Samstag, 24. Januar 2009
 
Justizminister in Ungarn nach Polizeiskandal gefeuert PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Donnerstag, 24. Mai 2007

Vergewaltigung im Streifenwagen, die vier Polizisten vorgeworfen wird, hat eine Säuberungswelle im ungarischen Sicherheitsapparat ausgelöst. Prominentestes Opfer ist Justizminister Jószef Petrétei, der am vergangenen Wochenende von Ministerpräsident Gyurcsány gefeuert wurde. Neben ihm mussten auch der Kommandant der Budapester Polizei, der Chef der Landpolizei und fast die gesamte Kommandoebene der Exekutive den Hut nehmen. Denn eine ganze Serie von Skandalen im Polizeidienst ließ sich nicht länger vertuschen.

Übertriebene Brutalität gegenüber Demonstranten hatte die ungarische Polizei in den vergangenen Monaten wiederholt ins Gerede gebracht. Verglichen mit anderen Verfehlungen und Verbrechen, die in den letzten Wochen bekannt wurden, erscheinen diese Übergriffe gegen rechte Randalierer harmlos. Besondere Empörung löste der Fall einer jungen Frau aus, die im Zuge einer Alkoholkontrolle in der Budapester Innenstadt in eine dunkle Nebengasse gebracht und im Polizeiauto zum Oralsex gezwungen worden sein soll. In der Polizeikommandantur versuchte man die Schuld bei angeblichen "falschen Polizisten" zu suchen, ehe sich die offensichtliche Stichhaltigkeit der Vorwürfe herausstellte.

Auch sonst haben die Ungarn Grund, sich vor ihrer Polizei zu fürchten. In Budapest verhinderten Polizisten einen Bankraub durch Erschießen des Täters. Dann griff während der Sicherungsarbeiten ein uniformierter Kollege in die Kassa und steckte umgerechnet etwa 2000 Euro ein, was durch die Videokamera dokumentiert wurde. Gute Geschäfte machten auch Verkehrspolizisten in der Provinzstadt Miskolc, die Provision kassierten, wenn sie bei jedem Verkehrsunfall ein bestimmtes Abschleppunternehmen herbeiriefen.

Im Korruptionssumpf stecken auch Mitarbeiter des Geheimdienstes, die hinter der Fassade einer gemeinnützigen Stiftung zollfreie Lebensmittel importierten und an den Großhandel verkauften. Für den Kriminalexperten Géza Finszter, der in der ungarischen Presse zitiert wird, sind die Missstände damit zu erklären, dass Polizei und Geheimdienst die Strukturen der Diktatur beibehalten hätten. Die Geheimpolizei kontrolliere die Gesellschaft, ohne selbst einer Kontrolle zu unterliegen und die Polizisten verwechselten Strenge mit Brutalität. Ein Relikt aus der alten Zeit ist übrigens auch der abgetretene Justizminister Petrétei, dem Historiker jüngst nachwiesen, er habe vor der Wende an der Universität seine Kollegen bespitzelt.

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