Samstag, 24. Januar 2009
 
Von Südafrika lernen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Eva Kumar   
Montag, 21. Juli 2008

Nelson Mandelas 90. Geburtstag zu feiern war der Anlass für ein Treffen von Radio Afrika TV, Afrikanet.info, ÖGB und SADOCC in der Diplomatischen Akademie am 18. Juli.

Die Anti-Apartheid-Bewegung in Österreich geht auf die späten 1970er Jahre zurück und sah sich als Partner des African National Congress von Nelson Mandela. Seine Vision und sein politischer Kampf waren es, die damals viele Menschen in Österreich angesprochen haben, erinnerte sich der Historiker Walter Sauer von SADOCC (Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika). Österreich war Handelspartner und Partner in diplomatischen Beziehungen zum damaligen Apartheidregime Südafrika.

V.l.n.r.: Walter Sauer (SADOCC), Simon Inoue (Afrikanet.info), L. M. Gumbi, Botschafter von Südafrika
Die Arbeit der Anti-Apartheid-Bewegung war schwierig unter den damaligen Bedingungen: Nelson Mandela war in Österreich weitgehend unbekannt, eine Unterstützung der Freiheitsbewegung gegen das offiziell anerkannte Regime Südafrikas schien aussichtslos.

Nicht nur Unkenntnis der Verhältnisse - die Welt war damals enger und kleiner, die tägliche Berichterstattung sehr zentriert auf die lokalen Verhältnisse - waren das Problem, sondern auch der politische Widerstand in Österreich. Auf einer Veranstaltung der ÖVP erregte Walter Sauer als geladener Referent Entsetzen und Ablehnung, als er Nelson Mandela mit dem Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg verglich.

Die Parallele ist offensichtlich: Als legaler und gewaltloser Widerstand nicht mehr möglich war, hat Mandela wie einst Stauffenberg, auch bewaffneten Widerstand organisiert. Gegeneinen Staat, der die Ungleichheit in seiner Verfassung festschrieb und dessen Druck immer unerträglicher wurde.

Während die Verfassungen der EU-Staaten und der USA auf der Basis der Menschenrechte und des Gleichheitsgrundsatzes beruhten, hatte Südafrika damals die Apartheid, die soziale, wirtschaftliche, rechtliche Ungleichheit der Menschen per Verfassung festgeschrieben.

Jeder Bürger Südafrikas wurde nach seiner Geburt einer von vier Rassengruppen zugeordnet, wobei ein Bürger europäischer Herkunft alle Privilegien für seine Zukunft hatte, während die der untersten Stufe afrikanischer Herkunft zugeordneten Menschen keine bürgerliche Freiheit besaßen. Die zahlenmäßig weit größere schwarze Bevölkerung des Staates Südafrika durfte sich also weder Wohnort noch Ausbildung wählen, durfte sich nicht frei bewegen, lebte von Anfang an in einem engmaschigen Gefängnis.

Auch in Österreich herrschte noch in den 70er bis in die späten 80er Jahre mehr als heute ein Klima der Ungleichheit nach sozialer Herkunft, Ausbildung, Geschlecht, gewachsen aus dem Nationalsozialismus und verstärkt und konserviert von den Nach-Kriegs-Regierungen.

Das fortschrittliche Österreich schloss sich der Vision Mandelas, die sich in der Freedom Charta von 1955 äußert, an. Seine Vision ist ein demokratischer Staat, in dem alle Menschen, die dort leben, die gleichen Rechte haben und der nach dem Willen aller seiner Bürger regiert wird.

Die Angehörigen aller nationalen Gruppen sollen die gleichen Rechte haben und auf gerechte Weise am Wohlstand des Staates partizipieren können. Die Freiheit der Bewegung, der Schutz vor Raub und Sklaverei, gesetzlich garantierte Bürgerrechte, geregelte Arbeitszeit und Mindestlöhne, das Recht auf menschenwürdige Unterkunft, freie Ausbildung je nach Fähigkeit und Interesse, sollen für alle garantiert sein, unabhängig von Hautfarbe, nationaler Zugehörigkeit und Geschlecht.

Die Worte der Freiheits-Charta fanden auch in Österreich Zustimmung und verlangten nach Umsetzung auch hier, da Österreich zwar nach 1945 wieder eine demokratische Verfassung hatte, aber deren Prinzipien sich noch immer nicht im Bewusstsein und täglichen Handeln durchgesetzt hatten. Die Schulen waren noch in den 80ern überschwemmt von südafrikanischer Propaganda. 1976, zur Zeit des Aufstands in Soweto, war diese zwei Millionen Einwohner zählende Stadt in keinem österreichischen Atlas verzeichnet. In den Schulbüchern war die Geschichte und Wirtschaft Südafrikas eine Geschichte von vor allem holländischer Besiedlung und Bewirtschaftung leeren Landes, der Kultur rein weißer Städte. In staatlich approbierten Schulbüchern waren Begriffe wie Neger, Kaffer Hottentotten als Bezeichnungen für die Urbevölkerung Afrikas üblich. Die Antiapartheidbewegung in Österreich hat darauf aufmerksam gemacht und fand Widerstand und Konfliktscheu bei den zuständigen Beamten im Unterrichtsministerium. Man hatte in Österreich Angst vor dem Konflikt mit der diplomatischen Vertretung Südafrikas, denn das reiche Südafrika war trotz seiner menschenfeindlichen Innenpolitik geschätzter Handels- und Wirtschaftspartner nach außen.

Erst zehn Jahre später, Anfang der 90er Jahre führte die nicht nachlassende Lobby-Arbeit der Antiapartheid- und Solidaritätsbewegung in Österreich zu einem Erlass, der den rassistischen Sprachgebrauch und die geschichtliche Darstellung Afrikas in Schulbüchern korrigiert und regelt. Zehn Jahre Arbeit waren vonnöten, um ein realistischeres Bild von Afrika ins Bewusstsein der Österreicher zu bringen. Noch viel Informations- und Aufklärungsarbeit wäre notwendig, um die kulturellen und sozialen Stereotypen, die sich in Fremdenangst, Ausländerdiskriminierung, Alltagsrassismus äußern, zu wandeln.

Im Gegenteil: diese Stereotypen und die damit verbundenen Gefühle werden vor allem in Krisenzeiten wiederbelebt und von politischen Gruppierungen als Instrument eingesetzt.

Die Republik Südafrika hat das Glück, mit Nelson Mandela und seinen Mitkämpfern Wegweiser zur Entwicklung einer prosperierenden Gesellschaft zu haben, die auf den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit beruht. Mandelas Freedom-Charta enthält die Vision, die es zu verwirklichen gilt.

Auch Österreich hat noch einen langen Weg, um die Grundsätze von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, die in dürreren Worten auch in seiner Verfassung stehen, zu lebendigen geltenden Werten zu machen. Österreich braucht kein anderes Wahl-Programm, als die Freedom-Charta. Südafrika könnte diesmal zeigen, wie es geht, aus der institutionalisierten Ungleichheit zu einer freien Gesellschaft zu gelangen.

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