Am 28.1. fand am Straflandesgericht Graz der Prozess gegen zwei Mayday-AktivistInnen statt, die bei einer antifaschistischen Demonstration Ende November verhaftet worden waren.
Damals protestierten ca. 100 Menschen mit einer gewaltfreien Blockade gegen ein rechtsextremes Vernetzungstreffen im "Gothensaal", zu dem die Grazer FPÖ Andreas Mölzer, Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang als Nachfolger des Vlaams Blok und die deutschen RechtsextremistInnen von "pro Köln" eingeladen hatte. Die beiden DemonstrantInnen wurden ohne jeden Anlass festgenommen, als die Polizei die Blockade auflöste, und blieben zwei Tage unter mehr als fragwürdigen Umständen in Haft. Angeklagt waren sie wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" und "schwerer Körperverletzung". Sie wären, so die Polizei, gegen eine Polizeikette angerannt und hätten einen Beamten am Daumen verletzt.
Vor Gericht: Polizei trifft Video
In der Gerichtsverhandlung blieb von den Vorwürfen nichts übrig: Die zwei Polizisten, die die belastenden Aussagen gemacht hatten, widersprachen sich und behaupteten schlichtweg Unmögliches: So sagte der eine, ein Beschuldigter hätte sich - eingerollt in ein 3 Meter breites Planentransparent und mit dem Rücken zur Polizeikette - gezielt gegen die Hand des Beamten geworfen. Und als die Polizisten dann die Rolle geöffnet hätten, seien doch glatt zu ihrem Erstaunen zwei Leute darin eingewickelt gewesen (nämlich auch noch die andere Beschuldigte). Der zweite Polizist wiederum erklärte, dass der Beschuldigte immer mit dem Gesicht zu ihm gestanden hätte und - das schwere Transparent im Alleingang ausgestreckt haltend - durch die Polizeikette gebrochen wäre.
Auf einem Video, das zufällig die entscheidenden Momente zeigte, sah mensch dann, dass nichts von diesen absurden Aussagen stimmte: Keine/r der angeklagten DemonstrantInnen hatte irgendetwas getan, das über passiven Widerstand hinausgegangen wäre. Der Richter fragte die Polizisten schließlich ernsthaft, ob sie wirklich die Richtigen verhaftet hätten. Seinen Ärger über das Videomaterial konnte daraufhin ein Polizist nicht einmal im Gerichtssaal für sich behalten. "Das Video kenne ich gar nicht", beklagte er sich, worauf der Anwalt ein "Und das mit gutem Grund!" einwarf. Nicht ohne Ironie wollte der Richter am Schluss von einem Beamten wissen, ob er wenigstens zugestehe, dass das Video echt sei. "Oder waren Sie Statist in einem Film, der für das Gericht gedreht wurde?" Der Prozess endete mit Freispruch für beide Beschuldigten, mittlerweile ist der Freispruch rechtskräftig.
Ende gut, alles - doch nicht so gut?
Ob die Polizei versuchen wird, ihre Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen gegen die Mayday-AktivistInnen wegen des verletzten polizeilichen Daumens über das Zivilgereicht durchzusetzen, ist noch offen. Ein weiteres Nachspiel dieses Vorfalls - allerdings für die Behörde - ist eine parlamentarische Anfrage, die die Umstände der Haft nach der Festnahme zum Thema hat. Beim "Unabhängigen Verwaltungssenat" ist eine Beschwerde wegen der DNA-Analyse anhängig, die die Polizei bei der verhafteten Demonstrantin mit Gewalt durchgeführt hatte.
Was von diesem Akt polizeilicher Willkür bleibt, sind nicht nur die Anwaltskosten (die noch immer nicht bezahlt werden konnten) und der Schaden für die berufliche Situation. Was bleibt, ist auch der bittere Nachgeschmack, dass für Vorwürfe, die sich in Nichts auflösten, der Staatsanwalt bis zuletzt die Untersuchungshaft beantragt und die Polizei sich legitimiert gefühlt hatte, den Betroffenen die grundlegendsten Rechte zu verweigern. Aber, so erklärte der Grazer Behördenvertreter Gerhard Lecker, gegenüber dem "Standard", von dem er auf den Prozess angesprochen wurde, die Polizei sei "lernfähig". Was die Grazer Polizei unter "Lernfähigkeit" versteht, bewies sie übrigens wenige Tage später am 2. Februar: Als ca. 25 Leute gegen den Aufmarsch radikaler AbtreibungsgegnerInnen vor einer Arztpraxis demonstrierten, wurde die völlig friedliche Kundgebung aufgelöst. Mindestens zehn DemonstrantInnen wurden angezeigt, zusätzlich - welch Zufall - fast alle Personen, die das Geschehen mit Kameras dokumentierten.
Kontakt: MayDay2000 Graz, Postfach 466, 8011 Graz; http://mayday.antifa.net
|