Auch drei Wochen nach den Wahlen, die er offensichtlich verloren hat, weigert sich Robert Mugabe, sich von der Macht zu verabschieden. Das folgende Portrait versucht die Entwicklung des einstigen Freiheitskämpfers zum Tyrannen nachzuzeichnen.
Zimbabwe ist seit 1980 unabhängig und wird seither von Robert Mugabe regiert. 1924 geboren, hatte er eine streng katholische Erziehung und besuchte mehrere Jesuitenschulen. Studium bis 1960 in Südafrika, Tansania, Ghana und Großbritannien.
1960 kehrte Mugabe als überzeugter Marxist in die damalige britische Kolonie Südrhodesien zurück (späterer Name: Rhodesien, heutiger Name: Zimbabwe; das vormalige Nordrhodesien ist das heutige Sambia). Dort trat er der Nationaldemokratischen Partei (NDP) bei, aus der später die Zimbabwe African Peoples Union (ZAPU) wurde. 1963 verließ er die ZAPU, um die konkurrierende Zimbabwe African National Union (ZANU) mit zu begründen. Nachdem er sich mit Ndabaningi Sithole, einem der Gründungsmitglieder der ZANU, zerstritten hatte, wurde er Leiter des militanten Flügels der ZANU.
Er wurde 1964 zusammen mit anderen revolutionären Aktivisten verhaftet und für 10 Jahre inhaftiert. In dieser Zeit erwarb er mittels Fernstudium vier weitere akademische Grade. 1974 ging er nach Mocambique, von wo aus er die Zimbabwe African National Liberation Army (ZANLA), eine militante Untergruppe der ZANU, im Kampf gegen die weiße Minderheits- regierung Ian Smiths anführte. 1976 schloss sich die ZANU mit der ZAPU zur Patriotic Front (PF) zusammen.
Aufgrund des Drucks der Guerillagruppen und der Bevölkerung wurden 1979 freie Parlamentswahlen für die Republik Zimbabwe angesetzt. Statt wie erwartet Joshua Nkomo gewann Robert Mugabe am 4. März 1980 die Wahl. Die ZANU errang 57 von 100 Sitzen im Parlament. Mugabe wurde Premierminister.
Zu Beginn seiner Amtszeit verkündete Mugabe nach dem langen blutigen Befreiungskampf, Schwarz und Weiß würden künftig zusammenarbeiten und das Land gemeinsam entwickeln: „Lassen wir die Vergangenheit ruhen.“ Mugabe bemühte sich, die Lebensqualität der schwarzen Bevölkerung zu verbessern, und das Bildungssystem entwickelte sich zu einem der besten in ganz Afrika.
Galt er seit den 1980er Jahren als Hoffnung für ein freies Afrika, wurde er in den letzten Jahren wegen seiner Tyrannen-Allüren und verheerenden Wirtschaftspolitik zu einer schweren Belastung für das Land.
Heidi Holland, eine in Südafrika lebende Journalistin, die als Tochter eines weißen Farmers in Zimbabwe aufgewachsen ist, hatte die seltene Gelegenheit, von Mugabe Ende letzten Jahres in Harare für ein Interview empfangen zu werden. Die Situation Ende 2007 ist dieselbe wie heute: eine astronomisch hohe Inflationsrate, eine ruinierte Industrie, ein Drittel der Bevölkerung vor den unerträglichen Zuständen geflüchtet – meist ins nahe Südafrika. Nach den Wahlen im März vor knapp einem Monat verhindert Mugabe die Veröffentlichung der Wahlergebnisse, lässt Schlägermilizen aufmarschieren und treibt sein Land an den Rand des Bürgerkriegs.
Frau Holland hat versucht zu verstehen, wie der ehemals gefeierte Unabhängigkeitskämpfer, der einen historischen Kompromiss mit der weißen Bevölkerung des ehemaligen Rhodesien anstrebte, sich zu einem paranoiden starrsinnigen Tyrannen entwickeln konnte.
Edgar Tekere, der mit ihm gemeinsam die ZANU gründete, glaubt, dass man schon bald nach der Unabhängigkeit diktatorische Tendenzen bei ihm sehen hatte können. In den 80ern sah er sich schon bald von Verrätern und Doppelagenten in der eigenen Partei umringt und richtete unter den Anhängern und Stammesangehörigen seines ehemaligen Mitkämpfers in der ZAPU, Joshua Nkomo, ein Massaker mit an die 20.000 Toten an. (Das die westliche Welt bei weitem weniger interessierte als die Enteignung der weißen Farmer Ende der 90er Jahre).
Der ehemalige britische Außenminister Lord Carrington glaubt, dass Mugabe schon bald wirtschaftliche Fehlentscheidungen getroffen hatte und diese zu kaschieren versuchte, indem er die Kampagne der Enteignung weißer Landbesitzer begann, um seine Anhänger erneut um sich zu scharen. Wahrscheinlich war sie auch eine Vergeltungsmaßnahme gegen die Undankbarkeit der weißen Siedler, die trotz seiner Bemühungen um gutes Auskommen 1985 gegen ihn und für Ian Smith gestimmt hatten. Außerdem habe Großbritannien Geld-Zusagen für eine Landreform nicht eingehalten und ihn dadurch wirtschaftlich und in seinem Ansehen geschwächt.
Andere sprechen von psychologischen Hintergründen, traumatischen Spätfolgen der brutalen Folter, die Mugabe während seiner Inhaftierung in rhodesischen Gefängnissen zu erleiden hatte. Nur wenige Menschen seien ihm je nahe gekommen und die einzige Vertraute, seine Frau Sally, ist 1992 gestorben.
Der Widersprüchlichkeit seiner eigenen Person – die britische und katholische Erziehung zugleich mit dem Widerstand gegen das britische Kolonialregime, die Solidarität mit seinem Volk und das Bestreben, ihm zur Unabhängigkeit zu verhelfen und zugleich die Entfremdung von den eigenen Wurzeln und das Misstrauen in die Menschen seiner engeren Umgebung – stehen Verhaltensweisen und Meinungen von außen entgegen, die auch nicht gerade hilfreich sind für eine Lösung des historischen Konflikts um Mugabe. Sein inakzeptables Verhalten wurde so lange geduldet, weil für Afrika der Kolonialismus und der Rassismus nach wie vor ein so schweres Verbrechen und ein solch schlimmes Trauma darstellen, dass es sich nicht überwinden kann, den Despoten Mugabe zu verurteilen und zu kritisieren – nur um sich nicht an der Seite des alten Feindes wiederzufinden.
In Afrika wird jeder Versuch, die Verbrechen des Kolonialismus herunterzuspielen, als schwere Beleidigung wahrgenommen, egal ob der Westen das versteht oder nicht. Es gibt also eine Haltung gegenüber Mugabe, die seine Verdienste und die schwierigen Kämpfe seines Lebens abwägt gegenüber seiner Despotie und die für letztere so etwas wie Verständnis oder zumindest Duldung zeigt.
Kofi Annan erklärte im Juli 2007 bei der „Fifth Nelson Mandela Annual Lecture“ in Johannesburg: „Es ist höchste Zeit, dass afrikanische Politiker aufhören, einander in Schutz zu nehmen, wenn sie korrupt sind und Menschenrechte verletzen.“ Er nennt diese Haltung des Verschweigens „eine schädliche selbstzerstörerische Form des Rassismus, der die Leute eint und sie dazu bringt, sich gegen weiße Tyrannen aufzulehnen, schwarze Tyrannen aber zu entschuldigen“.
Letztlich waren es Mugabes Entscheidungen, die Zimbabwe wirtschaftlich und sozial an den Rand des Ruins gebracht haben, und es ist nur zu hoffen, dass seine Macht nicht mehr so weit reicht, tatsächlich einen Krieg gegen die Opposition von Morgan Tsvangirai anzuzetteln. Laut neuesten Meldungen wurden die 70 Tonnen Waffen auf einem chinesischen Frachter, die vor der Küste Südafrikas lagen und für die Regierung bestimmt waren, von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gepfändet, sagte ein KfW-Sprecher dem Internetmagazin Spiegel online. Die KfW ist nicht an den Waffen, sondern an einer Rückzahlung ihrer Kredite an Zimbabwe interessiert. Vor Umsetzung des Beschlusses allerdings verließ der Frachter den Hafen Durban und bewegt sich nun in Richtung Angola und wird zu einer Art Geisterschiff, da ihn kein Staat anlegen lassen will.
Quellen: Heidi Holland: Starrsinnig, einsam, gefährlich In Weltwoche Nr.16 (2008)
Afrika: Deutsche Kreditanstalt lässt Mugabes Waffen pfänden http://www.zeit.de/news/artikel/2008/04/21/2517630.xml
Wikipedia: Mugabe http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Gabriel_Mugabe
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