Venezuelas Präsident Hugo Chávez wird ein gestörtes Verhältnis zur Pressefreihet vorgeworfen. Jetzt knöpft sich das Parlament in Caracas einen Journalisten vor. Dabei geht es weniger darum, was er schreibt, als in wessen Auftrag er so schreibt. Der Einfluß der US-Regierung auf die Presse in Venezuela ist durch Dokumente aus Washington belegt.
Levy Benshimol konnte seinen Ärger über das Parlament in Caracas kaum verbergen. Mit harschen Worten kritisierte der Präsident des Nationalen Journalistenkollegs am Freitag eine geplante Anhörung von Pressevertretern in der Nationalversammlung. Drei von insgesamt 33 Journalisten sollen an diesem Mittwoch vor der Wissenschafts-, Technik- und Medienkommission des Parlaments zu Geldgeschenken aus den USA Auskunft geben. Für Ben¬shimol stellt die öffentliche Befragung eine »Einschüchterung des freien Journalismus» dar. Die Idee sei offenbar »kranken Geistern« entsprungen, die »Journalisten mit Werten und Prinzipien« schaden wollten.
Bezahlung nachgewiesen
Zum Fall selbst äußerte sich der Präsident der Presseorganisation nicht, und auch die privaten TV-Sender des südamerikanischen Landes hielten sich in der Berichterstattung über die Vorwürfe auffallend zurück. Es blieb dem Staatssender VTV überlassen, die Hintergründe zu erläutern. In der Sendung »La Hojilla« hatte die US-venezolanische Juristin Eva Golinger Washingtoner Regierungsdokumente präsentiert, die eine systematische Finanzierung venezolanischer Journalisten durch das US-Außenministerium belegen. Golinger, die an die einst geheimen Unterlagen durch das Informationsfreiheitsgesetz gelangt war, konnte so Zahlungen zwischen viertausend und zwölftausend US-Dollar nachweisen. Die Gelder seien zwischen den Jahren 2000 und 2005 überwiesen worden. Inmitten dieses Zeitraums fand im April 2002 ein Putschversuch gegen die linke Regierung von Präsident Hugo Chávez statt. Die Rebellion war von Privatmedien massiv unterstützt worden.
»Es geht uns nicht darum, die Kommission zu einem Instrument der Verfolgung zu machen«, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe in der Nationalversammlung, Manuel Villalba Anfang August zur geplanten Anhörung: »Wir wollen die Wahrheit bekanntmachen. Der Journalismus darf nicht als Waffe missbraucht werden, um Regierungen zu stürzen.« Erwartet werden in der ersten Sitzung Roger Santodomingo, der ehemalige Direktor des Nachrichtenportals Noticiero Digital, Ana Karina Villalba vom Privatsender Globovisión und Miguel Ángel Rodríguez vom Sender RCTV. Santodomingo wird unter anderem die Verbreitung einer Umfrage vorgeworfen, derzufolge 30 Prozent der Befragten die Ermordung von Präsident Chávez als mögliche »Lösung« des politischen Konfliktes in Venezuela bezeichneten.
Wie 1973 in Chile
Doch nicht nur Journalisten stehen in der Kritik der venezolanischen Regierung. Nach Auskunft von Golinger stehen auch internationale Medienorganisationen wie das in Peru ansässige Institut für Presse und Gesellschaft (SIP), das sich selbst als »Forum der unabhängigen Presse« bezeichnet, auf der Bezugsliste der US-Regierung. Auch hier belegen freigegebene Dokumente, dass die halbstaatliche Stiftung National Endowment für Democracy (NED) das SIP im Jahr 2003 mit rund 44500 US-Dollar finanziert hat. Im Folgejahr seien es 72.000 Dollar gewesen, 2005 dann 74.950 Dollar. 107.770 US-Dollar wurden dem Institut vom NED für die Arbeit in der »andinen Region« bezahlt, zu der auch Venezuela gehört.
Die systematische Einflussnahme Washingtons auf Medien und Presseorganisationen im Ausland ist keine neue Strategie. »Anfang der siebziger Jahre hat in Chile die rechtsgerichtete Tageszeitung El Mercurio Millionenmittel erhalten, um zum Sturz und schließlich zur Ermordung Salvador Allendes beizutragen«, sagt Hernán Uribe, Präsident der Lateinamerikanischen Pressevereinigung (Felap), die das US-Engagement kritisch sieht. Drei Jahre nach dem blutigen Putsch in Chile im September 1973 habe eine Untersuchung des US-Senats bewiesen, dass der Geheimdienst CIA seine Agenten bis in die Redaktionen geschleust hatte. Der sogenannte Church-Bericht, benannt nach dem Senator, der die Untersuchung leitete, hatte keine Konsequenzen.
Ganz im Gegenteil: Als der US-Kongress auf Antrag der regierenden Republikaner Mitte Juni dieses Jahres das Budget für Propagandasendungen nach Lateinamerika erhöhte, verteidigte die Abgeordnete der Demokratischen Partei Nita M. Lowey diesen Schritt als »grundlegende Komponente der Außenpolitik unserer Nation«. Im Haushaltsjahr 2007/08 stehen dem Außenministerium 671,6 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Sendungen ins Ausland auszustrahlen. Der Abgeordnete der Republikanischen Partei Connie Mack verwies zur Begründung auf Venezuela: »Wir müssen den Kampf gegen den Terrorismus im eigenen Hinterhof führen«.
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