Im Mai 2008 wird in Lima, Peru, Enlazando Alternativas 3
stattfinden, als nächster Schritt zur Vernetzung zwischen europäischen und
lateinamerikanischen sozialen Organisationen.
Zum dritten Mal seit 2004 werden wir in Lima/Peru im Mai
2008 den Alternativengipfel “Enlazando Alternativas 3” (Alternativen
verknüpfen) durchführen, der von verschiedenen sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen aus Europa, Lateinamerika
und der Karibik getragen wird. Dieses Treffen begreift sich als ein
Gipfeltreffen der Völker beider Kontinente. Es wird parallel zum fünften
Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas und der Karibik
(LAC) und der Europäischen Union (EU) stattfinden, welches das wichtigste Forum
für die Vertiefung der politischen Beziehungen zwischen den Regierungen beider
Kontinente darstellt. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen, vor deren
Hintergrund diese beiden Aktivitäten stattfinden, sind zweifellos von
herausragender Bedeutung für die Zukunft der Menschen in unseren beiden Regionen.
In Lateinamerika und der Karibik haben es die sozialen
Bewegungen – u.a. indigene Gemeinschaften, Gewerkschaften, MigrantInnen-,
Jugend- und Frauenorganisationen, afrolateinamerikanische Gemeinden,
UmweltaktivistInnen und viele andere – geschafft, in verschiedenen Ländern die
(schlimmsten) Auswirkungen der in den neunziger Jahren angewandten Wirtschafts-
und Sozialpolitiken zu bremsen. Diese als Umsetzung des 'Washington Consensus'
bekannten so genannten “Reformen” hatten Krisen, Armut, sowie die
Privatisierung und Transnationalisierung unserer Gesellschaften zur Folge.
In den letzten Jahren haben sich die breitgefächerten
sozialen Bewegungen des lateinamerikanischen Kontinents auf verschiedenste Art
und Weise gefestigt und gestärkt. Gleichzeitig haben sie eine Vielzahl
verschiedener alternativer Erfahrungen gemacht und Projekte vorangebracht.
Beispiele dafür sind die Kämpfe der ländlichen Bewegungen um
Ernährungssouveränität, die der indigenen Bevölkerung um Land und natürliche
Ressourcen, die der ArbeiterInnen für gerechte Löhne und soziale Rechte, die
der Frauen, die Kämpfe gegen Straflosigkeit oder die der lateinamerikanischen
MigrantInnen in den USA um die Anerkennung ihrer Rechte. Neben weiteren
Errungenschaften, hat dies in verschiedenen Ländern dazu geführt, dass
politische VertreterInnen, die in verschiedenen Ausmaßen mit dem Streben nach einem
sozialen Wandel identifiziert werden, an die Regierung gekommen sind.
Demgegenüber ist der Kampf gegen die Kriminalisierung von sozialen Protesten
seitens einiger Regierungen der Region verstärkt als weiteres Konfliktfeld
hinzugekommen.
In der EU ist die gegenwärtige Situation durch einen
Frontalangriff gegen die Gesamtheit an Rechten und Errungenschaften im
wirtschaftlichen, politischen, sozialen und Umweltbereich geprägt, die die
Bevölkerung des “alten Kontinents” in jahrelangen Kämpfen durchgesetzt hat.
Speerspitze dieser Offensive ist eine vom Großkapital
(den transnationalen Unternehmen, dem Finanzkapital und den europäischen
Regierungen) verfolgte Strategie, die in einem ersten Schritt im
Verfassungsvertrag der EU – der ja 2005 als Ergebnis der Volksabstimmungen in
Frankreich und Holland verworfen wurde – ihren Niederschlag gefunden hatte.
Heute wird versucht, diese Strategie durch einen neuen EU-Reformvertrag
(‚Vertrag über die Arbeitsweise der Union') und die in der so genannten ‚Lissabon-Agenda'
festgeschriebenen Orientierungen voranzutreiben.
Auch in dem EU-Strategiepapier „Ein wettbewerbsfähiges
Europa in einer globalen Welt” werden die Zielsetzungen und Ausrichtungen einer
neuen EU-Handelsstrategie deutlich benannt: Zur Stärkung der globalen
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Konzerne wird in Verbindung mit einer
Binnenmarktoffensive auf eine aggressive Außenhandelspolitik gesetzt – auf
Kosten der Bevölkerung und der Umwelt in Europa und im Globalen Süden.
Dieser Offensive setzen die sozialen Bewegungen und
Organisationen verschiedenste Widerstandsformen entgegen. Beispiele dafür sind
der Widerstand gegen die Bolkestein-Richtlinie, die eine besondere Gefahr für
öffentliche Dienstleistungen und Arbeitsrechte darstellt, die Kämpfe gegen den
Krieg, gegen den wachsenden Militarismus, gegen die Festung Europa, die
ImmigrantInnen die Türe verschließt oder gegen den Klimawandel. Besonders
genannt werden müssen an dieser Stelle auch die Demonstrationen gegen die
zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelt und die Politik der sozialen
Ausgrenzung in ganz Europa.
Wir alle in Europa, Lateinamerika und der Karibik sind
von den Auswirkungen des so genannten globalen Kapitalismus betroffen. Dieser
findet insbesondere in den vielen Abkommen zur Liberalisierung des Handels und
von Investitionen seinen Ausdruck – Instrumente, die der Festigung und
Vertiefung der Privilegien des Kapitals gegenüber den Rechten der Bevölkerung
dienen. Das Europa des Kapitals und seine Regierungen verfolgen hiermit eine
Politik der 'reconquista' (Wiedereroberung) Lateinamerikas, genau zwei Jahrhunderte
nach dem Beginn der lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriege.
Unter dem beschönigenden Titel “Assoziationsabkommen über
Wirtschaft und Zusammenarbeit” verhandelt die EU gegenwärtig neue Freihandels-
und Investitionsschutz- abkommen mit der Andengemeinschaft, mit
Zentralamerika und mit der Karibik. Gleichzeitig möchte sie die diesbezüglichen
Verhandlungen mit dem Mercosur wieder aufnehmen. Wie mit den bereits
abgeschlossenen Abkommen mit Mexiko und Chile praktiziert, will die EU auf
diese Weise die Vormachtsstellung ihrer transnationalen Unternehmen in der
Region ausweiten.
Angesichts dessen setzen wir, wie schon in Guadalajara,
Mexiko (2004), und Wien, Österreich (2006), auf neue solidarische Bündnisse
zwischen den Menschen in Lateinamerika und der Karibik und in Europa. Wir
wollen einen gemeinsamen Raum des politischen Austausches und der Mobilisierung
beider Regionen aufbauen und vertiefen, der die gegenwärtigen Kämpfe und
alternativen Ansätze verbindet, gleichzeitig die soziale Unzufriedenheit
sichtbar macht und damit öffentlichen Druck von Unten schafft. Wir verbinden
die Kraft unseres Widerstandes mit der anderer Bewegungen, die versuchen, die
neoliberale Politik, die in beiden Kontinenten angewandt wird, abzuschaffen.
Wir schlagen vor, eine Agenda aus gemeinsamen Projekten
und Alternativen zu formulieren, die die besten Vorschläge der sozialen
Bewegungen aufnimmt. Wir setzen auf eine hohe Beteiligung der Bevölkerung bei
der Verbreitung und Diskussion der Themenbereiche, die der offizielle Gipfel
ansprechen wird, um diesem eine kritische Stimme entgegenzusetzen.
Im Mai 2008 wird es in Lima nicht nur viel Raum für eine
kritische Analyse der Beziehungen zwischen Lateinamerika und der EU,
einschließlich der Assoziationsabkommen, des Verhaltens multinationaler Konzerne,
des Militarismus und der Kriminalisierung von sozialen Bewegungen in beiden
Kontinenten geben. Darüber hinaus wird gleichzeitig ein Tribunal durchgeführt
werden, um das Machtsystem der europäischen transnationalen Konzerne in
Lateinamerika und der Karibik sowie in Europa selbst zu analysieren, anzuklagen
und zu verurteilen.
Die OrganisatorInnen des Alternativengipfels 'Enlazando
Alternativas 3' laden alle Mitglieder sozialer Netze und Bewegungen ein, nach
Lima zu kommen, um dort aktiv und solidarisch an den Diskussionen über eine
neue Form einer transatlantischen Allianz, die auf den Menschenrechten, dem
Selbstbestimmungsrecht der Völker, der partizipativen Demokratie, der sozialen
Gerechtigkeit und dem Frieden basiert, teilzunehmen.