Traiskirchen wird wie militärisches Sperrgebiet abgeschirmt. Wie die Securityleute die Menschen bewachen, soll ein Geheimnis bleiben.
”Heute hat ein Wachmann seinen Hund auf ein Kind gehetzt. Das Kind, das
im Garten spielte, erschrak, schrie und weinte. Der Wachmann grinste,
als er das bellende Tier zurückpfiff.” Diese Episode erzählten zwei
Bewohner des Lagers Traiskirchen dem Autor, als er für sein Buch
”Gestrandet. Aus dem Alltag von AsylwerberInnen” (2006) recherchierte.
Wachorgane haben bei AsylwerberInnen definitiv keinen guten Ruf.
Was aber denken die Security-Leute, die für gewöhnlich vor Discotheken,
in Einkaufstraßen oder als Gebäudeschützer für Ruhe und Ordnung sorgen,
wenn sie sich plötzlich in einem Flüchtlingslager mit teils
traumatisierten Menschen wiederfinden? Das wolllte ich erkunden, indem
ich ein, zwei Tage einen Sicherheitsmann in Traiskirchen begleiten
würde. Der erste Anruf beim Betriebsrat der Bewachungsfirma des Lagers
war positiv, er sagte seine volle Unterstützung zu. Leider erkrankte
der Mann vor unserem Gesprächstermin. Er wies aber vorher noch darauf
hin, dass das Innenministerium eine Erlaubnis erteilen müsse.
Auszug aus dem E-mail-Verkehr mit dem Lagerleiter in Traiskirchen, Franz
Schabhüttl:
(...) Die Betreuungs- und Erstaufnahmestelle Traiskirchen ist eine exponierte
Dienststelle des BMI, deren Profession die Betreuung von Asylwerbern ist.
Diese sensible Aufgabe wird unter Zuhilfenahme verschiedener Firmen, Organisationen
und einer NGO mit entsprechender Sorgfalt und Feingefühl wahrgenommen.
Menschen, die aus verschiedensten Gründen aus allen Teilen der Welt hier
eine erste ”Anlaufstation” und eine ”ruhige Insel” im Sturm der Flucht
und des Fluchtweges vorfinden, wollen zunächst einmal ”Vertrauen schöpfen”.
Diese notwendige Basis möchten wir nicht in Frage stellen oder stören
(...).
Sehr geehrter Herr Dr. Hofer! Ich bin überzeugt, dass Sie bei ihrem enormen
sozialen Hintergrund und Engagement Verständnis dafür haben werden, dass
ich einem Sicherheitsorgan der Fa. S. bei der Bewältigung ihrer verantwortungsvollen
Aufgabe nicht eine außenstehende Person beigeben kann, ohne Misstrauen
und Verunsicherung zu erzeugen. Es tut mir leid, Ihnen keine entsprechende
Nachricht zukommen lassen zu können und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg
und Schaffenskraft in Ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Schabhüttl
Zuständig ist dafür Franz Schabhüttl, ehemaliger Polizist und heute
Lagerleiter von Traiskirchen. Der Beamte war schnell kontaktiert, seine
Antwort eindeutig: er versagte den Zutritt. (Die besorgte Begründung
ist als Email-Auszug im Kasten nachzulesen.) Hatte der oberste Wächter
Traiskirchens Bedenken wegen zuviel ”Schnüffelei”? Oder wegen des
Vergewaltigungsprozesses im Jänner vor vier Jahren? Der Security-Mann
wurde damals freigesprochen.
Militärisches Sperrgebiet?
Vielleicht ließ sich ein Gespräch mit den Sicherheitsleuten in
Traiskirchen selbst anbahnen? Vor zwei Jahren war es trotz
Betretungsverbots noch möglich, an zwei Stellen über die Mauer zu
springen. Mittlerweile hat Traiskirchen alle Attribute einer
Hochsicherheitszone. Jeder Meter wird mit Kameras überwacht, zusätzlich
patrouillieren Wachorgane mit Hunden entlang des weitläufigen Areals.
Selbst das Fotografieren von außerhalb des Geländes ist verboten.
Gleich zweimal drohten Lager-Bewacher dem Fotografen laut und überaus
heftig. Eine Erinnerung an Besuche hinter dem Eisernen Vorhang kam auf,
wo militärische Objekte unter Fotografierverbot gestellt waren und ein
Zuwiderhandeln dazu führen konnte, dass das ”feindliche Fotomaterial”
konfisziert wurde. Das Klima des Lagers leidet darunter. Nicht wenige
der interviewten Flüchtlinge gaben als Ersteindruck von Österreich an:
”Wir leben hier in einem offenen Gefängnis.” Der Sicherheitsaufwand
signalisiere: ”Wir sind hier nicht willkommen, wir werden als Gefahr
gesehen, der Kontakt zur österreichischen Bevölkerung ist nicht
erwünscht.” Wenn die Neuankömmlinge das Lager für einen kurzen
Spaziergang Richtung Bahnhof verlassen, passieren sie zunächst die
örtliche Polizeistation. Später treffen sie auf Uniformierte, die vor
der Volksschule postiert sind. Überraschend viele Eltern warten dort
zum Unterrichtsschluss vor den Toren der Volksschule, um ihre
Schützlinge sicher nach Hause zu begleiten. An dem ohnehin mit
Sicherheitsorganen besetzten Bahnhof schließlich sind gleich mehrere
Überwachungskameras installiert.
Es stellt sich die Frage: Wozu dieser teure Sicherheitsaufwand? Warum
ist es nicht gestattet, die BewohnerInnen im Lager zu besuchen? Jedes
Gefängnis kennt Besuchsregelungen - nur für AsylwerberInnen in einem
Erstaufnahmezentrum sollte es absolut keinen Zutritt geben?
Lage entspannt, Ordnung strikt
Dabei könnten die Beschäftigten der Bewachungsfirma jetzt weit
entspannter Auskunft über ihren Arbeitsalltag geben, als noch vor zwei
Jahren. Gegenüber den ehemals rund 1.500 AsylwerberInnen, die sich dort
monatelang auf engstem Raum aufgehalten hatten, sind nunmehr gerade
einmal 700 Bewohnerinnen und Bewohner da. Ernste Konflikte sind kein
großes Thema mehr. Zusätzlich hat sich die Aufenthaltsdauer drastisch
verkürzt. Nach der positiven Abklärung wird den Neuankömmlingen nach
wenigen Wochen eine Unterkunft in einem der Bundesländer zugewiesen, wo
sie in die Grundversorgung des jeweiligen Bundeslandes übernommen
werden.
Das Wachpersonal besetzt rund um die Uhr die Portierloge. Ein
Kartenscanner registriert jede Person, die ein- und ausgeht. Das
Betreten und Verlassen des Lagers ist den BewohnerInnen zwischen 20 und
7 Uhr früh nur mit Sondergenehmigung erlaubt. Einkaufstaschen werden
kontrolliert, Alkoholika konfisziert, ebenso Lebensmittel, die gekocht
werden müssen. Dafür gibt es die Großküche. Sicherheitskräfte entdecken
manchmal bei ihren Streifzügen durch das Gelände Flaschen mit Alkohol.
Sie wurden durch den Zaun geschoben, um der Kontrolle beim Tor zu
entgehen. ”Die Hunde erkennen die Sachen am Geruch, dadurch werden sie
schnell gefunden”, erzählt ein Bewohner. Spannungen gibt es nach wie
vor zwischen verschiedenen Staatsangehörigen und Religionen. ”80 bis 90
Prozent der Bewohner sind Muslime”, erzählt ein christlicher
Flüchtling, er bleibe auf Distanz.
Wie die Security Konflikte schlichtet, soll also Geheimnis bleiben.
Selbst diplomierte SozialarbeiterInnen stoßen bei der Betreuung von
Flüchtlingen leicht an die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Wie geht es erst
Wachorganen ohne entsprechende Ausbildung? Ist ein Gespräch mit ihnen
deshalb ”Verschlussakte”?
(leicht gek.)
Mitarbeit: Andreas Bachmann. Aus: dem eben erschienen “MOMENT” Nr.10, hg. von SOS Mitmensch. Abos für 40 Euro 4 Ausgaben zu bestellen bei:
, Postfach 220, A-1070 Wien, http://www.moment.at. MOMENT ist eine Partnerpublikation der DAZ.