Mehrere Dörfer auf der philippinischen Insel Mindanao wurden Montag vor
Morgengrauen von islamischen Rebellen militärisch besetzt, Geschäfte
und Banken in Brand gesteckt. Die Regierungsarmee, die die Angreifer
der Moro Islamic Liberation Front (MILF) teilweise in Straßengefechten
zurückschlagen konnte, meldete 24 gefallene Zivilisten. Über Verluste
auf Seiten der Aufständischen und der Soldaten gibt es keine
zuverlässigen Angaben. MILF-Sprecher Eid Kabalu machte einen
abtrünnigen Kommandanten für die Attacken verantwortlich.
Kabalu hat Ende Juli gemeinsam mit Regierungsvertretern eine Absichtserklärung unterzeichnet, die die Aufgabe des bewaffneten Kampfes gegen die Erweiterung der muslimischen Autonomiegebiete in Aussicht stellt. Die MILF ist eine Abspaltung der Moro National Liberation Front (MNLF), die 1996 den Kampf einstellte, als die Regierung eine Teilautonomie in einigen Provinzen Mindanaos und kleineren Inseln im äußersten Südwesten des Archipels umsetzte. Seit fünf Jahren gilt eine fragile Waffenruhe. Friedensgespräche unter Vermittlung Malaysias drohten immer wieder zusammenzubrechen. Denn die MILF, die sich in ihrer Skepsis bestätigt fühlt weil die rund vier Millionen (fünf Prozent der Bevölkerung)Muslime noch immer mehrheitlich in Armut und Ausgrenzung leben, traut der Regierung nicht über den Weg. Die Öffentlichkeit wurde denn auch von der Einigung vom 28. Juli überrascht.
Das Abkommen mit der rund 11.000 Mann starken Rebellenfront wurde allerdings bereits am 4. August vom Obersten Gerichtshof suspendiert. Christliche Dorfgemeinschaften aus den betroffenenen Gebieten, die um ihre Rechte unter der muslimischen Autonomieherrschaft fürchteten, hatten das Höchstgericht wegen Verfassungswidrigkeit des Plans angerufen. Daraufhin eskalierte die militärische Lage in der Zentralregion der Insel Mindanao. Die Armee setzte Artillerie und Luftwaffe ein, um die Rebellen abzudrängen und hinterließ zurückeroberte Dörfer in Schutt und Asche. Rund 160.000 Menschen – Christen und Muslime - verließen fluchtartig ihre Häuser.
Die Regierung hat zur Verschärfung der Lage einiges beigetragen. So wurde der Inhalt des Autonomieplans bisher nicht veröffentlicht. Es ist die Rede von verstärkter Teilhabe an der Nutzung der reichen Bodenschätze und der Einrichtung von Scharia-Gerichtshöfen. Sicher ist, daß die Umsetzung der Autonomielösung eine Verfassungsänderung bedingen würde, die durch Volksabstimmung abgesegnet werden müßte. Oppositionelle Gruppen zweifeln daher an der Lauterkeit der Absichten von Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo. So die ökumenischen Friedensplattform Initiatives for Peace in Mindanao (InPeace), die Montag in einem Kommunique eine weit verbreitete Deutung der Ereignisse wiedergab: “Arroyo zwingt das Abkommen dem philippinischen Volk auf, um ihre eigene politische Kontrolle endlos zu verlängern, und nicht, um die Autonomie der Muslime zu fördern”. In der Tat hat Arroyo bereits durchblicken lassen, sie wolle bei der Verfassungsreform auch ihr lange gehegtes Lieblingsprojekt aufs Tapet bringen: die Umwandlung der Philippinen von einer Präsidialrepublik in eine parlamentarische Demokratie. Nach zwei Amtszeiten kann sie nämlich nicht mehr für das Präsidentenamt kandidieren. Aber als Premierministerin könnte sie weiter die Geschicke des Landes bestimmen.
Macapagal, die mit der Unterstützung einer kleinen Gruppe von Großgrundbesitzern und Unternehmern regiert, hat ihre Wiederwahl 2004 nur dank offener Manipulation durchgesetzt. Ihre Menschenrechtsbilanz ist verheerend. Auf der Skala der Korruptionsüberwachungsvereinigung Transparency International rangierten die Philippinen 2007 auf dem 131. von 179 Plätzen.
Auch die Rolle der USA gibt Rätsel auf. Obwohl die MILF auf der Liste terroristischer Organisationen steht, gab Washington nicht nur grünes Licht für die Autonomie der Islamisten, sondern verlieh der Unterzeichnung des Rahmenabkommens durch die Gegenwart von Botschafterin Kristie Kenney sogar seinen offiziellen Segen. MILF-Verhandlungsführer Eid Kabalu berichtete anschließend, die Diplomatin hätte seine Zustimmung zu Militärbasen im Autonomiegebiet eingeholt. Schon seit Jahren sind US-Truppen im Rahmen von Dauermanövern auf Mindanao präsent. Seit der Schließung der Marinebasis Subic Bay und des Luftwaffenstützpunkts Clark Air Base auf der Hauptinsel Luzon in den 1990er Jahren haben die Vereinigten Staaten aber keine feste Basis mehr auf den Philippinen.
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