Samstag, 24. Januar 2009
 
5 Jahre Aufhebung des § 209 PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Rechtskomitee Lambda   
Mittwoch, 22. August 2007

Am 14.08.2002 ist § 209 Strafgesetzbuch, das letzte anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz, außer Kraft getreten, der für männlich-homosexuelle Kontakte eine Mindestaltersgrenze von 18 Jahren festgelegt hatte, während für heterosexuellen und lesbischen Sex eine Altersgrenze von 14 galt. Auf den Tag genau fünf Jahre später wurde nun ein Urteil des OGH zugestellt, das an zynischer Wirkung kaum zu überbieten ist.

Der Antragsteller vor dem OGH wurde dreimal auf Grund des berüchtigten § 209 Strafgesetzbuch (StGB) zu Freiheitsstrafen verurteilt. Eine dieser Verurteilungen hatte er vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichthof (EGMR) bekämpft. Der EGMR hat (auch in diesem Fall) § 209 sowie die darauf gegründete Verurteilung als schwer menschenrechtswidrig erkannt und Österreich verurteilt. Auf Grund dieses Urteils des EGMR wurde das Strafverfahren erneuert und der Verurteilte freigesprochen. Die zwei anderen, ebenso schwer menschenrechtswidrigen § 209-Verurteilungen sind aber nach wie vor im Strafregister vorgemerkt. Eine Begnadigung hat das Justizministerium abgelehnt.

Der Mann beantragte bei der für die Führung des Strafregisters zuständigen Innenministerin die Löschung der Verurteilung aus dem Strafregister. Begehrt hat er damit ausdrücklich nicht die Aufhebung der Verurteilung oder deren Ausscheiden aus dem Rechtsbestand, sondern lediglich die Beendigung der weiteren österreichweiten Evidenthaltung der Verurteilung durch die Polizei.

Dennoch hat der Verfassungsgerichtshof die abweisende Entscheidung der Innenministerin mit der Begründung bestätigt, dass es "nicht Sache der Strafregisterbehörde sein (könne) zu entscheiden, ob und in welchem Umfang bestimmte Verurteilungen aus dem Rechtsbestand auszuscheiden sind". Lediglich ein Gericht könne aussprechen, dass eine Gerichtsentscheidung die Grundrechte verletzt hat.

§ 209-Opfer erkämpfen historisches Urteil und bleiben auf der Strecke

Der Verurteilte hat daraufhin beim Obersten Gerichtshof die Erneuerung der beiden Strafverfahren beantragt, weil der EGMR bereits mehrfach die Menschenrechtswidrigkeit des § 209 und der darauf gegründeten Verurteilungen festgestellt hat. Die Generalprokuratur ist dem entgegen getreten mit der Begründung, dass der Mann diese beiden Verurteilungen nicht beim EGMR bekämpft hatte.

Der OGH hat diese Rechtsansicht der Generalprokuratur nun zurückgewiesen und dem Verurteilten grundsätzlich Recht gegeben. In der bahnbrechenden Entscheidung hat er - über den geltenden Gesetzestext hinaus - ausgesprochen, dass sich Opfer einer Grundrechtsverletzung im Bereich der Strafjustiz immer an den Obersten Gerichtshof wenden und ihr Verfahren erneuern lassen können, auch wenn sie keine Verurteilung Österreichs beim EGMR erwirkt haben, ja sogar dann, wenn es zu einer bestimmten Frage
noch gar keine Judikatur des EGMR gibt.

Die Opfer des § 209 haben damit eine historische Erweiterung des Rechtsschutzes für alle Opfer von Grundrechtsverletzungen erkämpft – und bleiben dennoch auf der Strecke. Der OGH hat diesen neuen Rechtsschutz nämlich für alle Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen, die länger als 6 Monate zurückliegen.

Die § 209-Verurteilungen bleiben daher weiterhin als Vorstrafen im Strafregister und stigmatisieren auf Jahre hinaus die Opfer der anti-homosexuellen Sonderstrafgesetzgbung. Erst in jüngster Zeit hat das Oberlandesgericht Wien § 209 als zwar gleichheitswidrig aber moralisch einsehbar bezeichnet und die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe wegen Vorstrafen nach dem anti-homosexuellen Sonderstrafgesetz für rechtens erklärt sowie die bedingte Entlassung eines Strafgefangenen unter Hinweis auf seine § 209-Vorstrafen abgelehnt.

Eine erste Beschwerde gegen die fortgesetzte Speicherung der § 209-Verurteilungen im Strafregister liegt bereits beim EGMR. Weitere folgen in Kürze.

"Es ist traurig, dass der Menschenrechtsgerichtshof neuerlich mit den nach wie vor untoten anti-homosexuellen Sonderstrafgesetzen Österreichs befasst werden muss", sagt der Wiener Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner, Präsident der Homosexuellen- Bürgerrechtsorganisation Rechtskomitee LAMBDA und Vertreter der § 209-Opfer. "Das Parlament könnte unserer Republik diese nochmalige Blamage ersparen, doch dort liegt der noch von RKL-Kuratoriumsmitglied Terezija Stoisits eingebrachte Antrag für ein Amnestie-, Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz (AREG) seit zwei Jahren völlig unbehandelt."

Das 1991 gegründete Rechtskomitee LAMBDA (RKL) arbeitet überparteilich und überkonfessionell für die umfassende Verwirklichung der Menschen- und Bürgerrechte gleichgeschlechtlich l(i)ebender Frauen und Männer. Das 15jährige Bestehen des Rechtskomitees LAMBDA (RKL) wurde am 2. Oktober 2006 mit einem historischen Festakt im Nationalratssitzungssaal des Parlaments in Wien gefeiert. Dieser weltweit ersten Ehrung einer homosexuellen Bürgerrechtsorganisation in einem nationalen Parlament wohnten unter den über 500 TeilnehmerInnen auch höchste RepräsentantInnen aus Justiz, Verwaltung und Politik bei.

Rückfragehinweis: 0676/3094737; 01/8763061, ,
www.RKLambda.at

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