Die Coca-Cola-Morde - the real thing |
Geschrieben von Michael Kresse | |
Dienstag, 27. Februar 2007 | |
Vor einem Jahr untersagte der Stadtrat von Turin den Verkauf von Erzeugnissen der Coca-Cola Company in öffentlichen Gebäuden. Wenig später begann eine weltweite Kampagne gegen Coca-Cola, die mittlerweile auch erste Erfolge im deutschsprachigen Raum erzielt hat. Dieser Artikel bietet einen kleinen Einblick in die Beweggründe der weltweiten Kampagne zum Boykott von Coca-Cola. Es folgten die Ermordungen von José Eleazar Manco David (am 8. April 1994 in Carepa ermordet), Luis Enrique Giraldo Arango (20. April 1994 in Uraba), Luis Enrique Gómez Granados (23. April 1994 in Carepa), Isidro Segundo Gil Gil(5. Dezember 1996 in Carepa), José Libardo Herrera Osorio (26. Dezember 1996 in Carepa), Oscar Darío Soto Polo (21. Juni 2001 in Montería) und Adolfo de Jesús Munera López (31. August 2002 in Barranquilla). Weiters nahm sich am 20. April 1998 Guillermo Gómez Maigual aufgrund seiner Situation auf dem Firmengelände das Leben. Darüber, geschweige denn über die Verwicklungen der Coca-Cola Company (nachfolgend "CCC" genannt) ist weder in der US-amerikanischen noch in der europäischen Presse Nennenswertes geschrieben worden. Die Geschäftsmethoden der CCC wurden nicht in Frage gestellt. So streitet die CCC bis heute jede Verwicklung in die Mordfälle ab, profitiert kräftig von den Morden, verweigert den Opfern jede Unterstützung und brandmarkt - als Gipfel der Dreistigkeit - die Gewerkschaft SINALTRAINAL, die sich mit absolut friedlichen Mitteln für die Rechte der Arbeiter in Kolumbien einsetzt, als eine die Guerilla unterstützende terroristische Vereinigung. Dass die öffentlich dementierte Zusammenarbeit mit den Paramilitärs Methode hat, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Anfang der 1990er Jahre arbeiteten in den verschiedenen Coca-Cola-Niederlassungen Kolumbiens etwas über 10.000 Arbeiter. Sie verfügten alle über unbefristete Verträge und ein durchschnittliches Einkommen von 600-700 US-Dollar, das sind vergleichsweise hohe Löhne. Für Coca-Cola war diese gewachsene Struktur ein Ärgernis, das zu beseitigen war. Heute, nach einer grundlegenden Umstrukturierung des Unternehmens, arbeiten nur noch etwa 2.500 Frauen und Männer für Coca-Cola Kolumbien, aber nur 500 davon haben feste Verträge, weitere 7.500 sind über Subunternehmer beschäftigt. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen beträgt nur noch etwa 150 US-Dollar. Der Weg zu dieser für das Unternehmen viel günstigeren Situation führte über die Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung, die diese Bedingungen zuvor erkämpft hatte und sich auch gegen die Umstrukturierung zur Wehr setzte. Führende Aktivisten wurden ermordet, über 50 Arbeiter mussten ihre Regionen verlassen und über 6.000 der insgesamt 10.000 Beschäftigten wurden während des vergangenen Jahrzehnts ausgetauscht. Vor rund drei Jahren reiste ein Team der alternativen Berliner Gruppe "Kanal B" unter der Leitung von Barbara Schönafinger nach Carepa, um die Hintergründe der Ermordung von Isidro Segundo Gil zu untersuchen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wurden in einem 50-minütigen Film zusammengefasst und sind erschütternd. Die Recherchen zeigen, mit welcher - für Europäer des 21. Jahrhunderts unvorstellbaren - Brutalität und Unverfrorenheit einzelne Führungskräfte von Coca-Cola handeln. Besonders hervorzuheben ist Richard Cirby, der Geschäftsführer der Abfüllanlage in Carepa. Der Film zeigt, wie die Paramilitärs in Kolumbien agieren und wie sie dabei die Unterstützung der lokalen Sicherheitskräfte genießen. Belegt ist auch, dass - zumindest in Carepa - die Mörder direkt von Coca-Cola bezahlt werden und völlige Straffreiheit genießen. Die Ermordung von Isidro Segundo Gil war dabei nicht die einzige, die während Tarifverhandlungen und auf dem Werksgelände einer der insgesamt 20 landesweiten Abfüllanlagen stattfanden. In der Folge gab man den übrigen Arbeitern in Carepa eine sehr knappe Frist, um aus der Gewerkschaft auszutreten, wenn sie nicht dasselbe Schicksal ihres ermordeten Kollegen erleiden wollten, während die verbliebenen Leute der lokalen Gewerkschaftsführung Hals über Kopf fliehen mussten. Bis heute weigert sich Coca-Cola, die Morde untersuchen zu lassen; umso größer war der Erfolg, als es gelang, Ende 2005 das erste von bis heute zwei Tribunalen zur Untersuchung der Vorwürfe gegen Coca-Cola wie auch gegen die ebenfalls in Mordfälle und schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelten Unternehmen Nestlé und Chiquita zu beginnen. Dabei ist Coca-Cola sicher nur ein Teil eines menschenverachtenden Systems und sicher auch nicht dessen Urheber. Doch das Image als "Freund der Fußballfans", das Coca-Cola in vielen Ländern kreiert hat, wirkt wie blanker Zynismus, wenn man weiß, wie die CCC in Kolumbien und anderen Ländern Freiheit und Menschenrechte mit Füßen tritt. Ziel der weltweiten Kampagne zum Boykott ist nicht in die Zerschlagung des Unternehmens. Sie fordert von Coca-Cola: * sich öffentlich von den Aktionen der Paramilitärs gegen die Gewerkschaft SINALTRAINAL zu distanzieren, * die Verleumdungsklagen gegen SINALTRAINAL zurückzuziehen und keine weiteren Verfahren dieser Art gegen die Gewerkschaft anzustrengen, * direkt mit SINALTRAINAL zu verhandeln und mit unparteilicher Vermittlung über die Ereignisse in Kolumbien und eine Lösung zu sprechen, * Menschen- und Arbeitsrechte weltweit zu achten und Entschädigungszahlungen an die Betroffenen zu leisten. Weitere Informationen: * Der Film zu den Hintergründen der Ermordung von Isidro Segundo Gil: www.kanalb.org * Öffentliches Tribunal zur Untersuchung der Anschuldigungen gegen Coca Cola: http://tpp.revolt.org * Informationspaket der Berliner Kolumbien-Kampagne in deutscher Sprache: www.labournet.de/internationales/co/cocacola * Die betroffene Gewerkschaft SINALTRAINAL: www.sinaltrainal.org * Interview des Kolumbienexperten Dario Azzellini mit einem betroffenen Gewerkschafter: www. labournet.de/internationales/co/cc-dario.html |
< zurück | weiter > |
---|