Samstag, 24. Januar 2009
 
Mexiko rüstet zum Globalen Aktionstag PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Leo Gabriel   
Dienstag, 22. Januar 2008

Der Globale Aktionstag, der weltweit am 26. Jänner von globalisierungskritischen Gruppen zu Kundgebungen und Aktionen genutzt wird, dürfte in Mexiko ein heißes Jahr des sozialen Kampfes einleiten.

Globaler Aktionstag: Mexiko ist auch diesmal für eine Überraschung gut

In Wirklichkeit ist der „Día de Acción Global“ ein etwas verspätetes Erstes Mexikanisches Sozialforum: an die 250 Veranstaltungen finden zwischen dem 22. und 26. Jänner allein in der Hauptstadt statt. Die beiden Märsche der Bauern, der eine von der Grenze der USA und der andere aus dem heißumkämpften Bundesstaat Oaxaca, werden zwar nie aufeinander stoßen, weil der aus dem Norden erst gegen Monatsende die mexikanische Hauptstadt erreichen wird. Sie verfolgen aber dennoch das gleiche Ziel: „Sin maíz no hay país“ lautet ihre Parole, die sich einerseits gegen die am 1. Januar in Kraft getretene letzte Etappe des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA wendet und andererseits gegen den Export des traditionellen Grundnahrungsmittels zur Herstellung von Ethanol in en USA.

Das Wunder einer derart massiven Konvergenz anlässlich des Globalen Aktionstages des Weltsozialforums war und ist aber nicht nur Tlaltecutli, der aztekischen Erdgöttin zu verdanken, deren blumenumgarntes Standbild bei der Eröffnungszeremonie enthüllt wird. Sie ist vor allem auf die innenpolitische Lage in Mexiko zurückzuführen, die sich seit Monaten wie ein Gewitter über den Köpfen der 95 Millionen MexikanerInnen zusammengebraut hat.

Fast täglich werden Bauernführer zum Verschwinden gebracht, Menschen aus politischen Gründen verhaftet. Zum ersten Mal seit 1995 ist die Armee in Chiapas wieder voll einsatzfähig, wobei die Regierung Calderón im Augenblick die Schmutzarbeit eher den paramilitärischen Parteigängern der PRI überlässt, jener Partei, die das Land 70 Jahre hindurch beherrschte; Grund genug dafür, dass sich der Zapatisten-Subcomandante „Marcos“ seit etwa einem Monat zusammen mit seiner Gefolgschaft in den Urwald der Lacandonen zurückgezogen hat.

Aus dem gleichen Grund kommt dem Menschenrechtsthema auch beim Global Action Day ein besonderer Stellenwert zu. Bei der Eröffnung ergreift nicht nur Rosario Ibarra, die jahrzehntelange Vorkämpferin für die Angehörigen der Verschwundenen das Wort, sondern auch Doña Trini, die Frau des Anführers der Bauern von Atenco, die sich vor etwa zwei Jahren gegen den Bau eines neuen Flughafens im Umkreis von Mexiko-Stadt erfolgreich zur Wehr gesetzt hatten und diesen politischen Sieg mit einer der brutalsten Repressionen in der Geschichte des Landes bezahlen mussten. Ihr Mann, Ignacio Ramírez, wurde nach einem Schauprozess zu sage und schreibe 67 Jahren Haft verurteilt.

Warum aber spielt gerade jetzt das Weltsozialforum in Mexiko, einem Land, das bei den WSFs von Porto Alegre bis Nairobi eher schwach vertreten war, plötzlich anlässlich des Globalen Aktionstags eine derart tragende Rolle innerhalb des weitverzweigten Geflechts der sozialen Bewegungen?

Dafür gibt es mehrere Gründe:

1) Die meisten Bewegungen fürchten, dass sie beim großen Clash, der hier im letzten Amtsjahr von George Bush allgemein erwartet wird, allein zu schwach wären, um gegen die zu erwartende Repressionswelle erfolgreich Widerstand leisten zu können;
2) Das WSF stellt für die meisten AktivistInnen innerhalb der mexikanischen Linken so etwas wie eine supranationale, teilweise etwas imaginäre Kraft dar, die in er Lage sein könnte, das Spannungsverhältnis zwischen der politischen Bewegung um Andrés Manuel López Obrador, gegen den im Juli 2006 ein offensichtlicher Wahlbetrug verübt wurde, einerseits und den Organisationen der „Otra Campaña“ andererseits, die in den Zapatisten ihren Referenzpunkt sehen, dadurch zu überbrücken, dass beide Strömungen ihre politische Basis zu Wort kommen lassen.
3) Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang, dass der linkspopulistische Bürgermeister von Mexiko-Stadt zwar spät, aber doch auf den fahrenden Zug aufgesprungen ist und das viertägige Event nach Kräften unterstützt hat.
4) Und last but not least ist der zu erwartende Erfolg dem politischen Geschick der aus der Universidad Autónoma de la Ciudad de México (UACM) stammenden OrganisatorInnen dieses Megaevents zu verdanken, dass sie von vorneherein keine politische Führungsrolle beansprucht haben, sondern vor allem das Networking als solches zur ihrer Handlungsmaxime gemacht haben.

Wie dem immer auch sei: das in neun Hauptachsen gegliederte Programm ist vielversprechend. Neben „Militarisierung und Menschenrechte“, „Erziehung und Gewerkschaft“, „Recht auf Kommunikation“ wird die „Krise der Zivilisation und das Ende es Neoliberalismus“ ebenso behandelt wie die „Rechte der Frauen und Jugendlichen“. Ein Forum über „Land, Indigene Völker und Autonomie“, „Eine andere Umwelt ist möglich“ wird in den auf dem Hauptplatz errichteten Zelten ebenso stattfinden wie eines über „Das Recht auf die Stadt und ein menschenwürdiges Wohnen“ und eines über „Solidarwirtschaft“, dem ein ganz besonderer Stellenwert zukommen wird. All das umgarnt von einem populären Kulturprogramm und einem Festival des politischen Dokumentarfilms.

In einem Satz: Mexiko könnte zur großen Überraschung des Global Action Days werden.


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