Im »Krieg gegen den Terror« gelten für Österreichs Justiz keine Gesetze mehr, meint Werner Pirker in der deutschen Zeitschrift junge welt.
Der sogenannte Wiener Terrorprozess ist am Mittwoch mit Schuldsprüchen in sämtlichen Anklagepunkten zu Ende gegangen. Die Urteile: Vier Jahre Haft für den 21jährigen Mohamed Mahmoud und 22 Monate für seine Gattin Mona Saleh Ahmed (20). Es war ein Musterprozess, der neue Maßstäbe für eine Rechtssprechung im Namen der Terrorbekämpfung setzte. Die beiden Angeklagten wurden verurteilt, nicht weil sie eine Terrortat begangen oder vorbereitet hatten, sondern weil sie, wie ihnen das Gericht unterstellte, eine terroristische Gesinnung an den Tag gelegt haben sollen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie Propaganda für islamistische Terrororganisationen betrieben und damit einen geistigen Nährboden für Terrorismus aufbereitet hätten.
Mahmoud wurde die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Tatsächlich hatte er sich in der Globalen Islamischen Medienfront betätigt, die von der Anklage dem Al-Qaida-Netzwerk zugeordnet wird. Beweise für eine solche Verbindung wurden nicht vorgelegt. Corpus delicti war ein sogenanntes Drohvideo, in dem Österreich und Deutschland aufgefordert werden, ihre Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, andernfalls sich diese Länder in Gefahr brächten, zu Zielobjekten von Terroranschlägen zu werden. Die Anklage meinte zu wissen, dass das Video von Mahmoud ins Netz gestellt worden sei. Auch wenn es dafür keinen Beweis gab, sah die Jury den Straftatbestand der »Nötigung der Bundesregierung« erfüllt.
Es handelte sich schließlich um einen Musterprozess. Nichts brauchte mehr nachgewiesen werden, nachdem sich die Gesinnung der Angeklagten als hinreichend »terroristisch« erwiesen hatte. Dem Modellcharakter dieses Prozesses machte auch einem Richter alle Ehre, der seine politischen Ansichten Kraft seines Amtes zu Rechtsgrundsätzen erhob. Seine sehr persönlichen Ansichten. Denn mit seiner Meinung, es habe keinen Krieg gegen den Irak gegeben, weil es sich beim Überfall auf das Zweistromland um eine Befreiungstat gehandelt habe, steht Richter Norbert Gerstenberger auch in Österreich ziemlich allein da. Mahmouds gegen das US-Besatzungsregime im Irak gerichtete Äußerungen wertete er im Bewusstsein objektiver Rechtssprechung als heimtückische Attacken gegen die »einzige Demokratie in der arabischen Welt«. In diesem Musterprozess gerieten völkerrechtlich begründete Ansichten, wie die Befürwortung von Widerstand gegen ein illegitimes Besatzungsregime schnurstracks auf die Anklagebank, während die Organe österreichischer Rechtssprechung Lobreden auf den Bruch internationalen Rechts anstimmten.
Die Anklageschrift hat den turbulenten, stets am Rand des Abbruchs befindlichen Prozessverlauf vorgegeben. Im Stil eines primitiven Hetzpamphlets verfasst, stellte sie einen direkten Zusammenhang zwischen Islam und Terrorismus her. Das war auch der Geist, in dem der Richter seines Amtes waltete. Er schloss Mona Saleh, die sich geweigert hatte, ihren Schleier abzulegen, von der Verhandlung aus. Damit wurde der Zweitbeklagten auch noch ihr elementarstes Recht, am eigenen Prozess teilnehmen zu können, aberkannt. Am Schlusstag ließ Gerstenberger den letzten Anschein von Anstand fallen, als er der jungen Frau, die eine Erklärung abgeben wollte, vorhielt, sich »mit einem Fetzen vor dem Gesicht« nicht verständlich ausdrücken zu können. Als »Richter Gnadenlos« den Wunsch des Erstbeklagten, vor dem Schlussplädoyer einige Worte mit seiner Frau wechseln zu dürfen, ablehnte, wurde es laut im Verhandlungssaal. Mahmoud protestierte, was zu brutalen Reaktionen der Justizwachbeamten führte. Allein dieser Vorfall zeigte, dass die Vorwürfe der beiden Angeklagten während der Untersuchungshaft groben Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein - Frau Saleh erklärte, durch einen groben gynäkologischen Eingriff ihr Kind verloren zu haben - wohl der Wahrheit entsprechen könnten.
Dagegen gerät die Tatsache, dass das gegen Mohamed Mahmoud gesammelte Material auf illegale Weise gesammelt wurde, nur noch zu einem »Skandal am Rande«. Schlimm genug: Die Online-Durchsuchung an seinem Laptop erfolgte ohne richterliche Genehmigung. Aber das sind nun einmal die zur Teilnahme am rechtswidrigen »War on Terror« benötigten Methoden.
jungeWelt, 14.3.2008 Von Werner Pirker
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