Der Vertrag von Lissabon macht Bürgerinnen und Bürger Europas mundtot, meinen einige europäische Sektionen von Attac.
Der gestern unterzeichnete Vertrag von Lissabon zwingt den europäischen Bürgerinnen und Bürgern für viele Jahre einen unkontrollierbaren Wirtschaftsliberalismus auf. Er ist aufgrund seines Zustandekommens, seines Inhalts und des geplanten Vorgehens bei der Ratifikation abzulehnen. Die europäischen Attac-Sektionen fordern, dass alle neuen europäischen Grundlagentexte von einer für diesen Zweck gewählten Versammlung verfasst werden. Davon ist das derzeitige Vorgehen weit entfernt: Der neue Vertrag ist ohne jegliche Transparenz hinter verschlossenen Türen von einer Expertengruppe ausgearbeitet worden.
Der Vertragsinhalt ist zu mehr als 90 Prozent mit dem Verfassungsvertrag von 2004 identisch, der im Jahr 2005 in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt wurde. Der neue Text ist nun jedoch vollkommen unlesbar. Etwa 360 Zusatzartikel aus dem Vertrag von Maastricht sowie aus dem Vertrag von Rom wurden eingefügt. Alle Zutaten des Verfassungsvertrags finden sich im neuen Text wieder: Freier Wettbewerb, Preisstabilität im Rang eines Ziels der Europäischen Union, Unterwerfung unter die NATO, der Zwang für die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern, das Recht auf Einmischung in Drittländern. Die Europäische Zentralbank bewahrt ihre Unabhängigkeit gegenüber den Mitgliedsstaaten. Das politische Gewicht des Europa-Parlaments ist im Vergleich zu Kommission und Ministerrat nach wie vor gering.
Gegenüber dem Verfassungsentwurf von 2004 stehen Referenda für die Regierungen erst gar nicht zur Debatte - aus Angst vor einem Nein. Einzig Irland wird ein Referendum abhalten. Der Ärger darüber ist bei den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs und der Niederlande groß. Sei sehen ihr Votum von 2005 mit den Füßen getreten. Dasselbe gilt für Großbritannien, wo 2006 in einem Referendum stattfinden sollte. Dies ist nun nicht mehr vorgesehen. Auch in anderen EU-Ländern spricht sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für Volksabstimmungen aus.
Deshalb fordern die europäischen Attac-Organisationen, dass der Vertrag von Lissabon in jedem einzelnen EU-Mitgliedsland Gegenstand eines Referendums wird. Dies ist der einzige Weg, um den Graben, der zwischen der europäischen Elite und den Bürgerinnen und Bürgern aufgerissen worden ist, zumindest ein wenig zu verkleinern.
Attac Dänemark, Attac Deutschland, Attac Flandern, Attac Frankreich, Attac Österreich, Attac Spanien, Attac Ungarn (weitere folgen)
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