Am 8.November haben rund 100 Betriebsangehörige der Programm- und SystementwicklerInnen (PSE) der Siemens-AG in Wien mit einer Arbeitsniederlegung gegen die geplante Ausgliederung von 240 KollegInnen protestiert, die in die neue Tochtergesellschaft Siemens Enterprises Communications wechseln sollen.
Der Betriebsrat befürchtet, daß diese Firma verkauft werden soll und sieht deutliche Parallelen zum Verkauf der Handy-Sparte des Konzerns an den taiwanesischen BenQ - Konzern im August dieses Jahres, der nach dem Verkauf Insolvenz angemeldet hatte. Die ehemaligen Siemens-Mitarbeiter in Deutschland verloren dadurch ihren Job. Der Betriebsratsvorsitzende Ataollah Samadani erklärte, das Interesse der potentiellen Käufer gelte den Patenten und der Technologie, aber nicht den Mitarbeitern. Der Betriebsrat verlangt, daß Mitarbeiter nur auf freiwilliger Basis überwechseln und daß ihnen eine Rückkehrgarantie gegeben wird.
Erfolglose Einschüchterungsversuche
Die Unternehmensleitung in Wien habe massiv versucht, die MitarbeiterInnen von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten, berichteten PSE-KollegInnen: Nichtabsage von Besprechungen und damit Terminkollisionen, Beschuldigung des Betriebsrates im Intranet und per mail, Panikmache zu betreiben und Gespräche mit der Betriebsleitung zu verweigern. Beschäftigten, die auch nur stundenweise an der Aktion teilnehmen wollten, habe die Firmenleitung per Aussendung verboten, diesen Tag als geleistete Arbeitszeit zu kontieren. LeiharbeitskollegInnen hätten eine gesonderte mail erhalten, um sie vom Kontakt mit ihrem Betriebsrat abzuhalten. Doch dies alles habe wahrscheinlich nur etwa 30-40 Leute daran gehindert, der Einladung des Betriebsrates zu folgen.
Der Betriebsratsvorsitzende berichtete, daß sich die geplante Ausgliederung nicht ökonomisch rechtfertigen lasse. Es gehe der Firma sehr gut. Es folgte ein Bericht über die geplante "Siemens Enterprise"-Ausgliederung und die Parallelen zu BenQ. Das Angebot der Unternehmensleitung, über Rückkehrgarantien "nachzudenken", wurde als unzureichend eingestuft, da sie gegen Umstrukturierungsmaßnahmen eines neuen Eigentümers nicht helfen würden.
PSE-Leitung reduziert die Zahl Betroffener von 240 auf 190
Die Versammlung wurde am Wiener Standort Siemensstraße fortgesetzt mit einem Bericht des Grazer Betriebsratsvorsitzenden Antal, der die rechtlichen Möglichkeiten einer Verhinderung der Ausgliederung erläuterte. Die Paragraphen §111 und §112 Arbeitsverfassungsgesetz bezögen sich auf eine Zahl von mindestens 200 Betroffenen. Es wurde vermutet, daß die Firmenleitung in ihrer jüngsten Aussendung die Zahl der von der Ausgliederung auf 190 reduziert habe, um diese Einspruchsmöglichkeit auszuschließen. Mit den nicht inkludierten Leiharbeitern werde aber die erforderliche Zahl für den Einspruch erreicht.
Wie geht es weiter?
Wenn es mit Siemens nicht zu einer Einigung komme, die eine Ausgliederung verhindert, fordere der Betriebsrat Rahmenbedingungen. Samadani begründete, warum die Forderungen nach Freiwilligkeit und Rückkehrgarantien nicht überzogen sind, wie die Geschäftsleitung meint: Die Manager hätten sich ihre Rahmenbedingungen bereits gerichtet. So werde der designierte Geschäftsführer der neuen PSE Enterprise Firma nach wie vor hohe Positionen in der alten PSE bekleiden. PSE Enterprise Manager der zweiten Ebene hätten sich in andere PSE-Bereiche versetzen lassen. Da sei es nur legitim, wenn für die verbleibenden MitarbeiterInnen entsprechende Rahmenbedingungen gewährt würden. Wenn Frau Ederer in der Presse behaupte, dass solche Forderungen stellt, wer de facto die Ausgliederung generell verhindern wolle, dann könne sich der Betriebsrat dieser Ansicht nur anschließen. Samadani las aus verschiedenen Vereinbarungen zwischen Siemens bzw. und MitarbeiterInnen vor, in denen Rückkehrgarantien zwischen Siemens und etwa der Firma Fujitsu Siemens Computers (FSC) ausgemacht wurden.
Wenn Siemens Enterprise samt PSE Enterprise ein Käufer gefunden habe, wolle der Betriebsrat sich auch in den Verkaufsprozess einmischen, damit die Arbeitnehmerrechte über eine gewisse Dauer auch vom Käufer garantiert würden. Außerdem solle laut Samadani im Falle einer Ausgliederung vereinbart werden, dass die PSE in den nächsten 5 Jahren eine zusammenhängende Einheit bleibe. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Wolfgang Katzian erklärte, es gebe einen entsprechenden "Vorratsbeschluss" für Kampfmaßnahmen gegen eine Zwangsausgliederung, wenn alle anderen Möglichkeiten am Verhandlungstisch ausgeschöpft seien. Katzian und Samadani bejahten auch Fragen, ob die PSE-MitarbeiterInnen vor Abschluss eines Ergebnisses wieder um ihre Zustimmung gebeten würden.
Zu guter letzt wurde das Ergebnis der geheimen Abstimmung während der Mittagspause über einen Dienst nach Vorschrift im von Ausgliederung bedrohten Bereich PSE Enterprise bekanntgegeben: Von 97 Stimmberechtigten hatten 94 Anwesende mit "Ja" gestimmt.
Siemens Gewinnsprünge
Am 9.November, einen Tag nach dem Warnstreik berichtet der Spiegel Online über einen Gewinnsprung von 38% bei Siemens durch die Ausgliederung des Handygeschäfts und den Verkauf an BenQ.
Quellen: www.netzwerkit.de/projekte/netleiwand/presse/news20061108-pse2/ www.netzwerkit.de/projekte/netleiwand/presse/news20061109-pse3/
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