Samstag, 24. Januar 2009
 
Boliviens Senat verabschiedet Agrarreform PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von José Pinto   
Dienstag, 5. Dezember 2006

Wochenlang hatte die Opposition im Senat die Sitzungen boykottiert und damit eine Abstimmung über das umstrittene Landreformprojekt verhindert. Drei Parlamentarier tanzten aus aus der Reihe und ermöglichten schließlich den Beschluß. Der Druck der Straße dürfte dabei eine zentrale Rolle gespielt haben.

(La Paz, alai-poonal).- Die Blockade der Senatorenkammer in Bolivien, die die beiden Oppositionsparteien als Druckmittel gegen die Regierungspartei Movimiento al Socialismo errichtet hatten, brach am 28. November zusammen, nachdem drei Parlamentarier von den Parteien Poder Democrático Social und Unidad Nacional beschlossen hatten, wieder an den Sitzungen teilzunehmen. Damit begann eine Mammutsitzung, in der mehrere Rechtsnormen abgesegnet wurden. Die erste davon war das so genannte Gesetz zur allgemeinen Verlängerung der Agrarreform. Bemerkenswert ist dabei der Hintergrund der Parlamentarier, die mit ihrer Entscheidung das bolivianische Oberhaus wieder beschlussfähig gemacht haben. Alle drei stammen aus den zum Oriente, also zum östlichen Tiefland Boliviens zählenden Provinzen Beni und Pando und gehören der oppositionellen Hälfte des Senats an.

In den Morgenstunden waren Tausende Vertreter verschiedener Bauern- und Indígena-Organisationen in die Hauptstadt geströmt. Viele hatten bereits in bis zu dreiwöchigen Protestmärschen die Ratifizierung des Gesetzes gefordert. Mit dem vorhergehenden Rückzug ihrer Senatoren wollten die Landesvertretungen der rechten Oppositionsbündnisse PODEMOS („Wir schaffen’s“) und Unidad Nacional (Nationale Einheit) nicht nur ihre Mehrheit innerhalb der Kammer demonstrieren, sondern vor allem einen Kurswechsel der Regierungspartei im Ratifizierungsprozess der Verfassunggebenden Versammlung erzwingen. Hier fordert die Opposition bei den Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit. Zusätzlich und in Übereinstimmung mit den Oppositionsparteien hatten Bürgerkomitees (Zusammenschlüsse wichtiger politischer und wirtschaftlicher Interessengruppen) und Präfekte (Verwalter der Provinzen) den „Notstand“ ausgerufen und der Regierung nahe gelegt, innerhalb kürzester Zeit zu handeln. Andernfalls würden sie in ihren jeweiligen Bezirken für 24 Stunden die Arbeit niederlegen. Die Situation war ausgesprochen heikel.

Während Präsident Evo Morales sich in den Niederlanden aufhielt, versuchte Vizepräsident Álvaro García Linera in mehreren Zusammenkünften mit den Fraktionschefs die Wogen zu glätten, jedoch ohne Erfolg. Morales musste seine Reise unterbrechen und erreichte La Paz quasi zeitgleich mit den DemonstrantInnen. In einer spontanen Rede erklärte er, es sei wichtig, dass die Senatoren an ihren Platz zurückkehrten. Daher sei er notfalls bereit, auf Rechtsmittel zurückzugreifen, um den durch die Blockade entstandenen Problemen ein Ende zu bereiten. Dies war zum Glück nicht mehr nötig; bereits einige Stunden später war die Krise durch die Rückkehr der drei Oppositionsvertreter ins Abgeordnetenhaus beendet. Kurz vor 00.00 Uhr des 29. Novembers wurde im von Indígenas, Bauern, Siedlern, bewaffneten Streitkräften sowie Dutzenden von Journalisten angefüllten Regierungssitz Palacio Quemado das Gesetz zur Fortführung der Agrarreform erlassen, das der Vorherrschaft des Großgrundbesitzes im bolivianischen Oriente ein Ende setzen soll. Zudem wurden die neuen Vertragsbedingungen vereinbart, unter denen künftig internationale Energieunternehmen mit dem staatlichen Energieunternehmen YPFB (Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos) kooperieren sollen. Auch für die Opposition kam diese Wende überraschend. Noch während der Senatssitzung versuchte sie, den Rücktritt der Abgeordneten, die die „eiserne Blockade“ beendet hatten, durchzusetzen. Das gelang ihnen jedoch nur in einem von drei Fällen.

Der Triumph der Regierungspartei Movimiento al Socialismo (Bewegung zum Sozialismus) symbolisiert gleichzeitig einen wichtigen Schritt in der Entwicklung des Demokratisierungsprozesses. Da für die Opposition kaum Möglichkeiten bestehen, die Beschlüsse in Zweifel zu ziehen, sieht sie sich nunmehr gezwungen, über neue Druckmittel nachzudenken. Eine endgültige Entscheidung über die Forderung nach einer Zweidrittelmehrheit für die Beschlüsse der Verfassunggebenden Versammlung steht noch aus. Es würde nicht überraschen, wenn es der MAS, statt lediglich an der 50-Prozent-Mehrheit festzuhalten, auch noch gelänge, die erforderlichen Stimmen zu gewinnen, um die zwei Drittel voll zu machen.

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