Derzeit wird in einem höchst elitären Zirkel die Grundlage der Republik, die Bundesverfassung, runderneuert. Die Chancen von Parlament und Bundesvolk, sich noch einmischen zu können, werden dabei sorgfältig minimiert.
Andreas Khol ist Pensionist. Er hat kein öffentliches Mandat mehr inne. Was macht man als Pensionist? Man schreibt eine neue Verfassung. Ein nettes Hobby für einen Pensionisten, fürwahr. Andere sammeln Briefmarken oder machen Weltreisen, Khol schreibt halt Verfassungsrecht. Nur wenn andere Pensionisten so etwas machen, ist das deren Privatvergnügen, bei Herrn Khol ist das anders. Unter seiner Führung bastelt derzeit eine Altherrenrunde (außer ihm noch Volksanwalt Kostelka, Verfassungsrechtler Oehlinger, Ex-Rechnungshofpräsident Fiedler und zwei Vertreter der Landeshauptleute) an einer neuen Verfassung.
Daß der erste Teil nun fertig sei, beschließt nicht der Nationalrat, sondern Herr Khol alleine und veröffentlicht wird dieser Beschluß nicht im Bundesgesetzblatt, sondern im "Kurier". Dort erfahren wir aber auch nicht, was im Detail in der neuen Verfassung stehen soll, sondern außer ein paar Häppchen hauptsächlich, daß es dort stehen WIRD, denn der ganze Artikel ist im Indikativ geschrieben, sodaß der Eindruck entstehen muß, daß die Meinung des Nationalrats dazu irrelevant ist — vom Bundesvolk ganz zu schweigen: O-Ton Kurier: "Bürger können Gesetze bei säumigen Politikern künftig einklagen. ... Die Schulbehörden werden völlig umgekrempelt, Landes- und Bezirksräte werden abgeschafft. Stattdessen wird es Bildungsdirektionen geben. Volksanwälte und Rechnungshofpräsident können künftig mit Zweidrittelmehrheit vom Nationalrat abberufen werden." Weil: Wenn Herr Khol das so sagt, wird das auch schon stimmen.
War schon der Verfassungskonvent eher eine Geheimniskrämerbude, die das ungeschulte Volk nicht mit der komplizierten Materie des Verfassungsrechts behelligen wollte, ist nach dessen Scheitern diese sechsköpfige Kommission als geradezu clandestin zu bezeichnen. Tatsächlich sind selbst Nationalratsabgeordnete bislang aufs Zeitunglesen angewiesen. "Wir wissen so gut wie nichts", heißt es beispielsweise aus dem Grünen Parlamentsklub. Peter Kostelka hingegen, der sozialdemokratische Partner von Khol, ließ auf meine Anfrage hin verlauten, man müsse noch Geduld bis zur Endredaktion haben. In ”ein paar Wochen” werde man soweit sein, dann könne der Entwurf in Begutachtung gehen.
Das hält aber Herrn Khol nicht davon ab, schon jetzt ganz genau zu wissen, was in der neuen Verfassung stehen wird: "Das wird die größte Reform seit 1920" und "Von 150 Verfassungsartikeln sind 50 berührt." Damit meint er wohl die 150 Artikel des Bundes-Verfassungsgesetzes. Dazu kommen aber noch all die Verfassungsbestimmungen außerhalb des B-VG, die dem Inkorporationsgebot der Idee einer neuen Verfassung folgend zum Großteil getilgt und irgendwie in ein neues B-VG aufgenommen werden müssen. Wenn das keine Gesamtänderung der Verfassung ist, dann weiß ich nicht, was eine sein könnte! Und eine solche macht laut geltender Verfassung eine Volksabstimmung nötig — aber darüber redet man nicht, denn der Souverän ist nicht das Volk, sondern Herr Khol.
Und das Schlimmste daran ist: Der "Kurier" hat schon recht, wenn er nicht anzweifelt, daß Khols Wort (Verfassungs-)gesetz sei. Denn bei der Verlängerung der Legislaturperiode war es doch genauso: Khol war so ziemlich der einzige hochrangige Politiker, der über Jahre hinweg die Verlängerung der Legislaturperiode forderte. Kaum gab es eine Regierung mit Zweidrittelmehrheit, wurde die Verlängerung auch schon beschlossen.
Die Tatsache, daß die Begutachtung in ein paar Wochen die Verfassungreform der Allgemeinheit vorstellen wird, gibt der Befürchtung einer Überrumpelungstaktik nur noch mehr Nahrung. Denn in das Begutachtungsverfahren muß der Entwurf nunmal, daher trifft es sich ganz ausgezeichnet, wenn man das in den Parlamentsferien macht, wo auch sonst die meisten Meinungsmacher auf Urlaub sind und kaum jemand Zeit und Lust aufbringen wird können, etwas derart Sperriges wie einen Entwurf zur Totalreform der Verfassung ausreichend zu würdigen.
Mit der neuen Verfassung, die in zukünftigen Geschichtsbüchern wahrscheinlich als "Khol´sche" bezeichnet werden wird, werden wir daher wohl ohne große Debatte beglückt werden.
Es wird daher niemanden wundern, daß ich von meinem Ceterum Censeo nicht lassen kann: Im Übrigen bin ich der Meinung, daß es eine NGO für Verfassungs- und Demokratiefragen geben müßte.
Siehe auch: Abstrakte Probleme, DAZ, 1.2.2007 Kurier-Interview: http://www.kurier.at/nachrichten/oesterreich/80892.php
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