessen in Form von Treibhausgas – Emissionszertifikaten an Industriestaaten verkauft, die ihre im Kyoto – Protokoll vorgeschriebenen Emissionswerte überschreiten. So würde die internationale Gemeinschaft einmal mehr dazu angeregt, ihre Verantwortung für die Erhaltung des lebenswichtigen Regenwaldes im Amazonastiefland wahrzunehmen und das Vorhaben, zumindest für die nächsten 30 Jahre kein Erdöl im Biosphärenpark Yasuni zu fördern, finanziert.
Die Vorschläge Correas lassen zumindest die Hoffnung aufkeimen, dass die derzeitige ecuadorianische Regierung dabei ist, nach Jahrzehnten der Ignoranz einen längst überfälligen Paradigmenwechsel in Fragen der Umweltpolitik zu vollziehen sowie den ambitionierten Versuch unternimmt, die Rechte der indigenen Völker des Amazonastieflands nicht nur in Sonntagsreden zu respektieren. Bleibt nur zu hoffen, dass auch die Industriestaaten ihre diesbezügliche Verantwortung wahrnehmen und dem Schutz der bedrohten Regenwälder in Südamerika und anderswo tatsächlich die nötige Priorität einräumen, die sie nicht nur aufgrund ihrer wichtigen Funktion für das Weltklima – und somit für uns alle – längst haben müssten.