Der Wahlkampf gerät in die heiße Phase und die Parteien lassen kein Fettnäpfchen aus. Die SPÖ wirbt mit einer Pseudotelefonumfrage, Wilhelm Molterer missbraucht Finanzamtsdaten. Überraschte Bürger erhielten Schreiben vom Finanzminister.
SPÖ-Pseudoumfrage schlägt hohe Wellen
In den letzten Tagen wurden 70.000 Wiener durch einen automatisierten Wahlkampfanruf von Bürgermeister Michael Häupl belästigt. Langatmig erklärt er, warum die SPÖ in Wien so toll wirtschaftet und wie viele Vorteile die Bürger haben. Am Ende kommen noch zwei Suggestivfragen, die per Tastendruck beantwortet werden sollen. Damit soll die offensichtliche und unerlaubte Wahlwerbung als "neutrale" und erlaubte Meinungsumfrage getarnt werden.
Peinliche Unkenntnis offenbart dabei der ressortzuständige Minister Werner Faymann, im Nebenberuf SP-Spitzenkandidat. Man habe ja nur Leute, die im Telefonbuch stehen angerufen und das seien ja keine schützenswerten Daten. Übersehen wird, dass gemäß §107 TKG jeder unerwünschte Werbeanruf verboten ist und als Verwaltungsübertretung mit bis zu 37.000 Euro bestraft werden kann (je Anruf!). Herr Minister Faymann, lernen Sie das Telekommunikationsgesetz!
VP-Molterer missbraucht Finanzamtsdaten
Bei dieser Missachtung der Bürger und ihrer Privatsphäre kann selbstverständlich VP-Molterer nicht nachstehen. Er macht es nur um einige Grade geschickter.
Als Serviceleistung getarnt haben in den letzten Tagen tausende Bürger ein individualisiertes Schreiben des BMF, gezeichnet mit "Mag. Wilhelm Molterer", erhalten. Tenor: "machen Sie einen Jahresausgleich, so und so viel Euro liegen für Sie vom letzten Jahr bereit".
Es handelt sich nicht um ein - grundsätzlich legitimes - allgemeines Informationsschreiben zum Jahresausgleich. Der famose VP-Molterer hat für jeden angeschriebenen individuell die vermutete Steuergutschrift berechnen lassen.
Schreiben im Bereich des Amtsmissbrauchs
Pikantes Detail. Die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung, also die Berechnung der Steuerleistung, ist Sache des zuständigen Wohnsitzfinanzamtes und nicht des Finanzministeriums. Das BMF hat bloß eine organisatorische und disziplinäre Oberaufsicht, darf aber die Steuerdaten der Bürger gar nicht selbst verwenden oder auswerten.
VP-Molterer hat somit einen der zentralen Grundsätze des Datenschutzgesetzes gebrochen, Daten dürfen nur von den zuständigen Stellen verwendet werden. Freilich, ein Erinnerungsschreiben vom Finanzamtsleiter wäre nicht so wahlwerbewirksam, wie das Moltererschreiben.
Es passt zu dieser Amtsanmaßung, dass keine DVR-Nummer angeführt wurde. Ein weiterer Bruch des Datenschutzgesetzes. Herr Minister Molterer, lernen Sie das Datenschutzgesetz!
Irreführung der Bürger
Ob Molterer oder Finanzamt ist doch egal, wird der naive Bürger meinen. Wichtig ist doch das tolle Service. Man rechnet mir vor, wieviel ich vom Staat zu erwarten habe, ich muss das Geld nur abholen.
Tatsächlich sind die genannten Steuergutschriften bloß Hausnummern, "errechnet" aus den vorläufigen Unterlagen des Finanzamtes. Die Höhe der Steuergutschrift lässt sich im Regelfall nicht im vorhinein bestimmen, sondern erst nach Abgabe der Steuererklärung. So könnte es schon dem einen oder anderen passieren, dass er statt 110 Euro Gutschrift doch 220 Euro Nachzahlung zu leisten hat. Das erfährt er aber erst im Oktober und dann ist die Wahl schon vorbei.
Beschwerde bei Datenschutzkommission möglich
Betroffene, die den Missbrauch ihrer Steuerdaten zu Wahlkampfzwecken gar nicht lustig finden, können bei der Datenschutzkommission Beschwerde einlegen. Die Beschwerde ist formlos und kostenfrei möglich (www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=ORG&s=ADATE101BALL).
Grundsätzlich ist auch eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs möglich. |