Samstag, 24. Januar 2009
 
EU-Arbeitszeitrichtlinie: Auf dem Weg zur 65-Stundenwoche! PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Werkstatt Frieden & Solidarität   
Donnerstag, 19. Juni 2008

Die von den EU-Arbeits- und Sozialministern vorgelegte EU-Arbeitszeitrichtlinie weist, so die Werkstatt Frieden & Solidarität, sozialpolitisch ins 19. Jahrhundert zurück.

- Die Wochenarbeitszeit soll 60 Stunden betragen können (im Fall von Tarifregelungen sogar darüber), im Fall von Bereitschaftsdiensten darf die Wochenarbeitszeit 65 Stunden dauern.
- Der Durchrechnungszeitraum wird auf 12 Monate ausgedehnt, sodass der Flexibilisierung und überlangen Tages- und Wochenarbeitszeiten Tür und Tor geöffnet werden.
- Das sog. "opt-out" für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden soll beibehalten werden. D.h. die Arbeitgeber können Druck auf den/die einzelnen Arbeitnehmer/in ausüben, einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit über 48 Stunden einzelvertraglich zuzustimmen.
- Der inaktive Teil der Arbeitsbereitschaft soll nicht mehr als Arbeitszeit gelten. Damit wird "auf EU-Ebene eine Tür geöffnet, dass Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein müssen, ohne dass es als Arbeitszeit zählt", kritisiert dazu der stv. Direktor der Österreichischen Ärztekammer, Lukas Stärker.

Arbeitszeit immer länger

Für die Werkstatt Frieden & Solidarität zeigt die EU-Arbeitszeitrichtlinie einmal mehr, dass die EU-Ebene den Regierungschefs und Konzernen als Instrument dient, um soziale Errungenschaften auf nationalstaatlicher Ebene auszuhebeln. Die ArbeitnehmerInnen und sozial schwache Gruppen sind die großen VerliererInnen des EU-Beitritts. Seit dem EU-Beitritt ist in Österreich nicht nur die Lohnquote (Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen) um über 6% gesunken, auch die reale Arbeitszeit hat sich seither deutlich erhöht. Die reale durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Vollzeiterwerbstätigen stieg von 41,3 Stunden (1995) auf 44,1 Stunden (2006). Alleine im Zeitraum 2004 bis 2007 stieg die Zahl der regelmäßig Überstunden leistenden ÖsterreicherInnen um 26,8% auf 822.000 Menschen. Das gesamte Überstundenvolumen entspricht einem Arbeitskräftepotential von 190.000 Vollzeit- Arbeitskräften.

Burn-Out und steigendes Unfallrisiko

Die überlangen Arbeitszeiten (sowie langen Durchrechnungszeiträume) führen zu Lohnverlusten, da sich die UnternehmerInnen die Überstundenzuschläge ersparen. Sie führen aber auch zu Burn-Out und steigender Unfallgefahr: "Das Unfallrisiko steigt exponenziell mit längeren Arbeitsschichten", urteilt Univ.-Prof. Dr. Hugo W. Rüdiger (Klinische Abteilung Arbeitsmedizin). Außerdem sind "alle Grenzwerte auf den Acht-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche ausgerichtet." (Medical Tribune 21/07).


Dass ÖGB-Präsident Hundstorfer diese EU-Arbeitszeitrichtlinie kritisiert, ist ebenso erfreulich wie unernst. Gerade im Vorjahr hat die ÖGB-Führung gemeinsam mit der Wirtschaftskammer für die Regierung ein Arbeitszeitpaket geschnürt, das in dieselbe Richtung wie die EU-Arbeitszeitrichtlinie geht: Unter anderem wird dadurch die 60-Stundenwoche und ein 12-Stunden-Arbeitstag während der Hälfte des Jahres ermöglicht. Die derzeit in allen EU-Ländern laufende Verlängerung und Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie die Aushöhlung von Kollektivverträgen und sozialrechtlichen Standards gehen auf die sog. Lissabon-Strategie zurück, auf die sich die EU-Staatschefs im Jahr 2000 geeinigt haben. Durch Liberalisierung und Deregulierung der Arbeitsverhältnisse soll damit die EU zum "wettbewerbsstärksten Raum der Welt" werden.


Die Werkstatt Frieden & Solidarität fordert die Zurückweisung der EU-Arbeitszeitrichtlinie sowie der im Jahr 2007 beschlossenen Verschlechterungen des österreichischen Arbeitszeitgesetzes. Statt Verlängerung und Flexibilisierung der Arbeitszeit fordern wir eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich, damit die gewaltigen Produktivitätsgewinne der letzten Jahrzehnte endlich zu einer gerechteren Aufteilung der Arbeitszeit führen.



Aktuelle Kampagne gegen Lohndumping:
Durch aktuelle Entscheidungen des EuGH ist es Unternehmen mit einem Firmensitz in einem Billiglohnland der EU möglich, EU-weit Kollektivverträge zu unterlaufen. Streiks gegen diese Form des Lohndumpings erklärt der EuGH ausdrücklich für unzulässig. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Unterstützt daher die Petition "Nein zur Aushebelung von Kollektivverträgen und Streikrecht!" www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=42&Itemid=49

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