Samstag, 24. Januar 2009
 
Linksprojekt schon gescheitert PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Gruppe Klassenkampf   
Donnerstag, 24. Juli 2008

Verantwortungslos sei ein überstürztes Antreten zu Wahlen, ohne Programm und Strategie, meint die Gruppe Klassenkampf.

Erklärung der Gruppe Klassenkampf zum Antreten der „Linke" bei der Nationalratswahl 2008

Überrumpelt vom frühzeitigen Neuwahltermin beschloss das „Linksprojekt" am 19. Juli 08 völlig überstürzt und ohne eine gemeinsame politische Grundlage als Wahl werbendes Bündnis mit dem Namen „Linke" zu kandidieren.

Bedauerlicher Weise haben auch zwei Gruppen, die sich auf den Trotzkismus berufen, die LSR und die SLP, dieses Vorgehen nicht nur begrüßt, sondern vehement vertreten. Es gibt bis jetzt weder ein an ein Wahlprogramm erinnerndes Papier, geschweige denn ein Parteiprogramm. Letzteres sei auch nicht nötig, da sich dieses Projekt nicht als neue Partei, sondern vorerst als ein Wahlbündnis verstehe, hört man. Andere wiederum meinen, dass die Linke eine ganz neue, ganz andere Partei sein werde. Nicht einmal über diesen Punkt einig, bittet die SLP trotzdem schon seit 21.07.08 um Unterstützungserklärungen für ein Projekt, von dem niemand sagen kann, für was genau es eigentlich stehen wird!

Die SLP beharrt nicht auf einem sozialistischen Programm, wünscht sich aber eines. Manche wollen den Neoliberalismus bekämpfen. Die LSR will die Überwindung des Kapitalismus und die Enteignung der „oberen 10.000". Wieder andere wollen von Wörtern wie Revolution nichts hören, denn dieses würde den Leuten Angst machen. Während eine VertreterIn der Liste "Linke" meint, dass es nicht stimmen würde, dass es kein Programm gebe und dabei auf das Programm der Europäischen Linkspartei(?) verweist, sagt ein anderer Anhänger dieses Projekts, dass es sich eben um ein offenes Projekt, um einen offenen Prozess, ohne fertiges Programm handele. Es sei ein Versuch, wenn dieser misslinge, gebe es ohnehin kaum negative Konsequenzen (sic!). Prinzipiell existiere eine "Linke" und gleichzeitig dazu soziale Ungerechtigkeit. Allein aus dieser Tatsache heraus hätte die "Linke" ein Programm.

Die Frage, ob die „Linke" Österreich weit zur Wahl antreten wird oder nur in Wien, ist auch noch nicht geklärt. Ebenso unklar ist die Finanzierung des Wahlkampfes. Auch gibt es noch keine SpitzenkandidatIn. Eigentlich gibt es bis jetzt nur einen Namen, den Wunsch zu kandidieren und das "Wissen" darüber, dass „Linke" sowieso ein Programm hätten. Außerdem könne man das Programm einer anderen „linken" Partei abschreiben und etwas akzentuieren. Am Besten das einer Partei bei der man schon am Namen erkennen kann, dass sie „links" ist, nicht wahr? Für die, die das immer noch nicht überzeugt, wird ein "ganz konkretes Themenwahlprogramm" in den Raum gestellt. Dieses liegt bislang zwar noch nicht so konkret vor, aber mit ein bisschen Vertrauen und einer Prise Zuversicht dürfen wir seit gestern Unterstützungserklärungen unterschreiben...!?

Für Diskussionsbedarf und Zündstoff bei internen Auseinandersetzungen ist also gesorgt und es ist ein offenes Geheimnis, dass hier Leute zusammen arbeiten "wollen", die sich bereits jahrelang befehden. Unter anderen hat auch die Kommunistische Initiative maßgeblich für die Konferenz am 19. Juli mobilisiert und wird sicher versuchen, ihr traditionalistisch-stalinistisches Programm in die „Linke" einfließen zu lassen. Zusätzlich muss festgehalten werden, dass wenn sich auch am 19. Juli ein Vertreter von ATGF Tirol und ein Sprecher der SJ Schwechat positiv zum Wahlbündnis äußerten, bei beiden bundesweiten Konferenzen des „Linksprojekts" ein breiteres Interesse seitens organisierter KollegInnen aus den Gewerkschaften, der Sozialdemokratie und dem Bereich der MigrantInnen nicht erkennbar wurde. Eine Situation wie in Deutschland, wo es vor der Gründung der WASG sichtbare Tendenzen zur Abspaltung von der Sozialdemokratie gab, ist nicht in Sicht.

Wir halten eine Kandidatur unter solchen Bedingungen für aberwitzig, verantwortungslos und auch für gefährlich. Anstatt sich Zeit zu nehmen ein Konzept für ein gemeinsames Auftreten in Kampagnen (z.B. gegen die Teuerungen) zu entwickeln, fantasieren manche von einem Fenster, das sich jetzt öffne, aber bald wieder schließen würde und treiben dieses Projekt in eine Wahl ohne dafür vorbereitet zu sein. Gerade die erfahrenen Kader verschiedener Organisationen hätten ihrer Pflicht nachkommen und vor diesem unsinnigen Voluntarismus warnen müssen. Korrekter Weise sei hier angemerkt, dass es solch verantwortungsbewusste KollegInnen durchaus gab. Diese unterlagen aber einer euphorischen Stimmung, welche bewusst von Kadern der SLP und LSR gefördert wurde. Allerdings wäre es auch falsch zu behaupten, dass die beiden genannten Gruppen das Ergebnis durch numerische Übermacht erzwungen hätten. Die Bereitschaft für eine kopflose Kandidatur war im überwiegenden Ausmaß vorhanden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Bündnis noch vor der Wahl zerstreiten wird, ist bei der Fülle an offenen Fragen nicht gering! Jetzt eine Kandidatur hinaus zu posaunen und noch vor der Wahl zu scheitern, würde Spott und Häme der rechtsextremen FPÖ, der politisch durch und durch verkommenen sozialdemokratischen Spitzen in Partei und Gewerkschaft provozieren und - schlimmer noch - die „Linke" in den Augen vieler Lohnabhängigen, MigrantInnen und Jugendlichen lächerlich machen. Eine weitere Zusammenarbeit in Kampagnen nach der Wahl würde somit erschwert oder vielleicht ganz und gar verunmöglicht werden. Wir sehen die Gefahr, dass viele Menschen, die eine Alternative zum kapitalistischen System und seiner Politik suchen, in eine neue reformistische Sackgasse geführt werden. Vor allem stellt sich eine Frage: Wodurch unterscheidet sich die „Linke" eigentlich von der Kandidatur der KPÖ? Etwa nur dadurch, dass letztere wenigstens über ein (falsches) reformistisches Programm verfügt?

Wir lehnen die Kandidatur der Liste „Linke" unter diesen Voraussetzungen ab und warnen davor, Illusionen in ein solches Projekt zu fördern.

Gruppe Klassenkampf Wien, 22.07.08

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