Samstag, 24. Januar 2009
 
Das Linksprojekt und seine Kandidatur PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von RSO   
Montag, 4. August 2008

Die RSO skizziert – nach „grundlegende(n) Bemerkungen zu Wahlen, Einheitsfronten und Bündnissen“ – in der folgenden Erklärung ihre skeptische Haltung zum Linksprojekt und seinem Antritt bei den Wahlen.

1) Wir betrachten den Parlamentarismus als Betrug an der ArbeiterInnenklasse, durch den die Ideologie von Demokratie und Volkssouveränität im Kapitalismus verkauft wird. Die Wahlsysteme sind oft zugunsten der Bourgeoisie konstruiert (wie z.B. durch geografische Aufteilung der Sitze, Prozentklauseln, Mehrheitswahlrecht, Zwei-Kammern-System, ungleicher Medienzugang, Ausschluss von MigrantInnen etc.). Es fallen auch die wichtigen Entscheidungen in den miteinander verflochtenen Bereichen Großkapital und Staatsapparat, die dann vom überlegenen Propagandaapparat der herrschenden Klasse verbreitet werden.


2) MarxistInnen sind letztlich für die Zerschlagung der bürgerlichen Parlamente im Zuge der Zerschlagung des bürgerlichen Staates insgesamt und ihre Ersetzung durch eine Rätedemokratie. Bis dahin sind wir für die Entlarvung ihres reaktionären Charakters als „Quatschbuden“ (Lenin) zur Verschleierung des Klassencharakters des bürgerlichen Staates. Solange relevante Teile des Proletariats aber noch Illusionen in die parlamentarische Demokratie hegen, können KommunistInnen bürgerliche Wahlen nicht ignorieren, sondern müssen versuchen, die erhöhte politische Aufmerksamkeit in der Gesellschaft für die eigene Propaganda zu nutzen.


3) Grundsätzlich wird eine revolutionäre Organisation, insbesondere wenn sie sich im Stadium einer Partei befindet, eine Eigenkandidatur anstreben. Dabei geht es nicht in erster Linie um Parlamentssitze (oder Gemeinderatssitze etc.), die als Propaganda-Tribüne für den Klassenkampf verwendet werden können, sondern um den Aufbau der Organisation. Eigenkandidaturen sind also auch legitim, wenn der Einzug in eine Struktur des bürgerlichen Parlamentarismus nicht realistisch ist. Trotzdem muss stets darauf geachtet werden, dass eine revolutionäre Propagandakandidatur nicht die Kräfte der Organisation überfordert (und damit verschleißt) und das Projekt angesichts der Stärke der Organisation nicht zu einer kontraproduktiven Lächerlichkeit verkommt. Wenn revolutionäre Organisationen für eine Eigenkandidatur zu schwach sind, ist es möglich, andere Wahllisten kritisch zu unterstützen – in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Einheitsfront.


4) Bei der Politik der Einheitsfront geht es nicht darum, reformistische Organisationen als "kleineres Übel" zu unterstützen. Es handelt sich vielmehr um eine Taktik revolutionärer Organisationen mit dem Ziel, die ArbeiterInnen von den reformistischen Parteibürokratien und vom Reformismus überhaupt zu lösen. Die unter dem Druck ihrer Basis stehenden reformistischen Organisationen sollen dadurch in einen gemeinsamen Kampf für bestimmte anstehende Interessen der ArbeiterInnenklasse gezogen und die Mitglieder und AnhängerInnen dieser Organisationen in der konkreten Auseinandersetzung von der Inkonsequenz und/oder dem Verrat ihrer Führungen überzeugt werden.


5) Solche Einheitsfronten können verschiedene Formen annehmen: Bündnisse bei Demonstrationen oder Streiks; kritische Wahlunterstützung für reformistische Parteien bei Wahlen zu bürgerlichen Parlamenten; der zeitweilige Eintritt von RevolutionärInnen in reformistische Parteien (Fraktionsarbeit, Entrismus). Bei all diesen Formen ist entscheidend, dass die politische Unabhängigkeit der revolutionären Kräfte gewahrt bleibt, dass diese Taktik des revolutionären Organisationsaufbaus nicht mit einer politischen Anpassung an den Reformismus verwechselt wird. Ein reales Zustandekommen von Einheitsfronten setzt eine bestimmte Stärke der revolutionären Organisation voraus, durch die erst als tatsächlicher Faktor agiert werden kann und die dann in der Regel auch die Freiheit der revolutionären Propaganda sichert.


6) Ein kritischer Wahlaufruf für reformistische ArbeiterInnenparteien muss dabei stets auf einer konkreten Analyse der Situation beruhen und darf nicht zu einem schematischen routinehaften Automatismus verkommen. Entscheidend ist zunächst einmal, ob tatsächlich unter relevanten Teilen der ArbeiterInnenklasse Illusionen in die reformistische Partei vorhanden sind, die dann enttäuscht werden können. Wesentlich ist auch die Einschätzung, was ein Wahlsieg oder eine -niederlage der reformistischen Partei in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation bedeutet. Wichtig ist schließlich auch, ob die revolutionäre Organisation überhaupt in der Lage ist, sich mit dieser Taktik an Teile der reformistischen Parteibasis zu wenden und mit ihnen vor und nach der Wahl über die Politik der Partei zu diskutieren. Wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist, funktioniert die ganze Taktik der Einheitsfront nicht und ein Wahlaufruf für eine reformistische Partei verkommt nur zu leicht zu einer "linken" politischen Unterstützung für den Reformismus.


7) Dort, wo eine Minderheit von politisch fortgeschrittenen ArbeiterInnen und AktivistInnen und insbesondere die, die von revolutionären Organisationen erreicht werden können, einer scheinbar linkeren reformistischen Partei (die sich durch nichts Grundsätzliches von der dominanten reformistischen Partei unterscheidet) anhängen, kann es sinnvoll sein, die kritische Wahlunterstützung auf diese Partei anzuwenden. Ein Aufruf für den minoritären „linkeren“ Reformismus ist auch möglich, wo eine solche Kandidatur kämpferische Schichten repräsentiert und wo ein Erfolg dieser Partei gesellschaftlich deutlich als Linksruck wahrgenommen wird.


8) In verschiedensten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen kann es angebracht sein, dass revolutionäre Organisationen mit anderen Gruppen der subjektiv revolutionären Linken einen Block bilden, systematische Absprachen treffen, gemeinsam agieren und auftreten, um gemeinsam eher einen realen Faktor gegenüber reformistischen Kräften darzustellen. Voraussetzung dafür ist eine grundsätzlich mobilisierende und klassenkämpferische Ausrichtung in der jeweiligen Auseinandersetzung, eine ähnliche Perspektive für die Bewegung. Voraussetzung ist auch Propagandafreiheit innerhalb des Blocks und das Aufrechterhalten des eigenen politischen und organisatorischen Profils. Solche Blöcke sind auch auf Wahlebene möglich, wo es revolutionären Organisationen dadurch gelingen kann, gemeinsam mit anderen subjektiven RevolutionärInnen tendenziell eher gesellschaftliches Gewicht zu bekommen, in der politischen Auseinandersetzung wahrgenommen zu werden.


Aktuelle Situation

9) In der Sozialdemokratie, der in Österreich dominanten Strömung der organisierten ArbeiterInnenbewegung, gibt es einen starken Mitgliederverlust und eine zunehmende Entfremdung von Mitgliedern und SympathisantInnen von der Partei. Die Politik der Regierung Gusenbauer und der Bruch nahezu sämtlicher Wahlversprechen hat diese Entwicklung beschleunigt. Auf elektoraler Ebene sind im Wesentlichen drei Reaktionen enttäuschter SPÖ-WählerInnen absehbar: a) Wahlenthaltung, b) Proteststimme für die FPÖ, die sehr geschickt und gezielt SPÖ-WählerInnen anspricht, c) mit zugehaltener Nase erneut als „kleineres Übel“ die SPÖ wählen. Einige SozialdemokratInnen sind wohl auch für ein linkes Protestwählen offen, angesichts der Tendenz zum Nützlich-Wählen wird das aber ein eher minoritäres Phänomen bleiben.


10) In der SPÖ gibt es keinerlei relevante organisierte Opposition. Der manchmal als traditioneller Sozialdemokrat daher kommende oberösterreichische Vorsitzende Erich Haider hat keineswegs vor, sich ernsthaft mit der Bundesführung anzulegen. Der Eisenbahnergewerkschafter Wilhelm Haberzettl, der in der Vergangenheit offen war für Kontakte zur radikalen Linken, lässt sich durch den „gewerkschaftsfreundlichen“ Kurs von Faymann voll einbinden. Und auch sonst wird aus dem Unmut in den Gewerkschaften keinerlei organisierter Widerstand. Die bei der Regierungsbildung kurz aufgeflackerte Aufmüpfigkeit der sich links gebenden SP-Jugendorganisationen wurde von den führenden JugendfunktionärInnen rasch wieder eingebremst. Trotz der „Enttäuschung“ beim letzten Mal werden auch bei diesem Wahlkampf wieder viele FSG- und SJ-BasisfunktionärInnen brav als WahlhelferInnen losziehen und für Faymann, Cap und Häupl das kritische, linke Feigenblatt abgeben.


11) Dieser Zustand der SP-„Linken“ hat im Wesentlichen drei Ursachen:
a) Viele FunktionärInnen und aktive Basismitglieder sind materiell an die Partei gebunden (Jobs von ihnen selbst oder Familienangehörigen bei Partei, Gewerkschaft, Gemeinden, SP-nahen Vereinen oder Institutionen).
b) Es gibt keine Bewegung, durch die diese subjektiv linken FunktionärInnen/ AktivistInnen unter Druck gerieten, wodurch sie dem alleinigen Druck des Apparates ausgesetzt sind; selbst die aktive Basis etwa in den Jugendorganisationen ist stark zusammengeschrumpft.
c) Trotz ihrer teilweise linken Kritik sind diese FunktionärInnen politisch letztlich SozialdemokratInnen, die in einer reformistischen Logik denken und sich eine politische Existenz außerhalb „ihrer“ Partei kaum vorstellen können.


12) Eine WASG-ähnliche Abspaltung von der SPÖ ist gegenwärtig sehr unwahrscheinlich. Die Formierung der WASG aus der SPD heraus war letztlich Ausdruck der Bewegung gegen die Hartz4-Gesetze. Das hat eine Gruppe von linksreformistischen FunktionärInnen in Westdeutschland soweit unter Druck gebracht, dass sie schließlich zu einem Bruch mit der SPD bereit waren. Dazu beigetragen hat aber auch, dass außerhalb der Sozialdemokratie mit der PDS bereits eine parlamentarisch etablierte „linkere“ reformistische Partei bereit stand, die an einer Verankerung im Westen ohnehin sehr interessiert war und die für die sich abspaltenden Funktionärsgruppe sichere neue Jobs in Parlamenten, Landesparteien etc. liefern konnte. In Österreich ist weder eine soziale Protestbewegung vorhanden noch eine etablierte linksreformistische Partei.


13) Wenn im österreichischen Linksprojekt teilweise ein positiver Vergleich zur WASG bemüht bzw. nach einem potentiellen „österreichischen Lafontaine“ gefahndet wurde, halten wir eine solche Perspektive für grundfalsch. Die Linkspartei in Deutschland betreibt in den Landesregierungen, an denen sie beteiligt ist (Berlin, Mecklenburg-Vorpommern) eine neoliberale Sozialabbaupolitik. In Bezug auf die Außenpolitik des deutschen Imperialismus hat sie eine windelweiche Haltung. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass sie im Falle einer Regierungsbeteiligung loyale neoliberale und imperialistische Systemverwaltung betreiben würde, wie das ihre Schwesterparteien in Frankreich und Italien (PCF und PRC) bereits vorexerziert haben. Eine solche neue Partei braucht die österreichische ArbeiterInnenklasse so nötig wie einen Kropf.


14) Bei einer Schaffung einer neuen linken Partei stellt sich zuallererst auch die Frage, was die politische Grundlage ist. Wir halten es für kontraproduktiv, wenn revolutionäre oder antikapitalistische Kräfte daran arbeiten, eine linksreformistische Partei aufzubauen, in der Hoffnung, damit breitere Schichten anzuziehen und sich selbst ein Interventionsfeld zu schaffen. Aus der Retorte wird so ein Formierungsprozess kaum funktionieren und er würde die AktivistInnen in eine Sackgasse lenken; hinter einem solchen Projekt steht vor allem auch ein lineares Verständnis von der Entwicklung von Klassenbewusstsein (wonach die ArbeiterInnen sozusagen erstmal eine linksreformistische Phase durchmachen müssten). Wenn eine neue linksreformistische Partei aus der Dynamik einer Spaltung in einer größeren Partei oder aus einer Bewegung entsteht, ist das etwas anderes; dann müssen RevolutionärInnen je nach Möglichkeiten in diesen Prozess intervenieren. Ob die Grundlage dafür vorhanden ist, konkret zur Gründung einer neuen ArbeiterInnenpartei aufzurufen und in ihrem Formierungsprozess dann für eine antikapitalistisch-revolutionäre Ausrichtung zu kämpfen, hängt von der Verankerung der beteiligten Kräfte und vorhandenen Kämpfen/Bewegungen ab.


15) Die KPÖ hat die Teilnahme an dem sich formierenden Linksprojekt verweigert, offenkundig deshalb, weil sie es nicht völlig bürokratisch dominieren konnte, wie sie es mit früheren Wahllisten gemacht hat (und versucht jetzt, in das sich formierende Linksprojekt Konflikte hineinzutragen). Von einigen Personen des Linksprojektes wurde die Nicht-Teilnahme der KPÖ bedauert. Wir halten es hingegen für einen positiven Aspekt des Linksprojektes, dass die KPÖ nicht dabei ist. Die KPÖ ist ebenso reformistisch wie ihre Schwesterparteien KPF, PRC und deutsche Linkspartei und mit jenen Kräften verbunden, die in diesen Parteien den neoliberalen Rechtskurs verantworten. Dass die KPÖ ihre eigene Wahlsuppe zu kochen versucht, gibt dem Linksprojekt eher die Chance, ein radikaleres, antikapitalistisches Profil zu entwickeln.


16) In der Formierungsphase des österreichischen Linksprojektes gab es einige Debatten darüber, ob man/frau sich als neue Partei konstituieren solle. Wir halten das für keine gute Idee. Ohne eine relevante gesellschaftliche Verankerung der beteiligten Kräfte und/oder substantiellen Klassenbewegungen verkommt so eine „Partei“ nur zu leicht zu einer leeren Hülle. Oft kommt es in solchen Vereinigungsprojekten (siehe zum Beispiel die Socialist Alliance bzw. Respect in Britannien) dann auch zu heftigen Reibereien zwischen verschiedenen Fraktionen und Strömungen. Das Ergebnis sind oft Friktionen und Spaltungen und die scheinbar pluralistischen linken Einheitsparteien erweisen sich als labile und sehr vergängliche Unternehmen. Das liegt auch wesentlich an der meist diffusen politischen Basis solcher Vereinigungsprojekte. In der Realität sind das meist ein linksreformistischer kleinster gemeinsamer Nenner und kaum ein gemeinsames Verständnis in grundlegenden und perspektivischen Fragen. Die Folge ist, dass solche Parteien den ersten Praxistest in wichtigen gesellschaftlichen Konflikten nicht überleben. Die Initiative der französischen LCR zur Bildung einer so genannten „Neuen antikapitalistischen Partei“ ist im Kern die Auflösung der LCR in ein von ihr selbst kreiertes diffuses radikalreformistisches Projekt, an dem sich ansonsten nur einige Kleingruppen und Individuen beteiligen. Es bringt keine breitere Verankerung einer subjektiv revolutionären Linken, sondern lediglich eine politische Verwässerung. Wir denken, dass Bündnisse von verschiedenen Kräften der radikalen Linken in Bewegungen, Kämpfen und unter bestimmten Bedingungen auch Wahlen die bessere Option sind als politisch unausgewiesene und letztlich brüchige „Vereinigungen“.


17) Von welchen Kräften wird nun das österreichische Linksprojekt getragen? Es beteiligen sich einige Organisationen der radikalen Linken, darunter aus trotzkistischer Tradition SLP und LSR und aus stalinistischer Tradition die KI sowie türkisch-kurdische Gruppen. Dazu kommen einige Einzelpersonen aus dem ASF, dem betrieblichen Bereich und verschiedenen linken und antimilitaristischen Initiativen sowie aus der stalinistischen Strömung in der SJ.


18) Das sind immerhin einige Kräfte der (radikalen) Linken. Sie können es durchaus schaffen, in einigen Bundesländern zu kandidieren, und ein respektables Ergebnis (d.h. in diesem Fall: etwa in der Größenordnung der KPÖ) ist nicht auszuschließen. Positiv ist auch, dass das Linksprojekt versucht, in die Schließung des Glanzstoffwerkes in St. Pölten zu intervenieren. Andererseits ist das Wahlprojekt LINKE keinerlei Ausdruck einer Klassenbewegung oder einer Verankerung in relevanten Teilen der ArbeiterInnenklasse. Keine der beteiligten Strömungen verfügt über eine solche Verankerung. Insgesamt ist deshalb das Linksprojekt nicht mehr als die Summe seiner Bestandteile. Da ein gesellschaftliches Korrektiv fehlt, ist es nicht überraschend, dass im Linksprojekt bereits die ersten internen Konflikte auftreten. Ob das Linksprojekt, das wohl nicht nur aufgrund der aktuellen Situation sehr elektoral orientiert ist, ein mäßiges Wahlergebnis überleben wird (oder dann Schuldzuweisungen und Zerfall auf die Tagesordnung treten), halten wir für fraglich. Belebt könnte das Linksprojekt nur durch bald auftretende soziale Konflikte werden. Dann müsste die LINKE in einer solchen Bewegung auch noch eine gemeinsame politische Perspektive finden, was angesichts der unterschiedlichen politischen Positionen der beteiligten Kräfte sehr schwierig werden dürfte. Insgesamt denken wir, dass das Linksprojekt zur Lösung der Aufgaben, vor denen die antikapitalistische Linke heute in Österreich steht, keinen sinnvollen Beitrag leistet.


19) Als zentrale Aufgaben von RevolutionärInnen sehen wir den Aufbau einer stabilen revolutionären Organisation und ihre Verankerung in der ArbeiterInnenklasse. Wir denken, dass das nicht über reformistische Projekte oder eine besonders geschickte (Wahl-)Kampagne funktioniert. Versuche, über das Vehikel SPÖ weiter zu kommen, die Sozialdemokratie zu reformieren oder gar in eine revolutionär-sozialistische Kraft umzumodeln, sind hochgradig illusionär. Ein gewisses Ausmaß von kritischen, linken Kräften in der Partei hat vielmehr eine Funktion für die Sozialdemokratie, denn es bindet potentiell radikale Kräfte an den SP-Reformismus, behindert die Schaffung eines klassenkämpferischen sozialistischen Pols außerhalb und trägt so zur Konservierung der sozialdemokratischen Hegemonie in der ArbeiterInnenbewegung bei. Ebenso wenig funktionieren andere Abkürzungen. So gut kann eine (Wahl-) Kampagne gar nicht sein, dass sie eine Verankerung in der ArbeiterInnenklasse ersetzen kann. Auch wenn eine Wahlinitiative durch allerlei professionelle Tricks in den bürgerlichen Medien vielleicht eine Zeit lang als relevantes Projekt dasteht, wird sich schnell zeigen, wie wenig real dahinter steht. Letztlich führt am geduldigen Aufbau einer Organisation von revolutionären AktivistInnen kein Weg vorbei. Ein solches Projekt kann nicht auf kurzfristige Durchbruchserwartungen setzen, die ohnehin immer schnell enttäuscht werden, sondern auf langfristig angelegte Ausbildung von Kadern und die politische Verankerung der Organisation und ihrer Ideen in der ArbeiterInnenklasse. Diese Arbeit verspricht wenig medialen Ruhm und keine Hoffnung auf baldige Teilnahme an der „großen Politik“. Sie ist mühselig und erfordert ein hohes Ausmaß an Kontinuität und Realismus. Sie ist aber die einzige Möglichkeit zur Überwindung des jämmerlichen Zustandes der österreichischen Linken.


20) Wir stehen also dem österreichischen Linksprojekt und der Wahlliste LINKE ausgesprochen kritisch gegenüber. Dennoch ist dieses Projekt nun eine (konjunkturelle) Realität. Wir werden uns nicht daran beteiligen, weil wir darin aus den erwähnten Gründen keine Perspektive sehen. Wir rufen aber dennoch dazu auf, Unterstützungserklärungen für die LINKE zu unterzeichnen – um dem Projekt die Möglichkeit zu geben, die bürokratischen Schranken des bürgerlichen Wahlrechtes zu überwinden. Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass uns das Linksprojekt politisch näher steht als sämtliche sonstige Listen, die sich am Wahlzettel finden werden. Das ist für uns freilich keine ausreichende Grundlage für eine kritische Unterstützung der Wahlkampagne; eine solche wäre im Sinne der Einheitsfrontpolitik nur möglich gegenüber einer verankerten Kraft der ArbeiterInnenbewegung. Für die Kräfteverhältnisse innerhalb der außerparlamentarischen Linken ist es aber sicherlich von Vorteil, wenn das Linksprojekt, in dem antikapitalistische Strömungen eine wesentliche Rolle spielen, im Vergleich zum zivilgesellschaftlichen Reformismus der KPÖ ein einigermaßen gutes Ergebnis erzielt.

Leitung der RSO
1.8.2008

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