Samstag, 24. Januar 2009
 
Iran: Ein Ende der Steinigungen? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von amnesty international   
Sonntag, 10. Februar 2008

Amnesty international berichtet über die derzeitige Praxis der Hinrichtungen, aber auch über Hoffnungen auf ihre Abschaffung.

Die Steinigung, eine der brutalsten Hinrichtungsformen überhaupt, ist im Iran nach wie vor gängige Praxis. Trotz eines Moratoriums im Jahr 2002 wurden seither mindestens drei Menschen zu Tode gesteinigt. Mindestens dreizehn weitere Personen, die zum Tod durch Steinigung verurteilt wurden, warten derzeit auf ihre Hinrichtung.

Der Tod durch Steinigung steht im Iran auf eine Tat, die in den meisten Ländern nicht einmal strafbar ist: Ehebruch. Oft gehen Steinigungen unfaire Gerichtsverfahren voraus. Als Beweismittel können die "Erkenntnisse" des zuständigen Richters ausreichen.

Die Mehrheit der zum Tod durch Steinigung Verurteilten sind Frauen. Das liegt vor allem daran, dass Frauen in vieler Hinsicht diskriminiert sind. So ist es für Frauen schwerer, eine Scheidung zu erreichen, während Männer ein uneingeschränktes Scheidungsrecht genießen. Laut iranischem Recht hat die Aussage einer Frau vor Gericht nur halb soviel Gewicht wie die eines Mannes. Im Rahmen von Prozessen wegen Ehebruchs zählen Zeugenaussagen einer Frau zudem nur dann, wenn sie von mindestens zwei Männern bestätigt werden.

Die Schlechterstellung von Frauen in Gerichtsverfahren wird dadurch noch verstärkt, dass vielen schlicht das Geld für eine/n AnwältIn fehlt. Besonders schwierig ist es auch für Angehörige ethnischer Minderheiten. Sie verstehen die Gerichtssprache Persisch oft nicht. Viele können nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben.

"Die Steine dürfen bei einer Steinigung nicht so groß sein, dass die Person getötet wird, wenn sie von einem oder zwei davon getroffen wird, und auch nicht so klein, dass man sie nicht mehr als Stein ansehen kann." (Art. 104 des iranischen Strafgesetzbuchs)

Steinigungen sind besonders grausam. Der Tod durch Steinigung soll langsam und qualvoll eintreten. Männer werden dabei bis zur Hüfte und Frauen bis unter die Brust eingegraben. Üblicherweise sind sie in weiße Tücher gehüllt. Dann werden sie öffentlich – unter den Augen von Richter, Zeugen und Schaulustigen – solange mit Steinen beworfen, bis der Tod eintritt.

Hajieh, Ka’far und Ebrahimi

Hajieh Esmailvand, eine 35-jährige Angehörige der aserbaidschanischen Minderheit im Iran, wartete fast sieben Jahre lang auf ihre Steinigung. Der Mörder ihres Mannes hatte sie der Mittäterschaft bezichtigt und behauptet, sie sei mit ihm fremd gegangen. Bei Verhören hatte Esmailvand auch unter Zwang ein Dokument unterschrieben, das sie aufgrund ihrer mangelnden Persisch-Kenntnisse nicht lesen konnte. Im Prozess wurde das Papier dann als "Geständnis" gewertet und gegen sie verwendet. Esmailvands Aussage, wonach sie mit dem Mord nichts zu tun habe und der Täter in Wahrheit vergeblich versucht hatte, sie zu vergewaltigen, fand vor Gericht hingegen keine Berücksichtigung. Sie wurde verurteilt – für den Mord zu fünf Jahren Haft, für den Ehebruch zum Tod durch Steinigung.

Auch ihr Urteil verstand sie nicht, da sie unter anderem das persische Wort für Steinigung (rajm) nicht kannte, bis sie von ihrem Bruder über den Schuldspruch aufgeklärt wurde. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Verfahren setzte der zuständige Vollzugs-Richter die für September 2004 vorgesehene Hinrichtung vorerst aus. Erst im September 2006, nach massivem Druck, unter anderem von amnesty international und der iranischen Kampagne "Stop Stoning Forever", wurde Esmailvand aus der Haft entlassen und im Dezember 2006 vom Vorwurf des Ehebruchs freigesprochen.

Obwohl der Iran bereits 2002 zusicherte, die Praxis der Steinigungen zu beenden, hat es seitdem mehrfach Hinrichtungen dieser Art gegeben. So wurden im Mai 2006 eine Frau namens Mahboubeh M. und ein Mann namens Abbas H. auf einem Friedhof in Mashhad wegen des Mordes an Mahboubehs Ehemann und wegen Ehebruchs zu Tode gesteinigt. Unter den Personen, die sich an der brutalen Exekution beteiligten, waren mehr als hundert Revolutionswächter und Angehörige der Basij-Freiwilligenmiliz.

Der letzte Mensch, der im Iran zu Tode gesteinigt wurde, war Ja’far Kiani am 5. Juli 2007. Die Behörden gaben später an, dies sei ein "Versehen" gewesen. Er war des Ehebruchs mit Mokarrameh Ebrahimi, mit der er zwei Kinder hat, für schuldig befunden worden. Ebrahimi, die ebenfalls zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde, befindet sich derzeit mit einem ihrer beiden Kinder im Gefängnis von Choubin, Provinz Qazvin, in Haft und könnte weiterhin jederzeit exekutiert werden.

Mitte 2006 startete eine Gruppe iranischer MenschenrechtsverteidigerInnen eine Kampagne zur Abschaffung von Steinigungen. Die AktivistInnen sind laufend Schikanen und Verhaftungen ausgesetzt. Von den 11 Personen, für die sie sich ursprünglich eingesetzt hatten, sind fünf in der Zwischenzeit nicht mehr von Steinigung bedroht. Einige Urteile werden derzeit überprüft. Nach amnesty international vorliegenden Informationen warten Anfang Februar 2008 im Iran mindestens elf Frauen – Iran, Khayrieh, Kobra N, Fatemeh, Ashraf Kalhori, Shamameh Ghorbani, Mokarrameh Ebrahimi, Leyla Ghomi, Hajar, Zohreh und Azar Kabiri-niat – und zwei Männer – Abdollah Farivar und ein namentlich unbekannter afghanischer Staatsbürger – auf ihre Hinrichtung durch Steinigung.

Zurück in die Zukunft

Seit einiger Zeit liegt dem iranischen Parlament (Majles) eine Neufassung des Strafgesetzbuchs vor. Diese enthält eine Bestimmung, die vorsieht, dass Steinigungsurteile in anderen Hinrichtungsarten oder Prügelstrafen umgewandelt werden können.

amnesty international begrüßt dieses Reformvorhaben, lehnt jedoch die Todesstrafe und jede Form der Prügelstrafe als Verletzung des Rechts auf Leben und des Verbotes der Folter und Misshandlung uneingeschränkt ab. ai fordert die iranische Regierung auf, alle noch anstehenden Steinigungen auszusetzen und die Anwendung der Todesstrafe durch Steinigung und von Prügelstrafen sowie die Bestrafung von "einvernehmlichen außerehelichen sexüllen Beziehungen" auf Gesetzesebene endgültig abzuschaffen. Zudem sollte der Iran als Unterzeichnerstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte auf die Abschaffung der Todesstrafe hinarbeiten.

Quelle: http://www.amnesty.at/aktionen/2008/iran/index.htm



Veranstaltung: Solidarität mit iranischen Frauenrechtsaktivistinnen

Iranische Frauen sind nicht nur Opfer patriarchaler Politik und Gesellschaft, sondern setzen sich aktiv zur Wehr. Im Jahr 2006 starteten iranische Fraünrechtsaktivistinnen eine Kampagne für die Gleichstellung von Frauen und wehrten sich damit gegen gesetzliche Diskriminierung, staatliche und häusliche Gewalt.

Montag, 3. März 2008, 19:00, AAI-Wien, Großer Saal (Türkenstraße
3, 1090 Wien)

Programm: Fataneh Kianerci: Todesstrafe, Steinigung (Campaign against stoning), ai-Netzwerk Todestrafe: Todesstrafe – unmenschlich und unwiderruflich; Shiva Badihi (GIF): Iranische Frauen fordern ihre Rechte.

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