Die Polizei versagt zusehends in Sicherheitsfragen:
Vorratsdatenspeicherung, Trojaner, Massen-DNA-Test und zusätzliche
Überwachungswünsche sollen vom Versagen ablenken. Ein bloßes Mehr an
Technik wird Sicherheit nicht erhöhen, jedoch Grundrechte gefährden. Wird Willkür zum ultimativen sicherheitspolitischen Ordnungskonzept?
Neue Überwachungswünsche
Die neuen Überwachungswünsche und Befugnisse bedienen offensichtlichpopulistische Erwartungshaltungen der Bevölkerung. Sie sollen Aktivität und Handlungsfähigkeit suggerieren, sind aber in der Wirksamkeit höchst fragwürdig.
Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Ein mehr an Daten und Technik wird weder Verbrechenszahl, noch Aufklärungsquote positiv beeinflussen. Ohne sich mit den Grundlagen und Hintergründe der Delikte zu beschäftigen, wird es auch keine nachhaltige Verbrechensbekämpfung geben. Diese Ursachen liegen in einem zunehmenden Armutsgefälle, in verkürzten Bildungs- und Arbeitschancen, in steigenden sozialen und ethnischen Spannungen, hervorgerufen durch eine irreale und geradezu autistische Migrationspolitik. Sicherheitspolitik wird zur absurden Sysiphusarbeit, wenn hinter jedem Täter zehn Personen stehen, die mental bereit sind, die gleichen Delikte zu begehen."
Tatort Vorratsdatenspeicherung
Abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden die die EU-Richtlinie betreffen und die vom Verfassungsgerichtshofpräsidenten abwärts von allen namhaften Grund- und Verfassungsjuristen ausgesprochen wurden, legt der österreichische Gesetzesentwurf noch einige Schäuferln nach.
Während in Deutschland - unter starken Protesten - eine maximale Speicherdauer von sechs Monaten und ein taxativer Tatkatalog, wann diese Telekomdaten verwendet werden dürfen, verabschiedet wurde, geht Österreich den Weg der Übererfüllung der EU-Richtlinie.
So fordert das Innenministerium eine zwölfmonatige Speicherdauer und die Daten sollen auch bei Allerweltsdelikten, bloßen "Vergehen" verwendet werden. Geht es nach den bisherigen Plänen, könnten auch folgende Delikte Grund für die Offenlegung der persönlicher Kommunikation hunderttausender Menschen werden: Mitwirkung am Selbstmord (§78 StGB); Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§81 StGB); Raufhandel (§91 StGB); Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (§123 StGB); Schwere Sachbeschädigung (§126 StGB) sowie schwere Vermögensdelikte, wie Diebstahl, Unterschlagung, Veruntreuung einschließlich schwere Eingriffe in fremdes Jagd- und Fischereirecht bei Schäden über EUR 50.000; betrügerische Krida (§156 StGB); Geldwucher, Begünstigung eines Gläubigers, Brandstiftung, Störung einer Religionsausübung (§189 StGB); Falsche Beweisaussagen vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden (§§ 288 und 289).
Hans G. Zeger: "Auch bei bestem Willen läßt sich die Vorratsspeicherung von Millionen Telefonkontakten zur Verfolgung von Wilderei nicht mit Terrorismusbekämpfung vereinbaren. Hier besteht ein offensichtliches Grundrechtsdefizit bei den verantwortlichen Politkern."
Statt eine Übererfüllung durchzupeitschen sollte Österreich offensiv die Menschrechte ihrer Bürger verteidigen und raschest ein Verfahren vor dem EMRK anstrengen. Ein Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EU ist derzeit kaum zu erwarten, da offenbar die EU-Kommission keine große Lust spürt sich mit diesem rechtlichen Schmuddelkind zu beschäftigen.
Tatort Online-Trojaner
Der Ruf nach der Online-Überwachung soll offenbar von der ernüchternden Tatsache ablenken, dass viele Internet- und Online-Prozesse auf Grund der internationalen Organisation und unterschiedlicher nationaler Gesetze längst den Sicherheitsbehörden entglitten sind.
Klassisches Beispiel sind dazu die erfolgreichen Phishing-Attacken, bei denen Polizeibehörden meist bloß Zuschauer waren und selbst identifizierte Mittäter, die sogenannten Finanzmanger ungeschoren wieder laufen lassen mussten. Mittlerweile konnten die österreichischen Banken durch neue Sicehrehitsverfahren die Angriffe auf die Konten ihrer Kunden stark reduzieren. Österreich bleibt aber Drehscheibe für den Geldtransfer bei Phishingattacken in anderen Ländern (so kennt etwa Großbritannien kein TAN-System).
Mit der geplanten Online-Untersuchung soll ein neues nicht-praktikables System geschaffen werden, bei dem es zwar gelingt den gutgläubigen Bürger auszuspionieren, aber der, "der was zu verbergen hat" kann sich leicht davor schützen.
Eine zusätzliche Problematik gewinnt der Online-Angriff, das die Sicherheitskräfte auf Grund der Vernetzung nicht sicher sein können, welche Systeme sie tatsächlich angreifen, wo diese lokalisiert sind und von wem sie betrieben werden. Dabei könnten sogar rasch Hoheitsrechte anderer Staaten verletzen werden. Die österreichische Polizei könnte damit erstmals in den weltweiten Cyberwar einsteigen, in dem die Grenzen rechtsstaatlichen Handelns völlig verloren gehen.
Tatort Massen-DNA-Test
Praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde 2004 die Strafprozess-Ordnung so geändert, dass ab 2008 Massen-DNA-Test möglich sind. Damit wird ein Grundsatz des österreichischen Rechtssystems ausgehöhlt: Niemand darf verdächtigt werden und staatlichen Eingriffen unterzogen werden, ohne dass konkrete Anhaltspunkte gegen ihn persönlich bestehen.
Künftig reicht es, wenn allgemeine Merkmale auf eine Person zutreffen, damit er zwangsweise einer "körperlichen Untersuchung", einem DNA-Test unterzogen werden kann. Eine Merkmalskombination, wie "männlich, ca. 1.80 groß, Inhaber eines Mobiltelefons, Wohnort Floridsdorf" kann dann schon eine Rechtfertigung für tausende DNA-Tests bieten.
Ein ganz besonderes Problem stellt die Gesetzesbestimmung durch ihre unklare und unbestimmte Formulierung dar. Es passt daher ins Bild, dass das Innenministerium äußerst glücklich über die gewählten Formulierungen ist, läßt sie doch der freien - willkürlichen - Interpretation breiten Raum.
Trotz der scheinbar hohen Strafdrohung, ab der erst diese Massentests erlaubt sind ("mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftat"), fallen nicht nur Delikte gegen Leib und Leben darunter, die in Österreich noch immer relativ selten sind, sondern jede Menge von Vermögensdelikten, wie Diebstahl, Veruntreuung, Betrug oder betrügerische Krida (sofern der vermutete Beutewert mehr als 50.000 Euro beträgt).
Auch aus polizeitaktischer Sicht ist der Weg problematisch. Statt in mühsamer Ermittlungsarbeit möglichst präzise einen Täter zu identifizieren, besteht in Zukunft bei spektakulären Straftaten rasch die Versuchung dem populistischen Druck von der Straße nachzugeben und eine breite und öffentlichkeitswirksame Massenuntersuchung durchzuführen. Findet man den Täter, bestätigt es die Maßnahme, findet man ihn nicht, dann habe man "eh alles getan" und könne den Fall abschließen und beruhigt zur Tagesordnung übergehen.
Grundrechte werden Willkür und Populismus geopfert
Gemeinsam ist diesen "Tatorten", dass ein absoluter Sicherheitsbedarf und -gewinn postuliert wird und dem allen anderen Rechte untergeordnet werden. Damit geht aber die notwendige Balance zwischen staatlichen Eingriffen und bürgerlichen Freiheiten völlig verloren.
Tatsächlich sind jedoch diese technischen Generalmaßnahmen bloß geeignet gewöhnliches, bürgerliches Verhalten zu kontrollieren und überwachen, nicht jedoch organisierte Kriminalität, die weiß das und wie sie etwas zu verbergen hat.
Tatsächlich sollen zu ursprünglich kriminalistischen Zwecken eingeführte Maßnahmen, etwa Schutzzonen und Wegweiserecht, heute für die Beschränkung der Meinungsäußerung verwendet werden und etwa Demonstrationsverbote vor Abtreibungskliniken mittels Schutzzonen gerechtfertigt werden. Es wird wohl nicht lange dauern, dass Pelzhändler und Fleischerbetriebe nach Schutzzonen gegen Tierschützer rufen werden, Chemie- und sonstige Industriebetriebe Schutzzonen gegen Umweltschützer verlangen werden und vielleicht Politiker ganz generell eine Schutzzone gegen Bürger für sich beanspruchen werden.
In Großbritannien ist die Entwicklung schon dort angelangt, hier wird Videoüberwachung inkl. Tonaufnahme für typische Sozial- und Allerweltskonflikte, wie nächtliche Ruhestörung, eingesetzt.
Am Ende dieser Entwicklung steht eine totalitäre Kontrolle der Lebensführung der Bürger und eine Ausheblung des Verfassungsstaates mit seinem System des ausgleichs unterschiedlicher Interessen. Diese Entwicklung wird derzeit besonders durch die Politik und die Gesetzgebung gefördert, die durch unbestimmte und unklare gesetzliche Bestimmungen, deren willkürliche Interpretation und Anwendung erlaubt.