Weiterhin wachsen die Spannungen in den ethnischen Gebieten von Burma an. Die Bereitschaft der Militärs, mit den VolksgruppenvertreterInnen in Dialog zu treten, bleibt aber gering.
Während die von General Than Shwe angeführte Regierungsjunta seit vergangenem Wochenende das von den Ereignissen der letzten Wochen geprägte Image einer Normalisierung in den von den ethnischen Burmesen besiedelten Landesteilen verbreitet, häufen sich die Berichte von wachsenden Spannungen in den von verschiedenen ethnischen Minderheiten bevölkerten ethnischen Gebieten.
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Wissen: Völker und Sprachen in Burma/Myanmar Myanmar ist ein Vielvölkerstaat mit etwa 54 Millionen Einwohnern verteilt
auf 135 verschiedenen Ethnien. Die größte ist die der Birmanen (Bamar) mit
70 % Bevölkerungsanteil. Die Shan (8,5 %) leben hauptsächlich im Shan-Staat
des Landes. 6,2 % stellen die Karen, die überwiegend Christen sind. 2,4
% gehören zu den Mon. Die Padaung gehören zur Sprachgruppe der Mon-Khmer
und umfassen ca. 150.000 Personen. Sie leben im südlichen Kachin- und im
Shanstaat. 2,2 % sind Chin (Tschin) und 1,4 % Kachin. Hauptsächlich im Rakhaing-Staat
leben etwa 730.000 Arakanesen. Andere Quellen geben ihren Anteil an der
Gesamtbevölkerung sogar mit 4 % an. Ebenfalls im Rakhaing-Staat leben die
Rohingya, denen der Status als Volksgruppe verwehrt wird und die von der
Regierung als bengalische Muslime bezeichnet werden. Viele von ihnen sind
nach Bangladesch geflohen. Ferner stellen die Chinesen 1–2 % und die Inder
1 % der Bevölkerung. Die einzelnen Völker sprechen ihre eigenen Sprachen,
Englisch ist Handelssprache. Birmanisch, auch Burmesisch, ist die Amtssprache
in Myanmar. Darüber hinaus wird das Birmanische von vielen ethnischen bzw.
linguistischen Minderheiten in Birma als weitere Sprache neben der Muttersprache
verwendet. Der Landesname: Eigentlich handelt es sich bei Burma und Myanmar
nicht um zwei unterschiedliche Bezeichnungen. Bama mit undeutlich ausgesprochenem
ersten „a“, von dem sich die englisch ausgesprochene Schreibweise Burma
(und davon in anderen Sprachen wiederum Birma) herleitet, und Myanma sind
seit jeher die Bezeichnungen für die größte Bevölkerungsgruppe der Bamar
in ihrer eigenen Sprache und für ihr Land. (DAZ; Quelle: Wikipedia, Stichwörter
Myanmar und Birmanische Sprache) |
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Die Militärs hoben am vergangenen Samstag die in den meisten grossen Städten wie Rangun und Mandalay seit Ende September verhängte Ausgangssperre auf und kündigte die Verlautbarung einer Verfassung an, welche ihre Macht untermauern soll. „Die von der Junta ausgearbeitete Verfassung ist mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar und muss unter Mitarbeit der Delegierten sowie aller 1990 gewählten Parlamentsmitglieder überarbeitet werden“ (Ethnic Nationalities Council, policy statement 2007)
Mit grosser Eile und mit den ihr eigenen repressiven Methoden versucht nun die Militärjunta von ihrem elfenbeinenen Befehlsstand mitten im Urwald von Pyinmana aus die Lage in den Griff zu bekommen. Insbesondere bemüht sie sich die nach der letzten UNO-Resolution auch von China und Indien geäusserten Bedenken zu zerstreuen.
Gleichzeitig schürt sie durch gezielte Propaganda das traditionelle Mißtrauen zwischen den im Flachland lebenden Burmanen und den Stämmen der Berge, um eine politische Solidarisierung zwischen den burmanischen und nicht burmanischen Volksgruppen zu verhindern. Dörfer erhalten Auflagen zur Entsendung von Unterstützern, denen bei nicht Erscheinen schwerste Verfolgung droht. Damit wird versucht ein Bild der Harmonie im Land nach aussen zu verbreiten um ein Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft zu verhindern.
Ob die Regierungsjunta ihr Ziel erreicht ist, aber nicht nur wegen der Sensibilisierung der weltweiten öffentlichen Meinung mehr als fraglich, sondern auch auf Grund der militärischen Auseinandersetzungen, die in verschiedenen ethnischen Gebieten seit vielen Jahren auf der Tagesordnung stehen.
Die grossen ethnischen Gruppen haben ihre eigenen bewaffneten Einheiten, die in wechselnden Allianzen und an wechselnden Fronten gemeinsam für ein freies Burma und das Ende der Diktatur kämpfen. Diese Einheiten, die von der Diktatur als „Terroristen“ bezeichnet werden, koordinieren ihre Aktivitäten im Rahmen der Nationalen Demokratischen Front (National Democratic Front-NDF)
„Ziel unseres bewaffneten Widerstandes ist das Ende jeder Form von Diktatur und in Folge die Etablierung einer Föderalen Union, in der alle Völker Burmas – unabängig von ethnischer Zugehörigkeit und Religion – die selben demokratischen Rechte haben “ (Hkun Okker, General Secretary NDF)
Die Zahl der in Burma intern vertriebenen Menschen wird auf 2 Millionen geschätzt. Im Grenzgebiet zu Indien leben etwa 200.000 Chin auf permanenter Flucht – einmal vor den Indischen Behörden, dann vor den Militärs im Land. Es gibt Flüchtlingslager im angrenzenden Bangladesh, wohin die muslimischen Rohingyas aus Arakan State flüchten.
In Lagern an der Grenze zu Burma zählte UNHCR 250.000, die den bewaffneten Freiheitskämpfern als politisches Hinterland dienen. Bei den Shan, denen Thailand kein Bleiberecht zugesteht, ist die Situation noch dramatischer; denn ihre Flüchtlingslager befinden sich mitten im "Rebellengebiet".
Diese nur unzureichend ausgerüsteten Rebellenarmeen dienten der Militärjunta bisher immer als Vorwand in die ethnischen Gebiete einzumarschieren. Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Massenvergewaltigungen von Frauen und Kindern, Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, Zwangsarbeit, Verminung und Niederbrennen von Dörfern und Feldern in den von anderen Ethnien wie den Karen, Karenni und Shan besiedelten ethnischen Gebieten standen dort seit 20 Jahren an der Tagesordnung.
Deshalb wurde 2001 das ENC (Ethnic Nationalities Council www.encburma.org) gegründet, eine Schirm-Organisation, die alle ethnischen Nationalitäten unter sich vereint und ihre Interessen vertritt. 2003 wurde in Genf von der UNO die Notwendigkeit eines Dreiparteien-Dialoges zwischen der NLD, der Partei von Aung San Suu Kyi, dem ENC und der Militärjunta anerkannt.
„Auf Grund des extremen Leides der Menschen Burmas fordern wir das sofortige Ende der Gewalt, so wie die Aufnahme des Dreiparteien-Dialoges zur Findung einer politischen Lösung“ (Rimond Htoo, ENC-Information Committee).
Claudia Feuervogel ist Friedensaktivistin und freie Publizistin in Wien.
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