Demokratie: Abstrakte Probleme |
Geschrieben von Bernhard Redl | |
Donnerstag, 1. Februar 2007 | |
Es gibt schon zuviel Demokratie im Land. Dass Volk wählt viel zu oft und Verfassungsrecht interessiert eh niemanden. Meint die Regierung. Bernhard Redl meint angesichts des Koalitionspaktes, daß es Zeit wird, daß sich auch die "Zivilgesellschaft" ein wenig mit prinzipiellen Fragen von Staat, Demokratie und Verfassung beschäftigt. Ich warte jetzt seit Wochen. Und zwar darauf, ob nicht doch, nach einem Abklingen der Aufregung ueber Studiengebuehren, Eurofighter und Ressortaufteilung, auch andere Ideen dieses Regierungsabkommens zu einer oeffentlichen Diskussion fuehren wuerden -- speziell dieser eine Satz: "Die Gesetzgebungsperiode wird ab der naechsten Gesetzgebungsperiode auf fuenf Jahre verlaengert." Zugegeben, langsam fragt man sich schon, warum man eigentlich zur Wahl geht. Seit 1986 gab es nur Regierungen, in denen die OeVP letztendlich das Sagen hatte -- unabhaengig vom Ausgang der Wahl. Dennoch, ein gewisser Einfluss ist der ganzen Waehlerei nicht abzusprechen, vor allem deswegen, weil das so ziemlich die einzigen Moeglichkeiten sind, wo der Souveraen zumindest ansatzweise und tendenziell etwas wie eine Meinung aeussern kann. Auch wenn diese dann bis zur Unkenntlichkeit uminterpretiert wird; auch wenn Wahlen durch eine Medienlandschaft manipuliert werden, deren demokratische Kategorien hoechst eingeschraenkt sind; auch wenn unser Wahlrecht fuer kleine Parteien fast unueberwindbare Huerden schafft; ganz wurscht ist es nicht, wie oft wir unser Kreuzerl machen duerfen. In den vorangegangenen Legislaturperioden geisterte immer wieder eine Debatte durch die Gazetten, dass man im Parlament diskutiere, die plebiszitaeren Elemente zu staerken. Herausgekommen ist dabei genau gar nichts. Und auch fuer diese Periode ist nichts geplant. Da ist eben nur vorgesehen, dass der Souveraen noch laenger warten muss, bis er seine Stimme im wahrsten Sinne des Wortes abgeben kann. Da es hierzulande nur schwer ist, die mediale Aufmerksamkeitsschwelle zu ueberschreiten, wenn man nicht gerade ein prominenter Funktionaer in Parteien, dem OeGB oder der katholischen Kirche ist, und die alle miteinander noch nie grosses Interesse an Demokratisierung hatten; die Parteien ausserdem von einer Verlaengerung der Legislaturperiode profitieren, da sie nur seltener Wahlkampf machen muessen; und ueberdies das Thema nicht die Partikularinteressen irgendeiner Lobbyorganisation tangiert, ist die oeffentliche Diskussion darueber nicht gerade als "entbrannt" zu qualifizieren. Verfassung per Eilverfahren Immerhin fanden sich diese Plaene zur Wahlverzoegerung noch in dem einen oder anderen Medium in einer Randbemerkung wieder. Was aber voellig untergegangen ist, sind die Plaene der Bundesregierung zur Verfassungsneugestaltung. Rudimentaer gab es ja in den letzten Jahren in unseren Medien immer wieder Berichte, dass eine vollkommene Umkrempelung der Verfassung kommen sollen. Durchaus nicht verwerflich, traegt unser Verfassungsrecht doch auch nach Expertenmeinung ruinenhafte Zuege, da seit Kaisers Zeiten nur an ihm herumgedoktert wurde, wie es halt gerade opportun erschien. Prinzipielle Idee der Neuerung war dabei das Inkorporationsgebot, also die Forderung, dass alle Verfassungsbestimmungen tatsaechlich in einem buendigen Text zusammengefasst sein sollen, anstatt in -zig Gesetzen herumzuschwirren, die auch den Juristen nicht immer gelaeufig sind. Nur taucht dabei natuerlich die Gefahr auf, dass man bei dieser Frontbegradigung gleich auch ein paar neue Bestimmungen einfuehren kann, die mit den bisherigen Verfassungsprinzipien nichts zu tun haben. Beruehmt wurde dabei die von klerikalreaktionaerer Seite immer wieder aufgestellte Forderung, "Gott" irgendwie in eine Praeambel hineinzuschummeln. Aber sowas ist auch schlagzeilentauglich, darueber diskutiert man, was aber an wirklich relevanten Aenderungen tatsaechlich je von rechts geplant war, darueber hoerte man kaum etwas. Da es nie zur Verfassungsreform kam -- vor allem, weil die Regierung keine Verfassungsmehrheit hatte -- koennen wir heute auch nicht nachlesen, welche Kelche da an uns voruebergegangen sind. Doch jetzt ist alles anders. Jetzt gibt es im Parlament eine bequeme Zweidrittel-Mehrheit fuer die Regierung. Und ausgerechnet jener Herr, der einer der vehementesten Gottesstreiter war und der auch den Begriff des "Speed kills" in die oesterreichische Innenpolitik eingefuehrt hat, Andreas Khol naemlich, gehoert zu jenem erlesenen Zirkel, der jetzt im Eilzugstempo fuer eine neue Verfassung sorgen: "Zur Formulierung der notwendigen Rechtstexte wird beim Bundeskanzleramt eine Expertengruppe eingerichtet, der von Seiten der SPOe Dr. Kostelka und Dr. Oehlinger, von Seiten der OeVP Dr. Fiedler und Dr. Khol sowie zwei Vertreter der Landeshauptleute-Konferenz angehoeren. Sie hat ihre Vorschlaege bis zum 30. Juni 2007 zu erstatten, auf deren Grundlage die Beratungen im Parlament mit dem Ziel stattfinden, die Verfassungsreform bis Ende des Jahres 2007 zu beschliessen." heisst es im rotschwarzen Pakt. Das kann was werden, denkt sich der gelernte Oesterreicher in mir, wenn eine OeVP-dominierte Regierung binnen weniger Monate unter weitgehendem Ausschluss der Oeffentlichkeit und sogar der Opposition einen von Herrn Khol abzusegnenden Text zur neuen Bundesverfassung erheben will -- schoenen Gruss vom Hause Habsburg! Was tun? Ich kann es nur immer wiederholen: Wir brauchen eine NGO, die sich prinzipiell und anlassunabhaengig mit Demokratie, Grundrechten und Verfassungsrecht auseinandersetzt und auch versucht, diese Themen in einer breiten Oeffentlichkeit zur Diskussion zu bringen. Ich weiss, dass Thema ist abstrakt und man kann damit nur schwer eine unmittelbare Betroffenheit generieren. Aber immerhin geht es hier um rechtliche und gesellschaftliche Grundlagen, deren Nichtweiterentwicklung (oder besser: Verrottung) zu thematisieren und zu kritisieren ist, soll politische Arbeit in allen anderen Bereichen noch sinnvoll oder ueberhaupt moeglich sein. |
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