Samstag, 24. Januar 2009
 
Irland: Soziale Spannungen spalten Nation PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Dieter Blumenfeld   
Dienstag, 1. April 2008

Seit Mitte der 1990er Jahre preisen PolitikerInnen von Dublin über London, Brüssel bis Washington das „irische Wirtschaftswunder“ den keltischen Tiger. Seit wenigen Jahren flacht der Wirtschaftsaufschwung aber rapide ab. Immer deutlicher zeigen sich nun die krassen Folge: eine sich immer schneller verschärfende soziale Spannung innerhalb der Bevölkerung Irlands.       

      
Laut der Studie The Emerald Isle: The Wealth of Modern Ireland (dt. Die smaragdgrüne Insel. Der Wohlstand im modernen Irland) veröffentlicht von der National Irish Bank und zitiert von Vincent Brown in der Tageszeitung Irish Times am 13. Februar 2008, gibt es nun als neue Geldanlageform auf der grünen Insel einen Porsche-Club. Es finden sich derzeit zwischen 20 und 30 Porsches des Modells 911 im Land, deren Preis zwischen € 175.000,- und € 250.000,- liegt. Turbo-Modelle von Porsche kosten um die € 250.000,-.        

In der ersten Hälfte des Jahres 2007 wurden 5.700 BMW in den 26 Counties registriert. Jaguar erhöhte seinen Marktanteil um ein Drittel seit 2000. Gleichzeitig vergrößerte Mercedes seinen Marktanteil um die Hälfte.      

Weiters gibt es zwischen 40 und 50 Privatflugzeuge in den 26 Counties, 140 registrierte Helikopter im Privatbesitz und laut dem Irish Marine Institute 25.000 Freizeitboote. Bootsverkäufe machen einen jährlichen Umsatz von € 50 Millionen. Helikopterflugstunden kosten über € 20.000,-.        

Urlaube im Mittleren und Fernen Osten mit Non-Stop-Shopping, Designer-Malls und künstlichem Sonnenlicht boomen. Erwerbungen von Kunstgegenständen wachsen - mehr aus steuerlichen, als aus ästhetischen Gründen.      

Der Report erklärt weiters, dass sich das gesamte Haushaltsvermögen in den letzten fünf Jahren verdoppelt hat.        

Letztes Jahr veröffentlichte die Bank of Ireland einen ähnlichen Bericht mit dem Titel The Wealth of the Nation (Das Vermögen der Nation). Darin hieß es, dass 1% der Bevölkerung 20% des Reichtums kontrollieren, die reichsten 5% halten 40%, was bedeutet, dass die verbleibenden 95% der Bevölkerung über nur 60% des Reichtums verfügen.        

Wird jedoch der Wert an den Wohnhäusern abgezogen, besitzt das reichste Prozent bereits 34% des Vermögens. 2007 gab es 3.000 neue Millionäre. Von denen haben 30.000 ein Vermögen von über € 5 Millionen und 330 eines von über € 30 Millionen. Auf der anderen Seite der Medaille, so ein Bericht des Zentralen Statistikbüros des EU-Büros für Einkommen und Lebensstandards, leben 7% der Bevölkerung des Landes in permanenter Armut. Beinahe 300.000 Personen haben jährlich weniger als € 11.000,- zum Leben. 17% oder über 700.000 Menschen sind armutsgefährdet, das bedeutet, dass sie in einem Haushalt von zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit jährlich € 27.000,- Haushaltseinkommen leben müssen.        

Die Ungleichheit in Lebensstil und Einkommen muss rasch ein zentraler Punkt der Politik werden. € 2.000,- für eine Flasche Wein zu bezahlen kann kaum gerechtfertigt werden, wenn zugleich Menschen in Schlafsäcken auf der Straße die Nacht verbringen müssen; wenn es 200 Betten in Entzugsanstalten für 5.000 Heroinabhängige gibt und Opfer von häuslicher Gewalt aus schützenden Heimen weggeschickt werden, weil diese überfüllt sind.        

Vincent Brown stellt daher die Frage: Ist es wirklich so, dass das System zusammenbricht, wenn es ein wenig Gleichheit in der Frage gibt, wie unser Vermögen und Geld verteilt wird?        

In seiner Kolumne vom 20. Februar behauptete Browne, dass in den 26 Counties jährlich 5.000 Menschen an den Folgen von Ungleichheit und Mangel sterben. Er zitierte aus einer Studie über Ungleichheit und Mortalität, dass die Todesrate an der Folge von Krebs in der höchsten sozialen Stufe 83,1 von 100.000 erkrankten, aber 185,2 bei der untersten sozialen Gruppe liege. Arme haben eine doppelt so hohe Mortalitätsrate wie Reiche.        

Am 22. November 2007 erklärte Prof. Kathleen Lynch vom Equality Studies Centre des University College Dublin in einem Vortrag auf der Konferenz zum Thema „Gleichheit und Einbeziehung“, organisiert von Pobal, die 26 Counties seien „am Ende der Reihe“ der Länder, die den ArbeiterInnen einen Anteil am nationalen Reichtum geben. Des Daltion, Vizepräsident von Republican Sinn Féin, erklärte in einer Presseaussendung, dass ihr Kommentar abermals „die Notwendigkeit für die Gewerkschaftsbewegung unterstreiche, dass alle ArbeiterInnen organisiert und Mitglieder einer Gewerkschaft sind“.        

Prof. Lynchs Äußerung, der Anteil am Wohlstand, den die ArbeiterInnen erhielten, sei seit den frühen 1990er Jahren in den 26 Counties stärker gefallen, als in den der gesamten EU, „unterstreicht abermals die Notwendigkeit der Gewerkschaftsbewegung sicherzustellen, dass alle ArbeiterInnen organisiert und Mitglied einer Gewerkschaft sind. ArbeiterInnen waren nie stärker bedroht, so Dalton.

„Ausgliederungen“von Jobs und der Einsatz von „Stellenvermittungsagenturen“ sind die neueste und gefährlichste Waffe von ArbeitgeberInnen, um die hart erfochtenen Rechte aller ArbeiterInnen zu unterminieren.        

ArbeiterInnen müssen realisieren, dass die „Anpassung nach unten“ in der Frage der Löhne und hart erkämpfter Bedingungen und Abmachungen jede/n ArbeiterIn und jeden Menschen betrifft. Der Geist des „Konflikts der irischen Fähren“ muss wieder belebt werden, ArbeiterInnen müssen sich organisieren und vorbereitet sein, ihre Rechte am Arbeitsplatz, und falls notwendig auch auf der Straße, aktiv zu verteidigen.        

Lynch betonte, dass der Reichtum nicht durch Löhne, Sozialleistungen, Gesundheit oder Bildung umverteilt wird, denn die 26 Counties geben nur 7.5% ihres BIP für Gesundheit aus. In Frankreich sind es im Vergleich 10.4%, im EU-Durchschnitt von 8.7%. Die Krise aufgrund von Falschdiagnosen von Frauen im Midlands-Krankenhaus zeigte dies eindeutig. Die 26 Counties geben nur halb so viel des BIP für Bildung aus, als etwa Staaten wie Dänemark.        

Irish Republican Information Service, März 2008    

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