Nicht nur penetrante Österreich-Patrioten, sondern auch deklarierte Neo-Nazis bestimmten das Bild der jüngsten Anti-Lissabon-Vertrag-Demo. Die Veranstalter ignorierten das, die Polizei kümmerte sich lieber um die Linken.
Am Samstag, dem 29.März organisiert die Plattform
'Neutralität retten: Nein zum EU-vertrag' ihre Demo und Kundgebung. Die
Teilnahme - aus mehreren Bundesländern - ist rege. Am Ende werden es
etwa 7000 Personen sein (die Polizei spricht von 5000 - was mir als eine
zu geringe Schätzung erscheint). Unterschiedliche Gruppierungen sind zu erkennen. Die Stimmungslage ist 'vage', vordergründig 'unpolitisch' (gegen 'die in Brüssel' und die 'da oben').
Bereits bei der Oper um 13:00 bietet sich allerdings ein gespenstischer
Anblick: ein klar zu erkennender Neonazi-Block hat Aufstellung
genommen. Dunkel bzw. schwarz gekleidet - sozusagen ein brauner
'schwarzer Block' - schart sich um das Transparent 'Wir sind das
Volk'. Gipfel der Provokation: Ein riesiges Transparent in 'gotischer'
Schrift 'Freiheit für Gerd Honsik' (den wegen Wiederbetätigung
einsitzenden Neonazi). Obwohl sichtbar bis zum Geht-Nicht, schreiten
weder der OrganisatorInnen der Demo, noch die Exekutive ein. Vor dem
Hotel Sacher - also dort, wo 1965 der Antifaschist Ernst Kirchweger
von einem Neonazi ermordet wurde - platzt mir der Kragen. Ich mache -
als Beobachter der Demo und als Journalist - einen Einsatzleiter der
Exekutive auf den rechtsextremen Mummenschanz aufmerksam. Er erklärt
sich zuerst für 'nicht zuständig', verweist auf die 'Meinungsfreiheit,
telephoniert mit einem Höhergestellten.... Es passiert nix. Der Block
der Neonazis ist inzwischen größer geworden (mindestens 50 Leute) und
skandiert - in typisch sozialdemagogischer Manier (siehe ihre
Unterwanderung der Anti-Hartz IV-Proteste in der BRD) lauthals: 'Gegen
System und Kapital: Widerstand NATIONAL!
Mir läuft einer der Organisatoren der Demo über den Weg: Peter Weish,
den ich sehr gut aus der Hainburg-Besetzung kenne und mache ihn auf die
Nazi-Provokation aufmerksam. Er tut nix und argumentiert sogar, daß die
'Bewegung eben breit sei' (sic!). Die Neonazis können ungehindert bis
zum
Stock-im-Eisen-Platz mitmarschieren und weiter ihren brauen Sud im
Umlauf setzen.- Bei der Abschlußkundgebung am Stock-im Eisen-Platz
macht sich eine Gruppe junger Leute über den penetranten
Austro-Patriotismus lustig: 'Heimat im Herzen - Scheiße im Hirn'.
Sofort (!) greift die Exekutive ein, hält sie fest, nimmt Personalien
auf... Erneut mache ich einen Einsatzleiter der Exekutive auf das
'geteilte Recht' aufmerksam. Vergeblich.... Zum Charakter von
'Neutralität retten: Nein zum EU-Vertrag' Die HauptrednerInnen der
Kundgebung argumentierten im Wesentlichen formal demokratisch:
Notwendigkeit einer Volksabstimmung - wenn auch stark nationalistisch:'
die da in Brüssel', 'Zwangsdiktat'.
Weder bei den Reden, noch bei den Transparenten gab es fortschrittliche
Positionen, etwa die Gefährdung der sozialen Rechte, des
Streikrechts... Politisch dumpf (anders etwa als bei den großen Demos
gegen Hainburg oder Zwentendorf) wurden 'Volksverräter' angeprangert.
Kein Wunder, daß Haider, Westentaler, Strache & Co. mit von der
Partie waren.
Politische Schlussfolgerungen: Fatal wäre es, aus dem schrecklichen
Umstand, dass rechtsextreme Rattenfänger sich breit zu machen
versuchen, zu schließen, dass man/frau von dem Thema EU-Vertag 'nun
die Hände lassen muß' um mit den neoliberalen Apologeten mitzuheulen.
Solch ein politischer Kotau vor dem Establishment wäre ein Bärendienst
und würde den Rechten und Rechtsextremisten geradezu in die Hände
spielen: Sie könnten sich dann zum Artikulator der ja durchaus
berechtigten Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsteile aufschwingen.
Ganz im Gegenteil, ist es daher nötiger denn je, das Thema
FORTSCHRITTLICH, LINKS zu besetzen: VOLXABSTIMMUNG, weil so eine
kardinale Frage wie der EU-Reformvertrag (de facto eine Verfassung) nur
vom 'Souverän', also der Bevölkerung und nicht bloß vom Parlament
entschieden werden darf; und klare inhaltliche Positionierung: 'Nein
zum Europa der Konzerne und Generäle', also Nein zu Sozialabbau,
Gefährdung des Streikrechts, Militarisierung und Krieg (Tschad!). Und
JA zu einem Europa 'von unten' - einem sozialen, solidarischen Europa
ohne Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Genauso wird unser AKTIONSTAG
am 5.April aussehen (Treffpunkt 13:00 Wien-Westbahnhof, gemeinsamer
Zug zum Parlament; 15h Menschenkette )!
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