Manfred Nowak, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für
Folter , besuchte kürzlich auf Einladung der Regierung für zwei Wochen
Indonesien. Sein Urteil in einem Interview mit der Jakarta Post fällt gemischt aus.
- Manfred Novak
Foto: Ralf Leonhard Was erwarteten Sie In Bezug auf Folter und Misshandlung bevor Sie dort eintrafen? Ich dachte, dass die meisten Fälle von Folter und Misshandlung in Bezug zu den Konflikten in Aceh, Poso und Papua stehen würden. Doch ich beobachtete das Gegenteil. Besonders in Papua werden diejenigen, die in politische Aktivitäten verwickelt waren oder für das Hissen der (papuanischen Anm. d. Üb.) Flagge und wegen Verrats verurteilt wurden, ebenso wie andere politische Verdächtigte, besser behandelt wurden, als gewöhnliche Kriminelle. Ich fand in Papua lediglich wenige Fälle in denen Folter-Vorwürfe medizinisch bestätigt werden konnten.
Allgemein würde ich sagen, dass die Umstände in den Gefängnissen von Abepura und Wamena sehr liberal sind. Es sind sehr offene Gefängnisse, sogar für die so genannten politischen Häftlinge. Ich konnte offen mit ihnen sprechen und sie konnten mit der Außenwelt kommunizieren. Sie alle hatten Mobiltelefone und sie konnten sogar das Gefängnis kurzzeitig verlassen. Das meine ich mit einem liberalen System.
In Jakarta übersteigt die Gefangenen die Kapazität des Gefängnisses um das Zwei- bis Dreifache. Ungefähr 3.500 Häftlinge sind zusammengepfercht in kleinen Gefängnissen. Die Neuankömmlinge werden in Großräumen für Wochen, sogar für Monate, untergebracht, dort sitzen sie zusammen unter sehr schlechten Umständen. Sie werden auch Disziplinarmaßnahmen unterworfen und in Isolierzellen gesteckt, die für eine Person ausgelegt sind. Dort gibt es keine frische Luft und kein Licht. Diese Art von Behandlung kann ich nur unmenschlich nennen. Es gibt also sehr, sehr große Unterschiede. Mein Hauptpunkt ist, dass es dort nicht genügend führende Sicherheitskräfte gibt, um Folter zu bekämpfen oder vorzubeugen. Wir können die Folterer nicht zur Justiz bringen und dies bewirkt eine sehr breite Form der Diskretion bei den zuständigen Polizeichefs und Gefängnisdirektoren. Indonesien hat ein Justizsystem das noch nicht unabhängig ist, dies behindert rechtliche Schritte, um Menschenrechtsverletzungen zu beseitigen. Was denken sie darüber? Wir haben viele Anschuldigungen erhalten, dass das Justizsystem allgemein, die Verwaltung der Kriminaljustiz, sehr korrupt sei. Und dies können wir direkt bestätigen. Das Cipinang Gefängnis zum Beispiel ist so korrupt, dass die Häftlinge die Wächter für alles bezahlen müssen. Manchmal sogar nur, um dort schlafen zu können, obwohl es verlangt wird, dass sie dort schlafen. Und wir hörten dieselben Anschuldigungen gegen Staatsanwälte und Richter. Allgemein kann man also sagen, dass es das Leben im Gefängnis erleichtert wenn man Geld hat. Selbstverständlich führt ein solches System der Korruption zu einer Diskriminierung der Armen. Das steht außer Frage.
Meine Empfehlung wäre also, die Unabhängigkeit der Richter zu stärken und den Gefangenen mehr direkten Zugang zu Anwälten zu ermöglichen. Ich denke, wir müssen die hohe Anzahl an Untersuchungshäftlingen reduzieren indem die juristischen Prozesse beschleunigt werden. Menschenrechtsverletzungen in Indonesien haben eine lange Geschichte. Haben Sie Vorschläge wie Indonesien diese vergangenen Menschenrechtsverletzungen bewältigen soll? Ich denke, Indonesien hat bei der Bewältigung des Erbes des Soeharto-Regimes bereits einen weiten Weg hinter sich seit 1998. Und durch die Etablierung einer gut funktionierenden Demokratie in einem Land mit so vielen riesigen Unterschieden, so vielen verschiedenen ethnischen Gemeinschaften, so vielen verschiedenen Religionen, ist dies eine große Aufgabe, eine große Herausforderung. Und ich denke, Indonesien hat dort sehr gut gearbeitet.
Viele Reformen die in Bezug zum Rechtssystem und zu den Menschenrechten stehen, wurden bereits umgesetzt. Das Gesetz von 2004 zur Gewalt gegen Frauen ist ein sehr gutes Beispiel. Aber es muss besser durchgesetzt werden. Ich denke, es ist wichtig ein solches Gesetz zu haben. Aber was noch nicht getan wurde, ist (die Verabschiedung) eines bestimmten Gesetzes gegen Folter im Strafrecht mit angemessenen Strafen.
Die Vorschriften zur Kriminalitätsbekämpfung müssen verbessert werden, damit das Prinzip von habeas corpus (Rechte von Untersuchungshäftlingen, A.d.Üb.) berücksichtigen zum Tragen kommt. Das würde den Aufenthalt im Polizeigewahrsam reduzieren und die Möglichkeit zu Rechtsbeschwerden schaffen, um sicherzustellen, dass Geständnisse die durch Folter erzwungen wurden, nicht im Gerichtsverfahren gegen den Beschuldigten genutzt werden dürfen. Wir haben eine lange Liste und ich werde in meinen Empfehlungen sehr deutlich darstellen, welche Maßnahmen getroffen werden können. Viele dieser Maßnahmen kosten nicht viel Geld, sie benötigen nur politischen Willen. Andere (Maßnahmen) kosten Geld und ich bin froh, die technische Zusammenarbeit fördern zu können, finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, sowohl das UNDP, die Europäische Union und bilaterale Einrichtungen... eine meiner größten Empfehlungen ist, das Aktionsprotokoll zur Konvention gegen Folter zu ratifizieren und einen wahrhaft unabhängigen und effektiven nationalen Schutzmechanismus zu errichten. Dies könnte die Nationale Kommission für Menschenrechte oder eine andere Institution sein. Denken Sie, Indonesien kann seine Kultur der Straflosigkeit für die Mächtigen überwinden? Mitglieder des Militärs oder der Polizei können ja derzeit für ihre Verwicklung in Folter und Misshandlungen von Menschen praktisch nicht vor Gericht gebracht werden. Natürlich ist das Militär eine andere Frage. Mitglieder der Armee werden oft lediglich vor ein Militärgericht gestellt, unabhängig davon, ob das Opfer zum Militär gehört oder ein Zivilist ist. In jedem Fall, ob es sich um Mord, Diebstahl oder Folter handelt, können sie lediglich von einem Militärgericht verurteilt werden. Und natürlich, wie Sie wissen, sind Militärgerichte nie völlig unabhängig. Und ich habe meine Zweifel, dass sie wirklich streng gegen Soldaten und Offiziere, die Folter begangen haben, vorgehen werden. Andererseits wurde bereits viel getan, um das Land zu entmilitarisieren, dem Militär bestimmte Privilegien zu entziehen und mir wurde gesagt, dass das Militär keine zivilen Häftlinge mehr hat. Ich habe keine jüngeren Anschuldigungen erhalten, nach denen das Militär eine Person länger als 24 Stunden festgehalten hätte. Was denken Sie sind die größten Gefahren und Herausforderungen bei der Erstellung einer Konvention gegen Folter in Indonesien? Ich denke zunächst, dass es nur auf den politischen Willen ankommt. Ich denke dieser Wille ist vorhanden in bestimmten Bereichen der Regierung, aber natürlich gibt es mächtige Institutionen, wie die Nationalpolizei und das Militär, die gegen ein weit reichendes Zeichen zur Untersuchung von Folter in ihren Bereichen sein könnten. Die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Konvention gegen Folter wäre eine wirklich große Anstrengung. Die Regierung sollte erkennen, dass es sich hierbei um eine große Chance handelt, deutlich zu machen, dass der UN-Unterausschuß zur Vorbeugung gegen Folter und die nationalen Vorbeugemechanismen eigentlich Verbündete sind zur Verbeugung gegen Folter. Die Regierung muss ebenso ihre Politik überdenken, wenn sie wirklich diesen unabhängigen Mechanismus haben will. Die unabhängige Institution sollte ihnen das Maximum an Freiheiten zur Untersuchung und vollen Zugang zu Haftorten geben, ohne sie irgendeiner Form der Kontrolle zu unterwerfen. Wie würden Sie die Situation in Indonesien mit der in anderen asiatischen Ländern vergleichen? Innerhalb Asiens ist Indonesien eines der demokratischsten Länder. Es ist ein Land mit einer funktionierenden Demokratie. Und Indonesien hat gezeigt, dass es innerhalb von weniger als zehn Jahren nach dem Ende der Soeharto-Zeit einen sehr, sehr langen Weg zurückgelegt hat. So habe ich volles Vertrauen, dass Indonesien eine Art Vorreiter in dieser Region werden könnte, wenn das Zusatzprotokoll wirklich ratifiziert wird. Das wäre ein großer Schritt. Es zeigt anderen Ländern, dass man die Folter beseitigen kann... die gegenwärtige Rechtssituation deutet viele Verbesserungen an. Es gibt das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Freiheit der Medien usw. Sie funktionieren wirklich vollständig im demokratischen Geist. Ich denke, es gibt sehr kritische Medien, wodurch Kritik erst erblühen kann. Was ist schwieriger, als Institutionen wirklich zu ändern, wie die Polizei, wo Folter über viele, viele Jahre systematisch eingesetzt wurde? Wenn die Leute wirklich zehn Jahre Gefängnis für Folter kriegen würden, würden sie zwei Mal darüber nachdenken und andere wären abgeneigt, es zu tun. Aber, wie gesagt, wurde bisher kein Polizeibeamter je wegen Mißhandlungen vor ein Gericht gebracht und verurteilt. Und ich denke, dass sich dies wirklich ändern muss.
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